Zehn Hektar am Tag:Bayern kriegt den Flächenfraß nicht in den Griff

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Wo gebaut wird, werden Naturflächen versiegelt, zum Beispiel im neuen Münchner Viertel Freiham-Nord. Die Staatsregierung wollte den Flächenfraß eigentlich senken, hat das aber nicht geschafft. (Foto: Catherina Hess)

2018 hatten CSU und Freie Wähler angekündigt, den Verbrauch von Land auf fünf Hektar pro Tag zu drosseln. Passiert ist seitdem nichts, im Gegenteil: Die Versiegelung nahm sogar zu. "Das nächste gebrochene Versprechen", kritisieren die Grünen.

Auch fünf Jahre nach ihrer Ankündigung fehlt der bayerischen Staatsregierung noch immer eine wirksame Strategie gegen den hohen Verbrauch von Landesfläche. Für 2021 lag der Flächenverbrauch bei 10,3 Hektar (ha) pro Tag und damit sogar höher als 2018, als es exakt zehn Hektar waren. 2019 (10,8 ha) und 2020 (11,6 ha) war der Flächenverbrauch sogar noch höher gewesen. Wie hoch der Verbrauch 2022 lag, wurde noch nicht veröffentlicht - neuere Zahlen dürfte es wohl erst nach der Landtagswahl im Oktober geben.

"Wir wollen den Flächenverbrauch im Freistaat deutlich und dauerhaft senken. Ein schonender Umgang mit der Fläche dient dem Schutz unserer Lebensgrundlagen und unserer Heimat", heißt es im Koalitionsvertrag. Dazu wollten CSU und Freie Wähler "eine Richtgröße für den Flächenverbrauch (Siedlungs- und Verkehrsfläche) von fünf Hektar je Tag im Landesplanungsgesetz anstreben" und gemeinsam mit den Kommunen wirkungsvolle Steuerungsinstrumente entwickeln. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) selbst hatte 2018 ein Anreizsystem in Aussicht gestellt, welches Kommunen motiviere, Flächen zu sparen.

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Obwohl die von CSU und Freien Wählern getragene Staatsregierung damit ihr eigenes Ziel aus dem Koalitionsvertrag deutlich verfehlt, lehnte sie erst in dieser Woche erneut einen Antrag für eine verbindliche Obergrenze von fünf Hektar von 2028 an beim Flächenverbrauch ab. "Die strikte Obergrenzenregelung für die Neu-Inanspruchnahme von Flächen und auch die planwirtschaftliche Flächenzuteilung an die Gemeinden ist abzulehnen", sagte Wirtschaftsstaatssekretär Roland Weigert (Freie Wähler) am Mittwoch im Landtag. Jegliche Vorgabe für den Flächenverbrauch an die Städte und Gemeinden sei wahrscheinlich ein strenger Verstoß gegen die kommunale Selbstverwaltung.

Der Verweis auf die kommunale Selbstverwaltung verwundert, denn in anderen Fällen verfolgte die Staatsregierung in dieser Legislatur diesbezüglich einen anderen Ansatz: So gibt es in Bayern nach wie vor nicht die von den Kommunen gewünschte Grundsteuer C; und als vor Monaten die Stadt München eine Bettensteuer einführen wollte, schob das Innenministerium kurzerhand per Gesetz einen Riegel davor.

"Mir blutet das Herz", sagt Naturschützer Richard Mergner

Umweltschützer schlagen Alarm wegen des hohen Flächenverbrauchs. "Jeden Tag werden in unserer schönen Heimat wertvolle Grünflächen, Wälder oder Feuchtgebiete gerodet, asphaltiert, überbaut und versiegelt, oft sind sie für immer verloren. Mir blutet das Herz wenn ich sehe, wie rücksichtslos in Zeiten der Klima- und Biodiversitätskrise mit unserer Natur umgegangen wird", sagte der Vorsitzende des Bund Naturschutz, Richard Mergner, in München.

Wirtschaftliche Interessen und aus der Zeit gefallene Wachstumsfantasien etwa beim Straßenbau würden über den Erhalt der Lebensgrundlagen gestellt. Echte Anstrengungen der Staatsregierung, diese fatale Entwicklung aufzuhalten, seien dagegen Fehlanzeige.

"Der Wille, dem Flächenfraß in Bayern den Kampf anzusagen, fehlt bei CSU und Freien Wählern komplett. Das haben sie mit ihrer Ablehnung unseres Gesetzes zum Flächensparen erneut bewiesen", sagte auch Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Die Bilanz nach fünf Jahren Söder-Regierung sei bitter. "Noch immer verschwindet in Bayern täglich mehr als das Doppelte an Wiesen und Feldern unter Beton und Asphalt. Das nächste gebrochene Versprechen dieser Staatsregierung." Bayern brauche aber "einen klaren Pfad - danach sehnen sich auch die Verantwortlichen in den Städten und Gemeinden".

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