Corona in Bayern:Feiern in Bad Aibling, Frust in Memmingen

Lesezeit: 3 min

So kann’s gehen: Im oberbayerischen Bad Aibling kommen sie zu Hunderten dank niedriger Sieben-Tage-Inzidenz zum Pfingstfest. (Foto: privat)

Die Sieben-Tage-Inzidenz in Bayern liegt unter 50, in vielen Landkreisen treten endlich Lockerungen in Kraft. Dagegen herrscht in Memmingen Ratlosigkeit ob des höchsten Inzidenzwerts in ganz Deutschland.

Von Matthias Köpf und Lea Weinmann, Bad Aibling

Es gibt in diesen Tagen was zu feiern in Bad Aibling. Der Anlass ist Pfingsten, so wie jedes Jahr beim Aiblinger Pfingstfest. Mehr als diesen kalendarischen Anlass hat es sonst nie gebraucht. In diesem Jahr aber gibt es zum Feiern noch einen zusätzlichen Grund: Die Menschen werfen sich in ihre Dirndlkleider und Lederhosen und strömen zu Hunderten zum Volksfestplatz an der Krankenhausstraße hinauf, einfach weil es endlich wieder geht. Die Sieben-Tage-Inzidenz unter 50, lang ersehnte Lockerungen, Ferien vom Distanzunterricht und für viele auch mal ein paar Tage Urlaub - so sieht es inzwischen in ganz Bayern aus. Im Durchschnitt jedenfalls, denn die Inzidenz liegt zwar seit Mittwoch für das ganze Land unter 50, doch an Volksfeste ist deswegen noch längst nicht überall zu denken.

In Memmingen zum Beispiel ist der Frust groß. Die Stadt hat momentan den höchsten Inzidenzwert in ganz Deutschland, 161 am Mittwoch. "Die Stimmung ist durchaus gedrückt", sagt Oberbürgermeister Manfred Schilder (CSU) am Telefon. Die Frage, warum die Zahlen einfach nicht richtig runtergehen wollen, hört er gerade oft. Eine zufriedenstellende Antwort hat Schilder aber nicht, das Infektionsgeschehen sei diffus und breit gestreut. "Ich wünschte, wir hätten einen Hotspot", sagt er sogar, weil es dann einfacher wäre, es zu erklären. Die Leute suchen einen Grund, vielleicht auch einen Schuldigen, und das sei dann eben oft er.

Corona-Krise im Freistaat
:Bayern lockert weiter: Diese Corona-Regeln gelten künftig

Am 3. April entfallen fast alle Vorschriften. Nur noch in Nahverkehr, Kliniken und Heimen gibt es dann eine Maskenpflicht. Ungeimpfte dürfen wieder überall hin. Die neuen Vorschriften im Überblick.

Von Max Ferstl und Kassian Stroh

Dennoch sei da auch Optimismus in Memmingen, die Zahlen würden schon sinken, auch dort, mit noch ein bisschen Geduld. Bis dahin blicken viele etwas neidisch in die umliegenden Regionen Schwabens, Richtung Allgäu, wo sie vor kurzer Zeit noch ebenso sehnsüchtig Richtung Oberbayern geschielt haben, weil dort die Fallzahlen sanken und bei ihnen nicht.

Dass es aber auch ganz anders gehen kann, sprich: Lockerungen schnell wieder passé sein können, erleben sie momentan ein bisschen weiter südlich, in der Stadt Kempten. Dort kletterte die Sieben-Tage-Inzidenz drei Tage in Folge über den Wert 100, das erste Mal am vergangenen Samstag. Am Sonntag waren noch erste Lockerungen in Kraft getreten - und an diesem Mittwoch war damit schon wieder Schluss. Von nun an gilt in der Stadt wieder eine nächtliche Ausgangssperre, Gastronomie geht auch im Außenbereich nicht mehr.

