Borkenkäfer im Bayerischen Wald:Von "sinnvolle Entscheidung" bis "fachlich absurd"

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Wenige Millimeter klein, aber bei Massenvermehrungen eine große Gefahr für Fichten: der Borkenkäfer. (Foto: Steffen Schellhorn/Imago)

Jagdminister Aiwanger und Forstministerin Kaniber unterstützen die Pläne, in Teilen des Nationalparks den strengen Schutz aufzuheben, um den Borkenkäfer zu bekämpfen. Die Kritik aus der Umweltszene wird dagegen schärfer.

Von Christian Sebald

Wirtschafts- und Jagdminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat die Pläne des Nationalparks Bayerischer Wald begrüßt, zwei Flächen aus der Naturzone des Schutzgebiets herauszunehmen, um auf ihnen eine Bekämpfung des Borkenkäfers zu ermöglichen. "Das ist eine sehr sinnvolle Entscheidung", sagte Aiwanger. "Käferbekämpfung ist praktizierter Waldschutz und deshalb Natur- und Umweltschutz." Im Bayerischen Wald kämpften die Bayerischen Staatsforsten, die privaten Waldbesitzer und der Nationalpark gemeinsam für den Erhalt "gesunder, grüner Wälder", sagte Aiwanger. "Wir wollen keine Waldbilder wie im Nationalpark Harz, wo nach dem Absterben der Fichtenwälder durch Borkenkäfer am Ende nur noch Grassteppe übrigbleibt, in der ein Waldspaziergänger im Sommer auf Kilometern keinen Schatten mehr findet."

Auch Forstministerin Michaela Kaniber (CSU), die eigentlich für die Bekämpfung des Borkenkäfers in den Wäldern in Bayern zuständig ist und für gewöhnlich sehr reserviert reagiert, wenn Aiwanger in ihrem Zuständigkeitsbereich wildert, begrüßt die Pläne. "Die Bilder, die wir aktuell rund um den Nationalpark sehen, hätten meiner Meinung nach verhindert werden können", sagt sie. "Aber leider wurden unsere Warnungen weitgehend ignoriert."

Das Forstministerium habe das Umweltministerium zuletzt im Januar 2022 eindringlich vor einer absehbaren Massenvermehrung des Borkenkäfers im Nationalpark gewarnt und eine breitere Bekämpfungszone gefordert. "Dazu kam es leider nicht", sagt Kaniber. "Die Fehler von damals dürfen sich nicht wiederholen. Es gilt jetzt gemeinsam an einem Strang zu ziehen, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern." Der Bauernverband teilt Aiwangers und Kanibers Einschätzungen.

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Im Schutzgebiet des Bayerischen Waldes werden Areale in die sogenannte Managementzone überführt. Der Grund soll der Borkenkäfer sein, der angeblich die benachbarten Wälder bedroht. Naturschützer halten die Maßnahme für völlig überflüssig.

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Gleichzeitig wird allerdings auch die Kritik schärfer. So fordert nicht nur der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV), dass der Nationalpark die Pläne wieder kassiert, sondern inzwischen tun das auch die Grünen und der Bund Naturschutz (BN). "Der Borkenkäfer breitet sich aufgrund der Klimaüberhitzung aus, die die Fichte schwächt, und nicht, weil ein Nationalpark in der Nähe ist", sagt der Grünen-Landtagsabgeordnete Patrick Friedl. "Ein Nationalpark dagegen zeigt, wie die Natur mit solchen Katastrophen umgeht und wie wieder ein neuer und stabiler Wald entsteht." Deshalb müsse Aiwangers Parteifreund und Umweltminister Thorsten Glauber, als der eigentlich für den Nationalpark zuständige Minister, die Pläne widerrufen.

BN-Chef Richard Merger nennt Aiwangers Aussagen von einer besonderen Borkenkäfer-Gefahr durch den Nationalpark "fachlich absurd". Der Schädling werde überall dort "zum riesigen Problem, wo überhöhte Wildbestände und falsche Waldbewirtschaftung den Aufbau naturgemäßer Mischwälder verhindert haben". Aiwanger solle sich für eine angemessene Regulierung des Reh- und des Rotwilds in Bayern einsetzen, wofür er als Jagdminister auch zuständig sei, statt sich in die Belange des Nationalparks einzumischen. Zugleich verweist Mergner auf ein Gutachten, das die Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft schon vor Jahren veröffentlicht hat, wonach die Vorsorgemaßnahmen und Bekämpfungsstrategien völlig ausreichen, die der Nationalpark gegen den Borkenkäfer ergriffen hat.

Nationalpark-Chefin Ursula Schuster hatte vergangene Woche eingeräumt, dass sie angesichts der drohenden Borkenkäfer-Katastrophe im Bayerischen Wald angeboten habe, zwei sechs und elf Hektar kleine Flächen aus der Naturzone herauszunehmen, um auf ihnen eine Bekämpfung des Schädlings zu ermöglichen. Zugleich betonte sie, dass das Angebot aus Waldschutz-Gründen nicht notwendig sei, denn die bisherigen Anti-Borkenkäfer-Maßnahmen in den Randbereichen des Nationalparks reichten für einen Schutz der Wälder außerhalb völlig aus. Mit dem Angebot wolle man vielmehr die kritische Haltung von Teilen der Waldbesitzer gegen den Nationalpark besänftigen.

Die Naturzone des Nationalparks ist eigentlich für Borkenkäfer-Bekämpfungsmaßnahmen und alle anderen menschlichen Eingriffe tabu. Die Natur bleibt dort sich selbst überlassen. Sollten die Pläne ohne Kompensation an anderer Stelle Wirklichkeit werden, wäre das der erste Fall dieser Art in der bald 54-jährigen Geschichte des Nationalparks. Umweltminister Glauber verteidigt Schusters Pläne. Der Landrat im Landkreis Freyung-Grafenau Sebastian Gruber (CSU) geht davon aus, dass sie umgesetzt werden. Gruber ist derzeit Vorsitzender des Kommunalen Nationalparkausschusses. Das Gremium, dem alle Gemeinden angehören, die an den Nationalpark angrenzen, muss die Pläne befürworten, bevor sie umgesetzt werden können.

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