Pandemie-Bekämpfung:Söder hat sich grob verschätzt

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Markus Söder legt jetzt in Bayern eine Notbremsung hin, viele Maßnahmen werden nochmal verschärft. Zu spät? (Foto: dpa)

Die Staatsregierung versucht nun nachzuholen, was sie in den vergangenen Wochen und Monaten versäumt hat. Ob das reicht, um die Infektionszahlen in Bayern zu drücken, ist zweifelhaft.

Kommentar von Sebastian Beck

Nach Wochen des Zögerns und Zuschauens hat die Staatsregierung endlich Maßnahmen ergriffen, um die sich abzeichnende Katastrophe vielleicht doch noch abzuwenden. Die Schließung von Clubs und Kneipen, aber auch die Reduzierung der Zuschauerzahlen bei öffentlichen Veranstaltungen kommen freilich viel zu spät. Und der weitgehende Lockdown in den besonders betroffenen Landkreisen wird bereits in drei Wochen wieder auslaufen.

Das wird nicht reichen, um die Infektionszahlen wieder dauerhaft auf ein erträgliches Maß zu drücken. Ein Blick über die Grenze nach Österreich zeigt, wie es im Winter schlimmstenfalls auch hier weitergehen könnte, selbst wenn das derzeit noch als rechtlich ausgeschlossen gilt: Lockdown für alle und allgemeine Impfpflicht ab Februar.

Es wirkt schon fast wie eine Ironie, dass Ministerpräsident Markus Söder am Freitag bei der Vorstellung der Corona-Maßnahmen ausgerechnet den bayerischen Ethikrat zitierte, der in seiner Stellungnahme vom Mittwoch eine allgemeine Impfpflicht als allerletztes Mittel im Kampf gegen Corona zumindest nicht ausgeschlossen hatte. Denn der Ethikrat hatte die Staatsregierung bereits im Juni eindringlich vor einer vierten Welle im Winter gewarnt und insbesondere die sofortige Vorbereitung von Auffrischungsimpfungen angemahnt, weil der Impfschutz nachlassen werde.

Diese Mahnung haben sowohl Söder als auch sein Gesundheitsminister Klaus Holetschek ignoriert. Dabei wären gerade die Booster-Impfungen langfristig planbar gewesen. Nun aber steigen abermals die Fallzahlen bei alten Menschen und es wird noch Wochen dauern, bis zumindest diejenigen, die sie wollen, eine dritte Impfung bekommen. Das ist eindeutig ein staatliches Versagen.

Sonst muss man Söder zugute halten, dass er im Sommer genauso sorglos agiert hat wie der Großteil der Gesellschaft, der einfach mal Pause vom Virus machen wollte. Corona-Beschränkungen wären in der Urlaubszeit, zumal vor der Bundestagswahl, schwer durchsetzbar gewesen. Söder hat sich grob verschätzt - wie so viele Politiker, Journalisten und auch einige Virus-Experten. Nur darf er das auf keinen Fall zugeben, weil es halt nicht zur Doktrin der Unfehlbarkeit passt, die es außer im Vatikan sonst nur noch in der Münchner Staatskanzlei gibt.

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