CSU im Stimmungstief:"Mir blutet mein schwarzes Herz"

Lesezeit: 4 min

CSU-Chef Markus Söder muss derzeit mit mauen Umfrage-Ergebnissen klarkommen. (Foto: dpa)

29 Prozent - noch nie hatte die CSU ein so schlechtes Umfrageergebnis bei einer Bundestagswahl. Generalsekretär Markus Blume gibt Durchhalteparolen aus, an der Basis macht sich Resignation breit.

Von Andreas Glas und Matthias Köpf, München

Die blanke Zahl ist schlimm genug für die CSU und Markus Söder. Der Zeitpunkt aber macht es nicht besser. Am Freitag, beim Parteitag in Nürnberg, stellt sich CSU-Chef Söder den Delegierten zur Wiederwahl. Ausgerechnet jetzt also flattert der Partei diese Zahl ins Haus: 29 Prozent. So tief könnte Söders stolze CSU bei der Bundestagswahl sinken. Das prophezeit jedenfalls eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage des Instituts GMS für den Fernsehsender Sat 1. Einen "ultimativen Weckruf" nennt Generalsekretär Markus Blume die CSU-Werte. Diesmal meint er nicht Armin Laschet, den CDU-Chef und Kanzlerkandidaten der Union, den die CSU-Spitze bekanntermaßen für zu schläfrig hält. Diesmal spricht Blume von einem "Weckruf an alle Bayern".

Das Entsetzen ist groß in der CSU-Parteizentrale, die Überraschung nicht. Schon in der vergangenen Woche hatte Blume "einige Umfragen" angekündigt - und laut vorgerechnet, was seiner Partei da blühen könnte. Es wirkte wie eine Präventivmaßnahme, um die Schockwellen schon im Vorfeld ein wenig abzufedern. Zuletzt sei es fast "mathematische Gesetzmäßigkeit" gewesen, dass die CSU bei der Bundestagswahl zwischen sechs und acht Prozentpunkte mehr hole als die Schwesterpartei CDU, sagte Blume. Und: Was das für die CSU bedeute, könne sich jeder selbst ausrechnen.

Nun also muss niemand mehr rechnen, nun liegt da diese bleischwere Zahl: 29. Zur Einordnung: Fast ein halbes Jahrhundert lang holte die CSU bei Bundestagswahlen stets mehr als 50 Prozent der Zweitstimmen in Bayern. Bei der Wahl 1998 rutschte sie erstmals unter die 50er-Marke, bei der Wahl 2017 unter 40 Prozent. Und jetzt, keine drei Wochen vor nächsten Wahl, diese historisch schlechte Prognose. "Der Bundestrend steht gegen uns", sagt CSU-Generalsekretär Blume.

In der CSU gibt es ja praktisch niemanden, der die neuesten Umfragewerte nicht in erster Linie am Kanzlerkandidaten der Union festmacht. "Die Umfragen sagen deutlich: Laschet ist nicht der richtige Kandidat", findet etwa Elisabeth Koch, die Garmisch-Partenkirchener Bürgermeisterin. "Mir blutet mein schwarzes Herz", sagt Koch über die 29 Prozent, ein "fundamentaler Abwärtstrend". Dieser Trend, sagt Uwe Brandl, CSU-Bürgermeister in Abensberg, "war absehbar, schon seit einem halben Jahr".

Aus Brandls Sicht gibt es noch mehr Gründe für den Trend, die nicht unmittelbar mit der CSU zu tun haben. Da sei zum einem die Pandemie, in der sich eben nicht beliebt mache, wer strenge Regeln aufstellen und durchsetzen müsse. Dann die neue Vielfalt der Parteien. Vielen konservativen Wählern sei offenbar nicht klar, dass sie mit einer auf Bundesebene letztlich verschenkten Stimme für die Freien Wähler am Ende dem eigenen Lager schadeten, sagt Brandl, der auch Gemeindetagspräsident ist. Das Hauptproblem im Wahlkampf sieht aber auch er in der "Schwäche des Spitzenkandidaten", der die CSU mit nach unten ziehe. Für die Bundestagswahl gehe es jetzt vor allem um eines: "Augen zu und durch, es hilft ja nichts."

