Erneuerbare Energien:Umweltschützer wollen Wehre wegreißen

Lesezeit: 3 min

Die geplante Förderung für kleine Wasserkraftwerke in Bayern löst Protest aus. Beteiligt an der Gesetzesnovelle war wohl der umstrittene Ex-CSU-Mann Georg Nüßlein, der selbst eine Anlage betreibt.

Von Christian Sebald, München

Die Mitternacher Ohe ist ein gutes Beispiel für die gelungene Renaturierung eines Gewässers. Das Flüsschen, das sich im Bayerischen Wald auf nur 17 Kilometer Länge durch die Landkreise Freyung-Grafenau und Regen schlängelt und einer der drei Quellflüsse der Ilz ist, war einst verbaut und reguliert für die Wasserkraft. Dann hat der Landesfischereiverband (LFV) drei kleine Wasserkraftwerke dort abreißen lassen und die vormaligen Ufer und Au-Landschaften wiederhergestellt.

Nun tummeln sich wieder Nasen, Huchen, Neunaugen und Bachforellen in der Mitternacher Ohe. Auch die extrem seltene Flussperlmuschel ist wieder öfter anzutreffen. "In der Mitternacher Ohe ist jetzt Realität, was nur an wenigen Stellen in ganz Bayern erreicht wird", sagt LFV-Chef Albert Göttle. "Der Fischbestand ist als sehr gut einzustufen."

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Der LFV gehört einem breiten Bündnis von Naturschützern an, das die Staatsregierung dieser Tage aufgefordert hat, einen Fonds für den Abriss von Dämmen und Wehren in kleinen Flüssen und Bächen wie der Mitternacher Ohe und deren Renaturierung aufzulegen. Denn aus ihrer Sicht sind die etwa 57 000 Wehre, Abstürze, Sohlrampen und anderen Bauwerke in den Gewässern im Freistaat einer der Hauptgründe für den dramatischen Schwund an Fischarten und anderen Wasserlebewesen.

Auch die knapp 4000 kleinen Wasserkraftwerke mit jeweils maximal 500 Kilowatt Leistung schädigen nach ihrer Überzeugung die Flüsse und Bäche massiv. Und verletzten und töten außerdem in ihren Turbinen unzählige Fische. Das gelte auch für moderne, vermeintlich fischfreundliche Turbinen. Laut Untersuchungen der TU München hielten sie nicht, was sie versprechen. Dabei produzieren die kleinen Anlagen nur sieben Prozent des Wasserstroms in Bayern. Anders die 67 großen Wasserkraftwerke: Sie liefern zwei Drittel des bayerischen Wasserstroms.

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Den Bau neuer Kleinanlagen lehnen der Bund Naturschutz (BN), der Landesbund für Vogelschutz (LBV), der WWF, der LFV und der Kanu-Verband deshalb strikt ab. "Gerade in Zeiten der Klimakrise brauchen wir möglichst naturnahe Flüsse und lebendige Auen", sagt BN-Chef Richard Mergner. Vier Fünftel der Gewässer im Freistaat verfehlten nach wie vor den sogenannten "guten ökologischen Zustand", dessen Herstellung die EU schon seit 20 Jahren für sie einfordert.

Hintergrund der Forderungen ist die Absicht von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, ein Förderprogramm für die kleine Wasserkraft zu starten. Bislang sind davon freilich nur einige Eckpunkte bekannt. So sollen die Zahlungen an eine ökologische Modernisierung der Anlagen, etwa den Einbau einer Aufstiegshilfe für Fische, und eine Leistungssteigerung der Turbine um wenigstens zehn Prozent geknüpft werden. Offen ist, wann das Programm kommt und welches Volumen es haben wird. Andere Gründe für den Widerstand der Naturschützer sind Pläne, Genehmigungsverfahren für kleine Wasserkraftwerke zu erleichtern und die Einspeisevergütung für Strom aus ihnen um drei Cent je Kilowattstunde im neuen Erneuerbare Energiengesetz (EEG) anzuheben.

Bei letzterem gibt es offenbar eine Verbindung zum Ex-Unionsfraktionsvize im Bundestag und früheren CSU-Mann Georg Nüßlein. Der Bundestagsabgeordnete, der in die Maskenaffäre der Union verstrickt ist, betreibt an seinem Wohnort im schwäbischen Münsterhausen ein kleines Wasserkraftwerk. Außerdem gehört er dem Beirat der Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern (VWB) an, in der etwa 650 Anlagenbetreiber zusammengeschlossen sind.

Betreibt ein Wasserkraftwerk in seinem Heimatort: Ex-CSU-Politiker Georg Nüßlein. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Nach Recherchen des WDR haben sich in den Verhandlungen für das neue EEG vor allem CSU-Vertreter für die zusätzlichen drei Cent für kleine Wasserkraftwerke stark gemacht. Nüßlein war an der Ausarbeitung des neuen EEG beteiligt. Offen ist, ob der umstrittene Politiker auch die drei Cent für die kleine Wasserkraft mitverhandelt hat. Nüßleins Anwalt äußerte sich auf Anfrage des WDR dazu nicht.

Der VWB-Vorsitzende Fritz Schweiger erklärt, er könne nichts zu den Verhandlungen über das neue EEG sagen. Die Forderung nach einer Erhöhung der Einspeisevergütung für kleine Anlagen sei auch von Bayern und Nordrhein-Westfalen vorgebracht worden. Ansonsten schlägt der Verbandschef moderate Töne an. In dem Streit werde "der Eindruck vermittelt, dass neue Wasserkraftanlagen wie Pilze aus dem Boden schießen". Dabei habe es seit Jahren "so gut wie keine Neubauten" gegeben. Stattdessen hätten viele Betreiber die Bedingungen für die Fischwelt an ihren Wehren verbessert. Von einem Punkt will Schweiger aber nicht lassen: "Es ist sinnvoll an vorhandene Wehre, etwa für den Hochwasserschutz, zusätzlich für die Stromerzeugung zu nutzen." Zumal jede Kilowattstunde Wasserstrom klimaschädliche Emissionen vermeide.

© SZ vom 17.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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