Für eine Institution, die den Kern ihres Tuns jahrzehntelang als Staatsgeheimnis behandelte, ist das nun wirklich eine bemerkenswerte Öffentlichkeitsoffensive: 400 Seiten stark ist das Buch, das den Wittelsbacher Ausgleichsfonds (WAF) erstmals umfassend beleuchten soll. Dieser ist eine einzigartige Stiftung, die ein Vermögen von mehr als einer halben Milliarde Euro verwaltet. Aus den Erträgen bekommt die einstige Herrscherfamilie Bayerns jedes Jahr Millionenbeträge überwiesen. Zugleich nennt der WAF eine riesige Kunstsammlung ihr Eigen, ohne die Bayerns und insbesondere Münchens Museen deutlich ärmer wären. Dieser Fonds musste wohl erst 100 Jahre alt werden, bis er und das hinter ihm stehende Haus Wittelsbach ein solches Werk zuließen. Und dass er dieses und sich selbst sogar bei einer Pressekonferenz vorstellte, das wäre vor Kurzem noch undenkbar gewesen.
Sieben Jahre erst ist es her, dass überhaupt bekannt wurde, wie viel Geld aus dieser Stiftung öffentlichen Rechts jedes Jahr an die Wittelsbacher fließt: Etwa 14 Millionen Euro waren es seinerzeit, inzwischen sind es knapp 17 Millionen. Die Zahl ließ sich damals nicht mehr verheimlichen, sie war in einem Gerichtsverfahren zur Sprache gekommen. Wie viele Menschen aber in den Genuss dieser Zahlungen kommen, wer welchen Anteil erhält, ob sie das versteuern müssen oder nicht - all das ist weiterhin nicht zu erfahren. Und auch in dem nun erschienenen Sammelband "Der Wittelsbacher Ausgleichsfonds" werden solche Geheimnisse nicht gelüftet.
Interessante Einblicke liefert er gleichwohl. Insbesondere in seinem ersten Teil, in dem unter anderem die beiden Herausgeber, die Historiker Markus C. Müller und Dieter J. Weiß, die Geschichte des Fonds beleuchten. Er wurde 1923 vom Freistaat ins Leben gerufen und war ein Kompromiss in der strittigen Frage, was Hausgut der Wittelsbacher und was Vermögen des Staats sei und ob dieser nach der Revolution von 1918 der Familie weiter Geld zahlen müsse, wozu er sich 100 Jahre zuvor verpflichtet hatte. So entstand der Fonds - nicht als Besitz der Wittelsbacher, sondern als Stiftung, ausgestattet mit vielen Kunstschätzen und ordentlich Vermögen, aus deren Erträgen die Familie seitdem alimentiert wird. Im Gegenzug verzichtete sie auf alle Ansprüche gegenüber dem Freistaat.
Die Anfangszeit war hart, das Barvermögen wegen der hohen Inflation schon am Tag der Zahlung durch den Freistaat an den Fonds nichts mehr wert. Erst in den 1950er-Jahren machte der WAF dauerhaft gute Gewinne. In den 1960er-Jahren begann er, nicht mehr nur auf seinen großen Waldbesitz zu setzen, der nicht mehr genug Geld abwarf, sondern auch Wertpapiere und Firmenbeteiligungen zu kaufen. Und in den 1970er-Jahren wagte er sich an Investitionen in Amerika, getrieben auch von der Furcht vor einer sowjetischen Invasion in Deutschland.
Mit am interessantesten ist das Kapitel über den WAF in der Nazi-Zeit: Da litt er nicht nur unter den Folgen der Kriegswirtschaft, sondern stritt sich auch diverse Male mit den Machthabern und wehrte sich gegen deren Begehren, vielleicht sogar von Adolf Hitler selbst, den Fonds kurzerhand aufzulösen. Oft musste er sich mit dem Regime arrangieren, oft pflegte er eine "stille, anfangs auch offene Resistenz gegen das nationalsozialistische Regime", wie der Archivar Gerhard Immler schreibt. Und sei es auch im Kleinen - indem er sich beispielsweise weigerte, auf seinen Gebäuden die Hakenkreuzfahne aufzuziehen, und stattdessen die weiß-blaue hisste.
Nach der Absetzung des Königs:Millionen für die Wittelsbacher - dank des Ausgleichsfonds
Vor 100 Jahren errichtete der Freistaat eine Stiftung, um die einstige Herrscherfamilie zu alimentieren - eine bayerische Besonderheit. Heute stellt sich die Frage, ob die noch zeitgemäß ist. So sieht es zumindest Grünen-Fraktionschef Hartmann. Anders die Staatsregierung.
Weit mehr Raum nimmt im Buch die Würdigung der Kunstschätze des Wittelsbacher Ausgleichsfonds ein: vom weltberühmten Barberinischen Faun bis hin zu Werken Georg Baselitz'. Opulent bebildert wird hier deutlich, wie wichtig der WAF für die Kultur in Bayern ist: 1923 verpflichteten sich die Wittelsbacher dazu, dass diese Kunstwerke zum "öffentlichen Gebrauche" an den Fonds übergingen und vom Staat zu pflegen und zu verwalten sind. Und bis heute wächst die Sammlung auch dank Schenkungen durch das aktuelle Oberhaupt der Wittelsbacher, Franz von Bayern, der am Freitag 90 Jahre alt wird.
Dass das ein Glücksfall ist für die bayerischen Museen, darin sind sich - wenig überraschend - die diversen Sammlungsleiter einig, die als Autoren in Erscheinung treten. Diese These dürfte aber auch keinen Widerspruch erregen. Schade ist freilich, dass in dem Sammelband auch eine kritische Auseinandersetzung mit strittigeren Aspekten des Wittelsbacher Ausgleichsfonds' unterbleibt. Sein Wirtschaften seit der Jahrtausendwende und sein nicht spannungsfreies Verhältnis zu den staatlichen Aufsehern kommen kaum zur Sprache, auch weil die entsprechenden Akten nicht freigeben wurden. Nicht behandelt wird die Frage, ob solch eine steuerbegünstigte Stiftungskonstruktion noch zeitgemäß ist, wie sie etwa die Landtags-Grünen als einsame Rufer immer wieder stellen, die Geheimniskrämerei des WAF oder die umstrittene Tatsache, dass das Hausarchiv der Wittelsbacher seit 100 Jahren dem WAF gehört und vom Hauptstaatsarchiv verwaltet wird, dass das Oberhaupt der Familie aber bis heute jede Einsichtnahme genehmigen muss. Dass der Leiter dieses Archivs in seinem Beitrag diese Frage nicht problematisiert, liegt nahe. Bis zu tieferen Antworten zum WAF müssen vielleicht noch einmal ein paar Jahrzehnte ins Land gehen.
Markus C. Müller/Dieter J. Weiß (Hrsg.): Der Wittelsbacher Ausgleichsfonds. Erschienen im Pustet-Verlag. 400 Seiten, 39,95 Euro.