Energiewende:Studie: Bayerns Klimaziel rückt außer Reichweite

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Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft fordert, beim Bau neuer Windräder massiv aufs Tempo zu drücken. Das Bild zeigt eine Anlage bei Aitrang im Allgäu. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Die Staatsregierung hat sich gesetzlich zur Klimaneutralität bis 2040 verpflichtet. Doch davon ist der Freistaat laut einer Studie im Auftrag der bayerischen Wirtschaft weit entfernt. Auch bei einem anderen Streitthema sieht es nicht gut aus für Söder und Co.

Hohe Strompreise, schleppender Netzausbau, zu wenig erneuerbare Energie, nur mäßige Versorgungssicherheit und zu viele klimaschädliche Emissionen: Die am Donnerstag in München vorgestellte Studie zur Umsetzung der Energiewende der Prognos AG zeichnet ein ernüchterndes Bild für Bayern wie für ganz Deutschland. Die Studie wird seit 2012 im Auftrag der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) erstellt.

Das Ziel der bayerischen Staatsregierung, Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, ist der Untersuchung zufolge nach wie vor in unerreichbarer Ferne. Aktuell werden mehr als doppelt so viele klimaschädliche Emissionen in die Atmosphäre abgegeben, als es der Abbaupfad vorsieht. Auf ganz Deutschland gerechnet ist die Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Wunsch etwas besser, aber auch hier sind die Emissionen rund 25 Prozent über dem Zielpfad.

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Auch in Sachen Bezahlbarkeit stehen die Ampeln für Deutschland wie für Bayern allesamt auf Rot: Im Detail ist die Entwicklung sogar noch schlechter als in früheren Jahren - denn verglichen mit 2021 kletterten die Energiepreise im Untersuchungsjahr 2022 noch weiter nach oben. "Unsere Monitoring-Ampel steht hier auf Rot, tatsächlich müsste sie dunkelrot leuchten", sagte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt am Donnerstag in München. Ursachen für die immensen Kosten bei Privathaushalten wie Industrie seien die Effekte infolge der Energiekrise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Auch wenn die Gaspreise inzwischen wieder gesunken seien, gebe es weiterhin Effekte für die Verbraucher.

Auch beim Netzausbau im Bund wie in Bayern sieht es ebenfalls sehr schlecht aus. Zwar gebe es umfangreiche Planungen, es gebe aber bei der Umsetzung eine große Diskrepanz zu dem, "was wirklich realisiert ist", sagte die Physikerin Almut Kirchner von der Prognos AG. "Im Moment haben wir ein Delta von 2000 Kilometern und wir sind richtig gut, wenn denn die Schere nicht noch größer wird." Auch die aktuell viel diskutierte neue Stromtrasse P540, die teilweise durch Südthüringen gehen muss, reiche nicht, um Bayerns Energiebedarf zu decken. "Wir werden schon noch deutlich mehr vom Norden brauchen, um hier die Versorgung zu sichern und keine Teilung der Strompreiszonen zu bekommen."

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Anders als in früheren Jahren ist der Ausbau der Windenergie in der Wirtschaft längst als Standortfaktor anerkannt. Brossardt sprach weiterhin von einem enormen Handlungsbedarf: "Rein rechnerisch müssen wir pro Woche mindestens zwei große Windkraftanlagen in Betrieb nehmen, um unsere klima- und energiepolitischen Ziele zu erreichen."

Bayern müsse "zwanzigmal schneller Windenergie zubauen"

Brossardt erinnerte daran, dass es 2023 nur sieben neue Windräder in Bayern gewesen seien. "Mit Blick auf die installierte Leistung müssen wir zwanzigmal schneller Windenergie zubauen als es bislang der Fall ist." Den Willensbekundungen müssten endlich Taten folgen. Dies sei auch wichtig für den Erhalt von Arbeitsplätzen.

Die von der Union, FDP und der AfD wiederholt geforderte Renaissance der Atomenergie in Deutschland macht aus Sicht von Expertin Kirchner keinen Sinn. Sowohl europäisch als auch weltweit zeige sich bei allen laufenden Bauprojekten von Kernkraftwerken eine immense Zeitverzögerung und eine Steigerung der Kosten. Derzeit sei die Investition in neue Kernkraftwerke die mit Abstand "teuerste Form der Energieerzeugung". Wer das fordere, müsse so ehrlich sein, dass die Kosten der Steuerzahler tragen müsse, da die notwendigen Investitionen niemals am Strommarkt refinanziert werden könnten.

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Während auf Deutschland bezogen auf 2023 der Strombedarf auch nach Abschaltung der Kernkraftwerke jederzeit gedeckt werden konnte, wie es in der Studie heißt, entwickelt sich Bayern zunehmend zu einem immer größeren Stromimporteur. In den Jahren 2019 bis 2023 seien zur Deckung der Höchstlast in Bayern zusätzlich Stromimporte erforderlich gewesen.

Zumindest auf dem Papier sei Bayern inzwischen immerhin bei der Wasserstoffversorgung besser angebunden, betonte Kirchner. Dies sei zwar bisher nur eine Planung, aber sie gehöre zum Gesamtbild der Energiewende natürlich dazu.

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