Neuartiges Wasserkraftwerk:Weltpremiere in der Loisach

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Die Pilotanlage eines Schachtkraftwerkes in der Loisach hat alle Tests erfolgreich durchlaufen und ist nun im Regelbetrieb. (Foto: TU München)

In dem oberbayerischen Flüsschen ist das erste Schachtkraftwerk überhaupt in Betrieb gegangen. Die Anlagen sollen für Fische viel verträglicher sein als konventionelle. Naturschützer teilen die Begeisterung nicht.

Von Christian Sebald, Großweil

Für Peter Rutschmann und seine Mitarbeiter ist es eine Genugtuung. Jahrelang haben sie dafür gekämpft, dass ihre Pläne für ein völlig neuartiges Wasserkraftwerk Wirklichkeit werden. Nun ist es so weit: Nahe der oberbayerischen Ortschaft Großweil hat das weltweit erste Schachtkraftwerk alle Tests bestanden und ist jetzt im Regelbetrieb. Die Anlage, die sehr viel verträglicher sein soll für Fische als konventionelle Wasserkraftwerke, steht in dem Flüsschen Loisach. "Überall auf der Welt sollen neue Wasserkraftwerke gebaut werden, oft in Regionen mit hoher Artenvielfalt", sagt der Professor, der an der TU München Wasserbau und Wasserwirtschaft lehrt. "Unser Schachtkraftwerk kann helfen, ökologisch wertvolle Lebensräume in Flüssen zu bewahren."

Wasserkraftwerke sind höchst umstritten. Zwar sind die Anlagen sehr effizient, außerdem ist die Wasserkraft klimafreundlich und erneuerbar. Aber die Kraftwerke sind schon allein wegen ihrer massiven Bauweise eine empfindliche Störung des ökologischen Gleichgewichts der Flüsse und Bäche. Für Fische sind sie sogar eine tödliche Gefahr. Die Wehre, mit denen die Flüsse und Bäche aufgestaut werden, bevor ihr Wasser direkt oder durch einen Kanal zum Maschinenhaus geleitet wird, sind für sie unüberwindliche Hindernisse. Und in den Turbinen selbst werden Millionen Fische regelrecht zerstückelt. Deshalb lehnen Organisationen wie der Bund Naturschutz (BN) den Bau neuer Wasserkraftwerke ab. "Unsere Flüsse und Bäche sind so voller Wehre, dass wir die wenigen unverbauten Abschnitte erhalten müssen", sagt Christine Margraf. Die Biologin, die beim BN arbeitet, hat an vorderster Front gegen das Schachtkraftwerk in der Loisach gekämpft. Als ihr Verband die Anlage nicht verhindern konnte, hat er zumindest strikte Auflagen durchgesetzt.

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Ein Schachtkraftwerk unterscheidet sich schon rein äußerlich enorm von konventionellen Anlagen. Es verzichtet auf massive Wehre, Ausleitungen und Maschinenhäuser. Das liegt daran, dass die Turbinen samt Generatoren in Schächten unterhalb des Flusses eingebaut werden. Das Wasser fällt von oben auf sie herab und fließt, nachdem es durch das Kraftwerk geströmt ist, in den Fluss zurück. Wegen dieser Konstruktion eignet sich der neue Kraftwerkstyp, so hat es Rutschmann immer wieder betont, besonders für den Einbau in kleine Wehre oder Flussschwellen, wie es sie in Bayern zu Tausenden gibt.

Der große ökologische Vorteil eines Schachtkraftwerks ist laut Rutschmann, dass es vom Fluss überströmt wird und der Sog des Wassers in den Schacht vergleichsweise gering ist. Deshalb könnten die allermeisten Fische gefahrlos flussabwärts wandern, sie schwimmen einfach über die Schächte mit den Turbinen hinweg. Die wenigen kleinen Fische, die in eine Turbine gelangen, könnten diese zumeist durchschwimmen. Flussaufwärts könnten die Fische über konventionelle Fischtreppen wandern. An der Anlage bei Großweil sind sogar welche an beiden Loisach-Ufern errichtet worden. Auch für das Geschiebe - also das Geröll und Treibholz im Fluss, das für die Laichplätze der Fische sehr wichtig ist - ist ein Schachtkraftwerk von Vorteil, sagt Rutschmann. Denn es kann die Anlage ebenfalls passieren. Es wird dazu durch eine Öffnung im Wehr geschoben.

Die Biologin Margraf will Rutschmanns Lobpreisungen nicht so recht glauben. Der BN hat sich lange dagegen gewehrt, dass die weltweit erste Anlage ausgerechnet bei Großweil errichtet werden soll. Denn die Loisach ist dort ein nahezu natürlicher Fluss mit etlichen extrem seltenen Fischarten wie der Mühlkoppe. Vor Gericht konnte der BN immerhin durchsetzen, dass die Betreiber des Kraftwerks genau beobachten müssen, ob die Fischwelt durch die Anlage geschädigt wird. Wenn ja, müssen sie sofort Gegenmaßnahmen ergreifen.

Ob der neue Kraftwerkstyp in Bayern und in Deutschland eine Zukunft hat, ist denn auch ungewiss. Die vormalige Zuversicht der Staatsregierung und der Energiebranche, die Wasserkraft auch an kleinen Flüssen und Bächen ausbauen zu können, ist angesichts des massiven Protests gegen jede neue Anlage ziemlich erloschen. Zwar spricht Rutschmann davon, dass aktuell zwölf Schachtkraftwerke in Planung seien - unter anderem an der Iller in Schwaben. Aber man wird abwarten müssen, was daraus wird. Denn obwohl sich die Investoren auf baden-württembergischer Seite unlängst vor Gericht gegen den BN durchgesetzt haben, gibt sich der Freistaat sehr zurückhaltend. So teilte das Umweltministerium unlängst mit, dass staatliche Flächen an der Iller für den Naturschutz, nicht aber für neue Wasserkraftwerke zur Verfügung stünden. Und im Norden von Regensburg, wo an dem Flüsschen Regen ebenfalls ein neuartiges Wasserkraftwerk geplant war, haben die Naturschützer kürzlich einen großen Erfolg eingefahren. Der Landtag nahm ihre Petition gegen das Projekt an und legte es auf Eis.

© SZ vom 31.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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