Für die Hotels in der Stadt bedeutet das zudem: Bereits angekommene Touristen müssten jetzt wieder fahren. Das scheint in Kempten aber nur vereinzelt eingetreten zu sein, wenn überhaupt. Denn fragt man in den Stadthotels nach, heißt es: Private Gäste seien bisher ohnehin noch nicht angereist. Die Unsicherheit sei vielen einfach zu groß. Im Hotel Fürstenhof in der Innenstadt mussten sie aber ein paar Gästen absagen, die am Mittwoch oder Donnerstag einchecken wollten. Die seien enttäuscht gewesen, klar, aber auch nicht sonderlich überrascht. Es hatte sich ja angekündigt. Und die Geschäftsreisenden dürfen sowieso bleiben. Am Mittwoch lag die Inzidenz in Kempten übrigens schon wieder klar unter 100, bei 76,6. Selbst wenn sich dieser Trend fortsetzen sollte, dauert es mindestens bis kommenden Mittwoch, bis die Stadt wieder lockern darf.

Damit das alles etwas schneller geht, hat die Staatsregierung noch einmal an ihren Regeln gefeilt. Regionale Corona-Lockerungen seien in Bayern jetzt einen Tag früher möglich als bisher, teilte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Mittwoch mit. Bei stabil niedriger oder sinkender Infektionslage seien Öffnungsschritte künftig schon am siebten statt am achten Tag nach Erreichen der jeweiligen Inzidenzgrenze möglich. Für Holetschek ist das "ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Normalität", nachdem man an Pfingsten mit dieser Öffnungspraxis "gute Erfahrungen gesammelt" habe.

Voraussichtlich werden in den kommenden Tagen immer mehr Landkreise lockern können, denn überwiegend sinken die Fallzahlen. Zwar gibt es wegen der Pfingstfeiertage wohl auch wieder Meldeverzögerungen. Doch von den insgesamt 96 Kreisen und kreisfreien Städten hatten Stand Mittwoch nur noch der Landkreis Günzburg und die Stadt Memmingen eine Inzidenz oberhalb des Schwellenwerts 100. Viele andere sind zwar schon unter die 100 gerutscht, allerdings noch keine fünf Tage in Folge. In 27 Kreisen und Städten lag die Inzidenz schon unter 50. In 38 weiteren ist die Inzidenz sogar unter den nächstniedrigeren Schwellenwert von 35 gesunken, bei neun davon bereits den fünften Tag in Folge. Insbesondere in den Regionen um München, in der Oberpfalz und Teilen Mittelfrankens sind die Fallzahlen im bundesweiten Vergleich niedrig. Es herrscht also vorsichtiger Optimismus, dass kleine Volksfeste wie in Bad Aibling nicht die große Ausnahme bleiben.

Wobei Anna Maria Fahrenschon das diesjährige Aiblinger Pfingstfest gar nicht unbedingt Volksfest nennen will, dafür hat die Familie Fahrenschon als Zeltbetreiberin landauf landab schon zu viele echte Volksfeste veranstaltet. Aber es sei halt das, was man zur Zeit möglich machen könne, sagt sie. Möglich ist auch in Bad Aibling noch kein richtiges Bierzelt, sondern eher ein Biergartenbetrieb, wie er auch den Wirtschaften wieder erlaubt ist. Die Fahrenschons haben ungefähr 100 Biertische aufstellen lassen. Wer nur mit dem eigenen Hausstand Platz nehmen will, darf so hinein, ebenso die nachweislich Genesenen und die vollständig Geimpften. Für alle anderen steht ein Testmobil bereit, an dem deutlich mehr Betrieb ist als am Kinderkarussell. Das hat das Landratsamt in Rosenheim nämlich bisher nicht kreiseln lassen, während auf der Hüpfburg die Kinder kugeln. Die Leute seien diszipliniert, jeder warte bereitwillig auf einen Tisch, sagt Fahrenschon. Am Pfingstwochenende war für manche Gäste sogar Blasmusik zu hören. Denn proben dürfen die Kapellen ja inzwischen wieder, und ein Quartett aus dem Inntal hat da neulich eben mal auch öffentlich geprobt.

© SZ vom 27.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusTourismus in Pandemie-Zeiten
:Urlaub mit Hindernissen

Testpflicht, Inzidenz, Hygiene: Wer als Hotelier oder Gast gegen die Corona-Auflagen verstößt, riskiert ein Bußgeld. Doch was genau gilt als Verstoß und wer kontrolliert den eigentlich? Darüber gibt es erstaunliche Auskünfte.

Von Maximilian Gerl und Lea Weinmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: