Berchtesgadener Land:Fünf neue Wasserkraftwerke stehen gleichzeitig zur Debatte

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Bisher ist die Nonner Rampe im Stadtgebiet von Bad Reichenhall nur eine flache Schwelle in der Saalach. Für den Fall, dass hier ein Kraftwerk entstehen darf, fürchten nicht nur Naturschützer um den Erholungswert der Au für Einheimische und Kurgäste. (Foto: Michael Nürbauer/oh)
  • Im Berchtesgadener Land wird über fünf neue Kraftwerke diskutiert.
  • Der Landkreis und seine 15 Städte und Gemeinden haben sich Ende 2017 einen sehr detaillierten Energienutzungsplan gegeben - der auch die Nutzung der Wasserkraft vorsieht.
  • Umweltschützer sind entsetzt und wollen gegen die Zerstörung der Landschaft kämpfen.

Von Matthias Köpf, Bad Reichenhall

Seit dem Urteil vor vier Jahren ist viel Wasser die Ramsauer Ache hinuntergeflossen - je nach Wetter auch mal etwas brauner, aber meistens von kristallener Klarheit. Vor allem aber energetisch ungenutzt, denn das Verwaltungsgericht München hat im Herbst 2015 die Pläne für ein Kraftwerk an der Ramsauer Ache verworfen. Geklagt hatten der Bund Naturschutz und der Landesfischereiverband, doch ihr Triumph war nur von kurzer Dauer. Längst läuft am Landratsamt in Bad Reichenhall ein neues Genehmigungsverfahren für den Standort am Felsentor, wo sich die B 305 von Berchtesgaden durch einen kurzen Tunnel am Fluss vorbei Richtung Ramsau zwängt. Und dieses Verfahren ist nicht das einzige: Gleich fünf neue Kraftwerke stehen im Berchtesgadener Land gleichzeitig zur Debatte - zum Entsetzen des Bund Naturschutz, der kaum mehr weiß, wogegen er zuerst protestieren soll.

Der BN-Landesbeauftragte Martin Geilhufe wendet sich gegen alle fünf. Ein weiterer Ausbau der Wasserkraft seit "weder für die Stromerzeugung, noch für das Erreichen des Klimaschutzziele von Paris notwendig", sagt Geilhufe. Der Klimakatastrophe könne man nur mit einer drastischen Verringerung des Energieverbrauchs entgegenwirken, "nicht aber durch die Zerstörung unserer letzten Fließgewässer und Wildflusslandschaften." Doch mit dem Klimawandel ändert sich zusehends auch das Investitionsklima für Wasserkraftwerke.

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"Wir müssen eine Entscheidung treffen, und irgendeinen Tod werden wir dann sterben müssen", sagt etwa Landrat Georg Grabner (CSU) zur Abwägung zwischen Klimaschutz und Naturschutz, die aus seiner Sicht bei der Wasserkraft notwendig ist. Der Landkreis Berchtesgadener Land und seine 15 Städte und Gemeinden haben sich Ende 2017 nach zweijähriger Vorarbeit einen sehr detaillierten Energienutzungsplan gegeben. Die Staatsregierung hat diesen Plan vor einem Jahr mit dem Bayerischen Energiepreis ausgezeichnet und ihn inzwischen zum landesweiten Vorbild erklärt. Auch Grabner selbst sieht den Plan als richtungsweisend an, und es gehe eben klar daraus hervor, dass man alle identifizierten Wasserkraftpotenziale im Landkreis nutzen müsse, um auf Atom-, Kohle- und Gaskraftwerke verzichten zu können.

Doch auch der BN hält die aktuelle Debatte im Berchtesgadener Land für beispielhaft, denn Grabner argumentiere genau wie die Staatsregierung und die Wasserkraftlobby. Die suchten aber nur einen Vorwand, um "naturschädliche Investitionen in die Energieproduktion wieder aufleben zu lassen, anstatt das Energiesparen und die Erhöhung der Effektivität in den Vordergrund zu stellen". Das CO₂-Einsparpotenzial durch neue Wasserkraftwerke liege nur im Promille-Bereich.

