Wahlrecht:Unter fünf Prozent - und trotzdem drin

Einzug in den Bundestag: An der Fünf-Prozent-Hürde soll es für die CSU trotz schlechter Werte nicht scheitern.

Selbst wenn die CSU bundesweit an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern sollte, dürften es ihre Abgeordnete per Direktmandat in den Bundestag schaffen.

(Foto: imago images/F. Anthea Schaap)

Angesichts ihres aktuellen Sinkflugs läuft die CSU Gefahr, die Fünf-Prozent-Marke zu verfehlen. Doch dank der Direktmandate zieht sie auch bei einem unterirdischen Wahlergebnis in den Bundestag ein.

Von Johann Osel

Ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde? Diese Frage konnte in Twitter-Debatten am Dienstag nach dem Umfragetief der CSU prompt gesichtet werden. Und mancher User meinte wirklich, dass die Christsozialen, die bei einer Erhebung zur Bundestagswahl in Bayern erstmals unter die 30-Prozent-Marke abrutschten, künftig dem Bundestag nicht mehr angehören könnten.

Das Zweitstimmenergebnis der CSU, die nur im Freistaat antritt, wird in der Tat bundesweit umgerechnet: Demnach schaffte die Partei etwa vor vier Jahren bundesweit 6,2 Prozent, 2013 waren es 7,4 Prozent oder 2002 mit dem Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber deutschlandweit betrachtet neun Prozent. Die Fünf-Prozent-Hürde gilt an sich auch für die CSU. Angesichts ihres aktuellen Sinkflugs läuft sie Gefahr, diese Marke in knapp drei Wochen zu verfehlen - sie wäre wegen voraussichtlich vieler Direktmandate aber dennoch im Parlament vertreten.

Bei früheren Wahlen war es so, dass die direkt von der CSU gewonnenen Wahlkreise über der Mandatszahl lagen, die ihr über die Zweitstimme zustehen; es kam also gar niemand über die Liste in den Bundestag. Nach wie vor hat die CSU gute Chancen, viele oder nahezu alle der 46 Wahlkreise im Freistaat direkt zu gewinnen. Damit sind diese Mandate auch grundsätzlich existent. Zum Beispiel im Jahr 2002 war die damalige PDS an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, Gesine Lötzsch und Petra Pau waren aber trotzdem in den Bundestag gewählt, direkt in zwei Berliner Wahlkreisen.

Das Bundeswahlgesetz kennt außerdem die sogenannte Grundmandatsklausel: Hat eine Partei sogar drei Wahlkreise gewonnen, kommt sie in den Bundestag und darf die Abgeordnetenzahl entsprechend ihres Zweitstimmenergebnisses aufstocken. Dies ist bei der CSU kein relevantes Szenario. Es kam in der Geschichte der Bundesrepublik bisher drei Mal zum Tragen: 1953 profitierte davon die Deutsche Partei, 1957 die Deutsche Zentrumspartei und 1994 wiederum die PDS: Sie hatte nur 4,4 Prozent der Zweitstimmen, aber vier Direktmandate. Laut Grundmandatsklausel wurden ihr 26 weitere Landeslistensitze zugeteilt; sie rangierte dann aber nicht als Fraktion, sondern nur als "Gruppe" mit weniger Rechten.

Für das Selbstverständnis der CSU dürfte freilich ein Fallen unter die Fünf-Prozent-Hürde, wenn es denn bei dieser Bundestagswahl so kommen sollte, vor allem ein symbolischer Schaden sein. Auswirkungen hätte die Schwäche der CSU allerdings für die Größe des Bundestags, der wegen seines Wachstums ohnehin in der Kritik steht - bereits in der jetzigen Legislaturperiode umfasst das Parlament wegen vieler Ausgleichs- und Überhangmandate mehr als 100 Abgeordnete zusätzlich zur eigentlich vorgesehenen Größe. Eine Wahlrechtsreform gegen den Trend zum XXL-Bundestag war in jüngerer Vergangenheit eher zum Reförmchen geraten.

Läge die Zahl der gewonnenen CSU-Direktmandate jetzt noch klarer über dem Zweitstimmenergebnis, dann gäbe es weitere Überhangmandate. Ein direkt gewonnenes Mandat, sozusagen als unmittelbare Gunst der Bürgerinnen und Bürger gegenüber einem Politiker, kann nicht einfach wegfallen. Zudem sind die Sitze über die Erststimme der Garant dafür, dass alle Regionen sicher im Parlament vertreten sind. Im Gegenzug aber würden Ausgleichsmandate für andere Parteien fällig. Die Zeitung Tagesspiegel bezeichnete nach einer Analyse dazu die CSU mal als "Problembär im bestehenden Wahlsystem".

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