Schifffahrt:Klimaneutrale Schiffe auf dem Bodensee

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Das erste vollelektrisch betriebene Schiff der Bodensee-Schiffsbetriebe wird von der Werft ins Hafenbecken gelassen. (Foto: Felix Kästle/dpa)

Der Bodensee ist der größte Trinkwasserspeicher Europas, aber ökologisch aus dem Gleichgewicht geraten. Mit E-Schiffen und neuen Kraftstoffen wollen die Anrainerstaaten bis 2040 eine klimaneutrale Schifffahrt erreichen.

Von Florian Fuchs, Lindau

Die MS Insel Mainau ist ein Katamaran mit Platz für 300 Fahrgäste. 30 Meter lang, acht Meter breit, mit einer Spitzengeschwindigkeit von 15 Kilometern pro Stunde fährt das Passagierschiff im Sommer auf dem Bodensee und produziert dabei mithilfe von Solarzellen auf dem Deck grüne Energie. Die MS Insel Mainau ist das jüngste und erste elektrische Flottenmitglied der Bodensee-Schifffahrt (BSB) - und damit auch so etwas wie ein Symbol für die angestrebte Zeitenwende auf dem Bodensee. Bis ins Jahr 2035, so hat es sich die BSB vorgenommen, soll ihr kommerzieller Schiffsbetrieb klimaneutral unterwegs sein. Die Politik in den Anrainerstaaten Deutschland, Österreich und der Schweiz hat als Ziel das Jahr 2040 anvisiert. Eine gerade veröffentlichte Machbarkeitsstudie im Auftrag des Freistaats Bayern zeigt Wege auf, wie das funktionieren soll.

CO₂-Emissionen von jährlich etwa 52 000 Tonnen verursacht die private und kommerzielle Schifffahrt auf dem Bodensee. Dabei ist das Gewässer Europas größter Trinkwasserspeicher mit aus ökologischer Sicht ohnehin dringendem Handlungsbedarf: Das Wasser wird immer wärmer, auf der Oberfläche, aber auch in der Tiefe. Das hat unter anderem zur Folge, dass sich der See nicht mehr ausreichend durchmischt, dass also im späten Winter das sauerstoffreiche Wasser nicht mehr in die Tiefe gespült wird. Zu wenig Schnee, tiefe Pegelstände im Sommer - das Ökosystem Bodensee steht unter Stress.

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Laut Studie sind mehr als 38 000 Boote mit Verbrennungsmotoren auf dem Gewässer zugelassen, wobei die CO₂-Emissionen zu 90 Prozent von drei Kategorien an Schiffen verursacht werden: von den knapp 14 000 Motorsportbooten mit einer Leistung größer als 37 Kilowatt, von Fähren, die ganzjährig in Betrieb sind, und den saisonal, vorwiegend touristisch genutzten Fahrgastschiffen. Was die technische Umsetzung für Fähren und Passagierschiffe anbelangt, hatte Christoph Witte, technischer Leiter bei den Bodensee-Schiffsbetrieben, vor ein paar Jahren noch erhebliche Kopfschmerzen. "Die habe ich mittlerweile nicht mehr, wir haben signifikante Technologiesprünge gemacht."

Dazu gehört natürlich das E-Schiff Insel Mainau, Witte hat aber auch für andere Bootstypen einen Plan. Insgesamt ist das Unternehmen für einen Verbrauch von sechs Millionen Litern Diesel im Jahr verantwortlich, wie er sagt. Kurze Strecken, gefahren mit langsamer Geschwindigkeit, werden Wittes Ansicht nach vollelektrisch "wunderbar" funktionieren. Es gebe Kapazitätszuwächse bei den Akkus, eine ausreichende Schnellladefähigkeit. Für große Schiffe und schnellere Geschwindigkeiten kristallisiere sich Methanol als geeigneter Antriebsstoff heraus. Das kann über Brennstoffzellen, aber auch in modifizierten Verbrennermotoren genutzt werden. So könnten selbst die alten, vielfach denkmalgeschützten Schiffe auf dem Bodensee umgerüstet werden. "Technisch sind die Probleme gelöst", sagt Witte. "Finanziell haben wir noch ein Problem." Die Fördersätze für Busflotten, kritisiert er zum Beispiel, seien höher als in der Schifffahrt.

