CDU-Vorsitz:Die schweigsame Schwesterpartei aus Bayern

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Welcher der drei aussichtsreichsten Bewerber um Merkels Nachfolge passt wohl am besten zur CSU? (Foto: dpa)

Entspannt wie selten blickt die CSU auf die CDU, wenn diese die Nachfolge von Angela Merkel regelt. Eine bayerische Wahlempfehlung gibt es nicht, eine stille Sympathie aber schon.

Kommentar von Wolfgang Wittl

Der forsche Typ, der Dinge so gut auf den Punkt bringen kann - ist er nicht das, was die Partei jetzt braucht? Oder sollte man gewarnt sein vor seinem Ego? Vor seinen vielen Ideen, bei denen man nicht weiß, was wirklich hinter ihnen steckt: Kreativität oder Effekthascherei? Also vielleicht doch lieber die Frau, die ein bisschen brav, aber recht sympathisch daherkommt? Die zwar keine Sehnsüchte erfüllt, aber auch niemanden wirklich verschreckt? Wie verhalten sich eigentlich die Parteigranden im Kampf um den Spitzenposten? Gerät es ihrem Favoriten zum Vorteil, wenn sie sich öffentlich einmischen? Oder schadet es? All diese Fragen sind in der CSU aus leidvoller Erfahrung bestens bekannt. Und man ist froh, dass sie ausnahmsweise nicht in der eigenen Partei gestellt werden, sondern bei der CDU.

Wenn die CDU an diesem Freitag die Nachfolge von Angela Merkel regelt, blicken die Bayern entspannt wie selten zur Schwesterpartei. Die CSU hat ihre Machtkämpfe weitgehend abgeschlossen; Mitte Januar soll Markus Söder als Parteichef auch den zweiten Teil von Horst Seehofers Erbe antreten. In der CDU wird gerade mal der erste Teil vergeben. Offiziell heißt es bei der CSU, man käme mit allen drei Bewerbern gut klar. Das ist so verständlich wie geflunkert. Auch die CSU würde sich jede Einmischung verbitten. Ohnehin wäre eine bayerische Empfehlung für den Wunschkandidaten so nützlich wie abgefahrene Sommerreifen bei einem Autorennen am Gletscher.

Trotz der beharrlich beteuerten Neutralität hegen viele CSU-Leute eine stille Sympathie für Friedrich Merz. Anders als Annegret Kramp-Karrenbauer wird er als größtmöglicher Kontrast zu Merkel gesehen. Die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin gilt in der CSU ja immer noch als Wurzel für die jüngsten beiden Wahlniederlagen. Die Rechnung geht so: Je größer die Distanz zu Merkel, desto größer die Chance, verlorenes Terrain im Kampf gegen die AfD gutzumachen. Jens Spahn? Pflegt gute Kontakte nach Bayern, muss aber wohl auf seine nächste Chance warten. Doch auf eines sollte die CSU bei aller Freude über den Wechsel gefasst sein. Merkels Nachfolger wird mit ihr gewiss nicht liebevoller umspringen - egal, wen die CDU wählt. Nachgiebigkeit kann sich ein frischer Parteichef nicht leisten.

© SZ vom 07.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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