Auch im Berchtesgadener Land seien vier der aktuell fünf Vorhaben so klein, dass sie keinen nennenswerten Beitrag zur Energiewende leisteten. "Die Verbauung unserer Gewässer mit neuen Wasserkraftanlagen würde dazu beitragen, den Zustand unserer Gewässer, der Gewässerufer und der Randbereiche weiter zu verschlechtern, so dass im Ergebnis kein Nutzen für den Klimaschutz entsteht", erklärt die Berchtesgadener BN-Kreisvorsitzende Rita Poser. Der Klimawandel erfordert aus Sicht des Verbands gerade keine neuen Kraftwerke, sondern im Gegenteil eine Renaturierung der Flüsse, um trotz steigender Temperaturen und immer trockenerer Sommer als Ökosysteme zu überleben.

Zudem ist der bergige Süden des Landkreises, wo zum Wasser schnell das nötige Gefälle kommt, stark vom Tourismus geprägt. Schon die Standorte klingen verheißungsvoll: Zum Felsentor kommt das Projekt in der "Tristramschlucht" bei Bischofswiesen, das der BN und seine Anwälte auch schon mal verhindert haben, obwohl der Grundbesitzer mit Wegen und Spundwänden noch vor einer Genehmigung Fakten geschaffen hatte. Nun ist die Tristramschlucht ebenso wieder auf dem Tapet wie ein kleines Kraftwerk am felsblockübersäten Zauberwald beim Hintersee - der Ort ist von herausragender touristischer Bedeutung für das Bergsteigerdorf Ramsau, weshalb Rita Poser das Vorhaben nur "einen Irrwitz" nennt. Doch die Gemeinderäte wollen dem einheimischen Antragsteller mit seinen alten Mühlenrechten keine weiteren Steine in den Weg legen.

An der Tristramschlucht bei Bischofswiesen wurden auch ohne Genehmigung für ein neues Kraftwerk schon längst erste Fakten geschaffen. (Foto: BN Berchtesgaden/oh)

Das Kraftwerksprojekt an der "Nonner Rampe", einer flachen künstlichen Schwelle in der Saalach in Bad Reichenhall, treibt sogar die Kurstadt selbst über ihre Stadtwerke voran, obwohl eine Stellungnahme aus der eigenen Verwaltung das Naherholungsgebiet für Einwohner und Kurgäste sowie schlimmstenfalls Trinkwasser und Solequellen gefährdet sah. Der BN hält die Erwartungen an die Stromausbeute für weit überzogen. Dagegen könnte das Kraftwerk bei Schneizlreuth, das über einen sechs Kilometer langen, grenzüberschreitenden Tunnel mitten durchs Gebirge mit Saalachwasser aus Österreich gespeist werden soll, nach Angaben der Antragsteller 13 000 Drei-Personen-Haushalte mit regenerativem Strom versorgen. Hier befürchten Naturschützer, Fischer und Wassersportler, dass dann die Saalach von Unken bis Schneizlreuth meist zu wenig Wasser für Fische und Kanus führen wird.

Landrat Grabner fördert auch dieses Vorhaben. Er kann ohnehin als bereitwilliger Genehmiger gelten, was er selbst gar nicht bestreitet. Grabner betont aber, dass "alle Verfahren, die beantragt werden, natürlich nach allen rechtsstaatlichen Vorgaben durchgeführt" würden. Er persönlich mische sich nicht ein und erteile Mitarbeitern keinerlei Weisungen, tritt er entsprechenden Vorwürfen aus den Reihen des BN entgegen. Gleichwohl hat der BN in den vergangenen Jahren manche Genehmigung aus dem Landratsamt von Gerichten überprüfen lassen und noch nie einen Prozess verloren. Geschlagen gibt sich aber auch Grabner nicht: Für das Felsentor werde es nun eben eine Umweltverträglichkeitsprüfung geben, wie sie das Verwaltungsgericht beim letzten Mal vermisst hat.

© SZ vom 25.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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