Technisch gibt es Lösungen. Die Kosten sind ein Problem

Die Politik muss also mitspielen, nicht nur was Förderungen anbelangt. Am Bodensee ist das traditionell komplizierter, weil drei Länder und viele Bundesländer sowie Kantone involviert sind. Sie organisieren sich in der sogenannten Internationalen Bodensee-Konferenz (IBK), in der Bayern gerade den Vorsitz hatte. Der neue bayerische Europaminister Eric Beißwenger (CSU) hat Anfang Dezember in der Münchner Residenz nicht nur "ein klares Signal für eine klimaneutrale Zukunft der Bodensee-Schifffahrt" gesendet, sondern den IBK-Vorsitz auch an den Schweizer Kanton Appenzell Innerrhoden weitergegeben. Mit der Studie zur klimaneutralen Schifffahrt habe man nun konkrete Zahlen als Entscheidungsgrundlage für weitere Maßnahmen vorliegen, sagte bei der Gelegenheit der dortige Landammann Roland Inauen. "Wir wollen in unserem Vorsitzjahr weiter intensiv daran arbeiten, dass in naher Zukunft eine Verkehrswende um den Bodensee und auf ihm eingeleitet wird."

Die Machbarkeitsstudie zeigt dabei in Wittes Sinn auf, dass E-Methanol und batterieelektrische Antriebe eine wichtige Rolle spielen, dass es unterschiedliche Strategien für unterschiedliche Schiffstypen und Interessengruppen braucht. Das E-Methanol müsse aber in wind- und sonnenreichen Regionen erzeugt und herbei transportiert werden, zudem müsse die Lade-Infrastruktur für E-Schiffe am See ausgebaut werden. Versuche mit verschiedenen zukunftsträchtigen Antriebsstoffen laufen, unter anderem mit der MS Lindau und der MS München - E-Benzin oder E-Diesel sei jedoch noch länger nicht verfügbar.

Genau das ist ein Problem für die Freizeitschiffe. "Viele Besitzer von großen Schiffen mit großen Motoren hoffen auf E-Fuels", sagt Richard Leiner. "Die werden vor 2040 aber nicht zur Verfügung stehen." Leiner ist pensionierter Professor für Elektrotechnik an der Hochschule Konstanz und war dort für die Forschungsboote verantwortlich. Er ist Mitgründer des Vereins Heureka Lago, der sich die emissionsfreie Schifffahrt auf dem Bodensee zum Ziel gesetzt hat. Die politisch ausgerufene Deadline für die Dekarbonisierung bis ins Jahr 2040 hält er allerdings für unrealistisch.

Ein Verein fordert eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf dem See

Mehr als elf Millionen Liter Treibstoff verbrauchen die Freizeitboote mit einer Leistung von mehr als 37 Kilowatt. Alle Eigentümer mitzunehmen bei der Transformation ist für ihn die größte Herausforderung. Segelboote etwa seien leicht umzurüsten auf elektrische Antriebe. Bei Motorbooten setzt Leiner mittelfristig auch auf Methanol, wobei kurzfristig vor allem eine Lösung helfen würde - eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf dem See. Heureka Lago hat eine Petition für ein Tempolimit von 15 Kilometern pro Stunde auf dem Bodensee eingereicht. "Das würde den Kraftstoffverbrauch schon einmal signifikant verringern." Leiner unterstützt auch Forderungen aus der Politik, keine Boote mehr mit Verbrennern zuzulassen. Vereine könnten keine Liegeplätze mehr an solche Boote vergeben.

Den Leuchtturmcharakter, den Politiker immer wieder erwähnen, wenn sie eine klimaneutrale Schifffahrt auf dem Bodensee anpreisen, will Leiner so nicht erkennen. In Bayern zum Beispiel, sagt er, gebe es viele Seen, auf denen Verbrennermotoren verboten seien. "Da hinken wir am Bodensee eher ein bisschen hinterher."

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