Hilft nichts, findet auch Generalsekretär Blume. Man müsse "jetzt alles tun, den Trend zu drehen". Nur, wie kann das jetzt noch gelingen? Die CSU müsse sich vom Bundestrend "absetzen" und "die Bayern-Karte in der verbleibenden Zeit noch mal sehr deutlich spielen". Nach großer Hoffnung, dass Laschet die Wahl für die Union noch drehen könnte, klingt das nicht. Eher danach, dass die CSU ihr Schicksal endgültig in die eigene Hand nimmt. Die Menschen müssten spüren, dass es bei der Wahl "um die Frage geht, wie Bayern künftig im Bund vertreten sein wird" - am Regierungstisch, was aus CSU-Sicht natürlich die attraktivere Variante ist, oder in der Opposition. "Wir sind kampfbereit", sagt Blume. Die CSU werde "einen starken Schlussspurt hinlegen, da spielt der Parteitag eine große Rolle".

Nur Durchhalteparolen? Wer der CSU derzeit den Puls fühlt, spürt teils schon Ohnmacht. Auch auf dem Parteitag wird es dem Vernehmen nach keinen fundamentalen Strategiewechsel geben. Neben der Bayern-Karte dürfte Söder bei seiner Rede am Freitag erneut auf die Kernbotschaft setzen, dass eine rot-grün-rote Regierung die Republik ins Unheil stürzen werde. Am Samstag ist dann ausgerechnet der Mann in Nürnberg zu Gast, der für die Mehrheit in der CSU der Hauptschuldige an der eigenen Umfragemisere ist: Armin Laschet. Trotzdem wird Söder sich erneut neben Laschet stellen und beteuern, wie groß die Unterstützung für den Kanzlerkandidaten der Union ist.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Würde sich Söder offen von Laschet distanzieren, der in Bayern von Wahlplakaten mit CSU-Logo lächelt, würde das seiner Partei mehr schaden als nützen. Die CSU wird ihre Bayern-Karte also subtiler ausspielen, auch abseits der Parteitagsbühne. Zum Beispiel an den Straßenrändern, wo die CSU den Kandidaten Laschet in einigen Ecken des Freistaats relativ großzügig tapeziert hat. Das Straßenbild könnte sich in den letzten Wochen vor der Wahl ändern. Neben zusätzlichen Mottoplakaten mit der Aufschrift "Stabilität statt Linksrutsch" sollen im Wahlkampffinale mehr Söder-Plakate als bisher tapeziert werden. Das sei schon lange geplant und kein Misstrauensvotum gegen Laschet, heißt es aus der Parteizentrale. Man kann das glauben. Muss man aber nicht.

Natürlich könne man jetzt mehr Söder plakatieren, sagt die Oberpfälzer JU-Bezirksvorsitzende Stefanie Dippl, die sich auf Platz 38 der CSU-Liste um einen Sitz im Bundestag bewirbt und sich angesichts der Umfragezahlen kaum noch Chancen ausrechnen darf. Doch noch wichtiger sei es, "die Inhalte in den Vordergrund zu stellen", sagt Dippl. Auch der Tirschenreuther CSU-Landrat Roland Grillmeier sieht Fehler bei der eigenen Partei. Wie Dippl findet zwar auch er, dass Laschet womöglich nicht der richtige Kandidat sei, aber nachdem er sich gegen Söder durchgesetzt hatte, hätte die CSU für Grillmeier durchaus "auch manches ein Stück weit besser machen können".

In der Parteispitze beobachtet man derweil sehr genau, dass auch die Union insgesamt historisch schlechte Umfragewerte verzeichnet. In einer ebenfalls am Dienstag veröffentlichten, bundesweiten Umfrage des Instituts Forsa rutschten CDU und CSU erstmals unter die 20er-Marke, auf 19 Prozent. Gemessen daran seien 29 Prozent für die CSU doch ein sehr respektables Ergebnis, finden manche in der Partei. Sieht so aus, als übe die CSU schon mal, mit wenig zufrieden zu sein.

© SZ vom 08.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Wahlrecht
:Unter fünf Prozent - und trotzdem drin

Angesichts ihres aktuellen Sinkflugs läuft die CSU Gefahr, die Fünf-Prozent-Marke zu verfehlen. Doch dank der Direktmandate zieht sie auch bei einem unterirdischen Wahlergebnis in den Bundestag ein.

Von Johann Osel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: