Am Abend des 13. Juli 2014 hat sich die Fußballnation Deutschland einem nationalen Taumel hingegeben. Der Triumph im WM-Finale zog allerdings auch ärgerliche Folgen nach sich, was jedoch kaum bemerkt wurde.
Zum Beispiel kletterten siegestrunkene Fans in jener Sommernacht grölend auf die großen Augsburger Prachtbrunnen, die nach den antiken Helden Herkules, Merkur und Augustus benannt sind. Die schweren Tritte der "Besatzer" haben vor allem dem 400 Jahre alten Augustusbrunnen auf dem Rathausplatz erheblich zugesetzt, ja sie haben den betagten Bronzefiguren sogar den letzten Rest gegeben.
Nun dürfen sich die mannshohen Statuen in einem Depot des Maximilianmuseums zur Ruhe setzen. Vorher aber werden sie noch in einem aufwendigen Verfahren in den Werkstätten des Landesamts für Denkmalpflege kopiert, damit die Augsburger Brunnenherrlichkeiten für viele weitere Jahrhunderte fortleben können, - sofern sie in der nahen Zukunft nicht noch mehr Weltmeisterschaftsfeiern erdulden müssen.
Menschenleer, hässlich, grandios: Auf einer Reise von 1700 Kilometern entlang der Grenzen Bayerns zeigt sich der Freistaat von seiner unbekannten Seite.
Dabei ist der Ruhm des Fußballs lediglich flüchtig. Der Glanz der Augsburger Renaissance-Brunnen aber war ursprünglich für die Ewigkeit geschaffen. "Das sind Höhepunkte des Kunstschaffens der Renaissance", sagt die Restauratorin Kerstin Brendel, die sich im Denkmalamt in München mit der Sanierung von Metallobjekten beschäftigt. Die dortige Werkstatt wurde 1992 eingerichtet. Die Putten der Münchner Mariensäule waren die ersten Patienten, die hier behandelt wurden.
Der Bronzefraß verschonte auch nicht die Figur des Marc Aurel
Der 1593 eingeweihte Augustusbrunnen ist ein Meisterwerk des aus Amsterdam stammenden Bildhauers Hubert Gerhard, der sein Können vermutlich in Italien vervollkommnet hat. Florenz und Venedig waren seinerzeit Hochburgen der Bronzegießerei, die schon in der Antike eine großartige Blüte erlebt hatte. Im Reiterstandbild des Marc Aurel in Rom kommt diese Meisterschaft überragend zum Ausdruck.
Aber so wenig der Bronzefraß die Figur des Marc Aurel verschonte, so wenig tut er es mit den Augsburger Brunnenfiguren. Nicht nur wegen der Fußballfans wurde es höchste Zeit zu handeln. "Korrosionsvorgänge auf Bronze sind sehr kompliziert", weiß Kerstin Brendel, die dieses Phänomen zusammen mit ihren Kollegen im Labor erforscht.
Peter Morsbach ist der Vorsitzende der Altstadtfreunde. Ihm fällt einiges ein, was noch zu verbessern wäre.
Die Augustusfigur jedenfalls muss im frischen Zustand einen enormen Glanz ausgestrahlt haben. "Zwei Goldschmiede haben sie ein Jahr lang ziseliert", sagt Brendel. Aber gegen Staub, Hausbrand und sauren Regen ist auf Dauer kein Kraut gewachsen, irgendwann wird das Metall salzig und die Oberfläche grün, ein untrügliches Zeichen für Korrosion.
Die Augsburger Bronzebrunnen sind Spitzenwerke der Bronzegießkunst, und deshalb haben sie schon immer besondere Beachtung gefunden. Die Archivalien belegen eine ständige Auseinandersetzung mit Veränderungen und Schäden. "Brunnensockel und Becken sind im Laufe der Jahrhunderte zerstört und erneuert worden", sagt Kerstin Brendel, nur die Bronzen blieben bis heute im Original erhalten.
Der Augustusbrunnen ist bereits in den Jahren 1993 bis 2000 restauriert worden. Die Figur des Augustus wurde damals aufgrund der Schäden durch eine Kopie ersetzt. Die restlichen Bronzen wurden aber nur mit einem konservierenden Wachsüberzug versehen, was alljährlich wiederholt wurde.
Zwei Jahre wird es dauern, bis das Ensemble am Rindermarkt wieder in altem Glanz erstrahlt. Für die kleinen Geschäfte werden Übergangslösungen gesucht.
Aber das reicht jetzt als Schutz nicht mehr aus. Damit die kostbaren Originale nicht noch weiter Schaden nehmen, werden auch die restlichen Objekte durch Kopien ersetzt. "Sämtliche Merkmale der originalen Oberfläche müssen dabei in der Gussform abgebildet sein", sagt Kerstin Brendel. Nur so werde der Bronzeguss dem Original maximal ähnlich sein.
Flussgötter in der Restaurierungswerkstatt
Zurzeit befinden sich die Flussgötter Lech, Brunnenbach und Wertach in der Restaurierungswerkstatt. Die Abformarbeiten werden von der Gipsformerei Weinreuter ausgeführt. Es ist eine der letzten Firmen, die dieses Ausbildungshandwerk überhaupt noch ausübt.
Die in Silikon abgeformte Bronzeoberfläche ist dabei die Negativform für das Wachs; die Wachsoberfläche wiederum wird dann beim Guss in der Bronze abgebildet. Es ist ein kompliziertes Unterfangen, bis die aus dem Guss kommenden Einzelteile zusammengefügt, die Oberfläche von Ziseleuren überarbeitet und anschließend dem Original entsprechend patiniert werden.
Der Bronzefraß trifft nicht nur die Schätze der Stadt Augsburg. Auch der Marc Aurel in Rom ist längst durch eine Kopie ersetzt. Ebenso der im 12. Jahrhundert aufgestellte "Braunschweiger Löwe", die wohl älteste erhaltene Großplastik des Mittelalters nördlich der Alpen. Das Original befindet sich seit 1989 in der Burg Dankwarderode. Vor dem Braunschweiger Dom steht eine originalgetreue Kopie.
Finanziert wird die Neuanfertigung der Augsburger Flussgötter zum Großteil von der Messerschmitt-Stiftung, die 1969 vom Unternehmer Willy Messerschmitt gegründet wurde und den Erhalt deutscher Kulturgüter fördert.