Innere Sicherheit:Polizeianwärter im Visier

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Seit Monaten reißen Diskussionen über rassistische und rechtsextremistische Tendenzen bei der Polizei nicht ab. (Foto: Foto Huebner/picture alliance)

Gewerkschafter begrüßen, dass künftige Beamte vom Verfassungsschutz überprüft werden sollen. Datenschützer hingegen sehen das kritisch.

Von Johann Osel, München

Das Vorhaben, in Zukunft Polizeianwärter standardmäßig durch den Verfassungsschutz prüfen zu lassen, löst ein geteiltes Echo aus. Wie Innenminister Joachim Herrmann (CSU) angekündigt hatte, wolle man die Zuverlässigkeitsprüfung verschärfen - eine Regelanfrage beim Landesamt soll die Überprüfung der Verfassungstreue von Bewerbern ergänzen.

Während die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) den Vorstoß goutiert, kommen Bedenken etwa vom Landesdatenschutzbeauftragten, ebenso aus Teilen der Landtagsopposition. Manche Grüne fühlen sich nach ersten Medienberichten an den Radikalenerlass erinnert, der seit den Siebzigern einer Art Berufsverbot vor allem für linke Beamte gleichkam und in Bayern als letztem Bundesland 1991 abgeschafft wurde. Die Vorstellungen der Fraktion gehen tatsächlich aber viel weiter als Herrmanns Pläne.

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Seit Monaten reißen Diskussionen über rassistische und rechtsextremistische Tendenzen bei der Polizei nicht ab. Neben Fällen einschlägiger Entgleisungen ist Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA ein Treiber der Debatte auch hierzulande. Der Minister hat stets betont, keinerlei Extremismus zu dulden und dagegen vorzugehen. Pauschale Vorwürfe entbehrten aber jeder Grundlage. Im Innenausschuss betonte er jüngst, dass man bei den Sicherheitsbehörden in den vergangenen drei Jahren 31 Verdachtsfälle zählte. Das seien, aufs Gesamtpersonal gesehen, "0,07 Prozent" - "kein strukturelles Problem". In einem offenen Brief rief er neulich die Polizei auf, Fehlverhalten in den eigenen Reihen zu melden.

Im Ausschuss erwähnte er die Regelanfrage; dem Vernehmen nach zunächst ohne Kontroversen. Bisher wird Anwärtern ein "Verzeichnis extremistischer oder extremistisch beeinflusster Organisationen" vorgelegt, Mitgliedschaften sind wahrheitsgemäß anzugeben. Im Kapitel Rechtsextremismus sind neben klassischen Neonaziparteien oder Kameradschaften seit 2019 der (formal aufgelöste) völkische "Flügel" der AfD und deren Jugendendorganisation JA gelistet. Auf der Gegenseite sind es kommunistische Splittergruppen, aber auch Teile der Linkspartei sowie Antifa-Gruppen.

"Wachsamkeit" gilt laut Polizeikreisen zudem bei Einstellungstests und in der Ausbildung

Am umfangreichsten ist der Teil Islamismus und ausländischer Extremismus: Hier geht es um Milizen oder Gruppen weltweit, von al-Qaida oder den Islamischen Vereinigungen in Somalia und Indonesien bis zu den Freiheitsfalken Kurdistans oder tschetschenischen Separatisten. "Wachsamkeit" gilt laut Polizeikreisen zudem bei Einstellungstests sowie in der Ausbildung. Routinemäßig wird das Führungszeugnis abgefragt - nicht aber eine Verfassungsschutzakte, außer bei Verdacht.

"Wir stellen uns nicht gegen eine Überprüfung von Polizeianwärtern auf die Verfassungstreue hin", sagte DPolG-Landeschef Jürgen Köhnlein der SZ. Wenn man bereits ganz zu Beginn des Polizeiberufes ein Instrument nutzen können, das Klarheit schaffe, sollte man es nutzen. "Ein 17-Jähriger, der bereits im Fokus des Verfassungsschutzes steht, hat bei der Polizei nichts zu suchen." Mit dem Radikalenerlass habe das nichts zu tun; anders sei die Lage, falls eine Ausweitung auf den ganzen Personalkörper oder andere Beamten geplant sei. In dem Fall, so Köhnlein, sei hitziger politischer Streit zu erwarten. Er selbst hält eine potenzielle Ausweitung für unangebracht.

Schon im geplanten Schritt wähnt Bayerns Datenschutzbeauftragter Thomas Petri eine "Gesinnungsprüfung", deren Verhältnismäßigkeit er skeptisch sehe und genau prüfen will. Wie der Bayerische Rundfunk Petri zitiert, könnte es sich um einen "erheblichen Eingriff in die Grundrechte" handeln. Und denke man dies konsequent weiter, dann "müsste man die Polizei jedes Jahr flächendeckend überprüfen".

Aus FDP und SPD sind Zustimmung oder keine Ablehnung zu hören. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze sagte: Die Regelanfrage, zumal nur für Bewerber, sei "kein Allheilmittel", nicht das große Instrument, wie es die CSU darstelle. Sie fordert einen unabhängigen Polizeibeauftragten, bessere Aus- und Fortbildung sowie eine Studie zu "Racial Profiling" - Polizeikontrollen wegen der Hautfarbe. Anders die AfD. Richard Graupner, innenpolitischer Sprecher und Polizist, sagte: Unverständlich sei, dass der Minister mit einer derart weitreichenden Maßnahme "auf ein solch marginales Problem reagieren will". Ohnehin rügt er eine "linksideologische Ausrichtung" im Verfassungsschutz; Graupner ist dem AfD-Flügel zuzuordnen.

Usus ist seit 2016 die Regelanfrage bei angehenden Richtern und Staatsanwälten. Anlass dafür waren rechtsextremistische Kontakte eines Juristen in Oberfranken. Laut Richterbund gab es seitdem keinen einzigen Treffer in Bayern.

© SZ vom 14.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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