Unter Bayern:Wenn sture Böcke lieber schweigen

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Richtige Bayern überlegen sich lange, ob sie was sagen sollen, sagen dann aber lieber nichts.

Glosse von Franz Kotteder

Vom Bayer an sich heißt es, er sei ein sturer Bock, was sich in seinem Lebensmotto äußere: "Wenn i net mog, dann mog i net!" Nur der oberflächliche Blick verortet diese Einstellung im vergangenen Jahrhundert und meint, der digitale Zeitgeist mit seiner hippen Flexibilität sei dem meilenweit überlegen. "Wenn i net mog" heißt in der Zeitgeistfassung halt "Page not found" oder noch knapper "404". Immerhin sind das noch Äußerungen. Dem Bundeskanzler aber, erkennbar ein Hanseate, wird derzeit oft vorgeworfen, dass er manche Sätze ums Verrecken nicht sagt, obwohl ihn praktisch alle dazu drängen. Das macht ihn direkt sympathisch, weil: Will man wirklich einen Kanzler, der über jedes Stöckchen hüpft, das ihm hingehalten wird? In der digitalen Welt will man das schon. Auf Twitter zum Beispiel. Dort kommuniziert man in einer Art, die manche noch als "Kasernenhofton" kennen, was heißt: Man bellt sich an wie einst beim Barras und ist dabei möglichst unverschämt. Vorteil heute: Früher musste man den Wehrdienst verweigern, um dem zu entgehen. Heute meldet man sich am besten gar nicht erst an. Geht problemlos!

Es gibt ja eh schon zu viele, die dauernd was sagen. Die FDP zum Beispiel. Drückt erst mit Gewalt den Tankrabatt durch, warnt dann vor der Übergewinnsteuer für Ölkonzerne und lehnt zugleich eine niedrigere Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse ab mit der Begründung, das habe ja schon beim Tankrabatt nicht funktioniert. Anders gesagt: Wir wollen nur das, was ein paar wenigen dicke Gewinne bringt, aber auf keinen Fall etwas, wovon viele was haben. Und außerdem: Was kümmert uns der Schmarrn, den wir gestern gesagt haben?

Die Bayern haben dafür nie eine FDP gebraucht, es gab ja die CSU. Über viele Jahrzehnte hinweg war sie immer schlau genug, Großkopferte zu bedienen, dabei die Kleineren aber nicht zu kurz kommen zu lassen (während die Liberalen eher darauf bauen, dass vom großen Wohlstand irgendwann schon mal was bis ganz nach unten runtertropft). Aber in all den Jahren ist zwangsläufig so viel Schmarrn zusammengekommen, dass sich die CSU selber nicht mehr auskennt. Markus Söder ist ratlos auf der Suche nach einer Position, die er noch nicht bezogen hat und mit der er irgendwie über 30 Prozent kommen könnte. Aber vielleicht ist Stillschweigen ja dafür das beste Rezept?

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