Coronavirus:Die Bayern zwischen ignoranter Feierwut und kreativem Beistand

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"Stirbt das Kino wegen Corona, dann stirbt eine große Kunstform": Auch das Odeon in Bamberg ist wegen der Pandemie geschlossen. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Die Polizei löst "Corona-Partys" auf und in Uni-Städten ist man gesellig, als sei nichts. Dass aber längst nicht alle so verantwortungslos handeln, stellt ein Youtube-Video aus Bamberg unter Beweis.

Von Katja Auer, Leon Potuzhek und Olaf Przybilla, Nürnberg/Bamberg

In Bayern musste die Polizei zu Wochenbeginn tatsächlich "Corona-Partys" beenden. In Nürnberg trafen sich an der Münchner Straße etwa hundert sogenannte Feierwütige - ein Begriff, der eine andere Dimension bekommt dieser Tage - und stellten an einem Aussichtspunkt mit Generatoren betriebene Musik- und Lichtanlagen auf. Genehmigt war das nicht, die Polizei stellte beides sicher und unterband das absurde Treiben.

Es war nicht der einzige Fall in Bayern. In Schwabach trafen sich 50 Jugendliche in einem Skater-Park, sie feierten lautstark mithilfe einer Musikanlage. Offenbar, so spekuliert die Polizei, hätten "sich die Jugendlichen zuvor über soziale Netzwerke zu der Feier verabredet". Die Beamten erteilten Platzverweise und stellten die Anlagen sicher. Man "appelliere eindringlich" an die Bevölkerung, so etwas zu unterlassen, heißt es in einer Erklärung. Die Beamten verweisen aber auch auf Konsequenzen: Nicht genehmigte Veranstaltungen seien Verstöße, "die strafbewehrt sind".

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Warum jemand so etwas macht? Das sei, vermutet eine Beamtin, "womöglich eine Trotzreaktion ohne Nachzudenken". Man hoffe, dass sich das nicht ausbreite. Geäußert haben sich jene, die da gefeiert haben, bislang nicht über ihre Motivation. Man gehe zugunsten jener vorerst von "Unbedarftheit" aus und werde mit Augenmaß reagierten, sagt Elke Schönwald, Sprecherin des Polizeipräsidiums Mittelfranken. Ganz klar müsse aber auch sein, dass so etwas nicht geht. Weniger bewusst subversives, sondern einfach nur gedankenloses Verhalten war am Wahlsonntag auch in Würzburg zu beobachten.

Beinahe noch vor der Residenz hat sich die Alte Mainbrücke in den vergangenen Jahren zum touristischen Hotspot der Universitätsstadt gemausert: Zwei Anbieter schenken Frankenwein aus, man steht dicht an dicht und am Sonntag - es war mild-sonnig und frühlingshaft schön am Main - sahen die Bilder von der Brücke aus, als hätte dort noch nie einer was von Corona gehört. Bewusste Verdrängung? Gedankenlosigkeit? Egoismus? Oder von allem etwas? Man weiß es nicht. Immerhin haben sich die Bilder aus Würzburg in den vergangenen 48 Stunden nun doch stark verändert: Das Ausschenken der Wein-Anbieter habe inzwischen ein Ende, berichtet Stadtsprecher Christian Weiß. Auf der Brücke waren am Dienstag nur noch vereinzelt Passanten zu sehen.

Ganz ähnlich wie in Würzburg war es auch in Bamberg. Dort ging zu Wochenbeginn bei bestem Frühlingswetter das Leben einfach weiter, als gäbe es keine Krise. Morgens, nachmittags, abends, fast alles wie gehabt. An einem studentischen Hotspot, auf der Unteren Brücke, saßen Hunderte Menschen aneinandergedrängt und genossen die Sonne, gutes Bamberger Bier und den malerischen Blick auf die Regnitz. Man unterhielt sich, hier und da eine Umarmung, von Sicherheitsabstand zum Nebenmann keine Spur. Ein ganz normaler und geselliger Frühlingsabend in Bamberg, so wirkte es fast - nur dass die Zeiten eben alles andere als normal sind.

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Dass es in der oberfränkischen Unistadt auch anders geht, und das Coronavirus nicht überall aus den Köpfen verdrängt wird, das zeigten zu Wochenbeginn die Bewohner der Anna-Maria-Junius Straße dagegen eindrucksvoll. Dazu muss man wissen, dass gerade viele Videos aus Italien viral gehen, in denen von der Ausgangssperre Betroffene auf ihren Balkonen stehen und zusammen mit ihren Nachbarn Lieder durch die verlassenen Straßen hallen lassen. Jürgen Pfister aus Bamberg hatte diese Videos ebenfalls gesehen: "Da dachte ich mir: Vordächer haben wir hier doch auch. Daraus entwickelte sich dann die Idee, aus unserer Straße unsere eigene Solidaritätsbekundung nach Italien zu schicken." Pfisters Nachbar Johannes Klehr, Musiklehrer an einem Bamberger Gymnasium, setzte die Idee dann musikalisch um. Ein YouTube-Video hält die außergewöhnliche Straßenszene fest.

Erst richtete Klehr auf dem Vordach seines Hauses Worte des Zuspruchs und der Freundschaft an die Italiener, dann begann er die italienische Partisanenhymne "Bella ciao" zu singen - und der komplette Straßenzug stieg mit ein. "Wir haben für unser Video schon viele positive Reaktionen aus Italien bekommen", sagt Jürgen Pfister, glücklich über die Rückmeldungen in den sozialen Netzwerken.

Es gibt also auch Zeichen von Vernunft in Zeiten von Corona. Null Verständnis für Leute, die sich nun eigens treffen, um damit angeblich dem Virus zu trotzen, zeigt derweil Ministerpräsident Markus Söder. "Corona-Partys? Sorry, das geht gar nicht", sagt er am Dienstag nach der Kabinettssitzung. Er wiederholt seine Formulierung vom "Charaktertest für die Gesellschaft". Dazu gehöre nun, Einschränkungen hinzunehmen, da sie Leben retten könnten. Die Polizei werde "Corona-Partys" unterbinden, auch die Verantwortlichen von Parks seien angewiesen, größere Zusammentreffen im Freien aufzulösen.

© SZ vom 18.03.2020 / KAA, LPO, PRZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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