Umwelt:Bayern versagt beim Klimaschutz

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Verbal hat die CSU das Thema zwar schon seit 15 Jahren drauf. Doch der Ausstoß von Treibhausgasen liegt weit über allen Zielmarken - und steigt sogar wieder an.

Von Christian Sebald, München

Zur Zeit vergeht kaum ein Tag ohne Äußerungen von Ministerpräsident Markus Söder zur Klimakrise. Mit ihrem Klimakonzept treffe seine Partei das "Mehrheitsgefühl der Bevölkerung", sagte er kürzlich. "Die CSU muss immer diesen Mehrheitswillen annehmen." Auch am Montag stand die Energiepolitik wieder im Fokus des Kabinetts.

Verbal hat die CSU den Klimaschutz schon seit 15 Jahren drauf. Damals schloss die Staatsregierung mit dem Bund Naturschutz (BN) die bayerische Klima-Allianz. Der heutige BN-Ehrenvorsitzende Hubert Weiger erinnert sich gut an die harsche interne Kritik im BN. "Der Streitpunkt war die Atomkraft, wir drängten auf den Sofort-Ausstieg, die CSU war klar für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke, deshalb waren viele gegen die Allianz", sagt er. "Aber wir wollten den Klimaschutz befördern, den Energieverbrauch senken und die erneuerbaren Energien ausbauen. Deshalb sind wir die Allianz eingegangen."

Die Bilanz nach 15 Jahren fällt nicht wirklich gut aus: Der Atomausstieg wird zwar vollzogen, drei der fünf Reaktoren in den bayerischen Atomkraftwerken sind abgeschaltet. Doch der Energieverbrauch stagniert auf hohem Niveau. Seit den Neunzigerjahren summiert er sich im Mittel auf etwa 550 Milliarden Kilowattstunden Primärenergie im Jahr. Und wenn man von der Fotovoltaik absieht, kommt der Ausbau der erneuerbaren Energien nach einem kurzen Hoch nicht weiter voran. Die Folge: Der CO₂-Ausstoß rangiert auf hohem Niveau.

Im Jahr 2017 hat der CO₂-Ausstoß sogar wieder die Grenze von 80 Millionen Tonnen überschritten. Laut dem Leipziger Institut für Energie summiert er sich in dem Jahr auf 81,4 Millionen Tonnen. Er liegt damit über dem Wert von 2010 (80,6 Millionen Tonnen) und beträgt 6,3 Tonnen pro Kopf. In den Jahren dazwischen wurde die 80-Millionen-Tonnen-Marke teils unterschritten. Zwar steht Bayern damit im bundesweiten Vergleich relativ gut da. Aber das liegt daran, dass es hier nur wenige Kohlekraftwerke gibt.

Die Steigerung ist laut Wirtschaftsministerium vor allem auf den Verkehr zurückzuführen. Aber auch in Industrie, Gewerbe und privaten Haushalten sei der Ausstoß anhaltend hoch, heißt es in seinem aktuellen Bericht. Das Ziel des Freistaats, die energiebedingten CO₂-Emissionen bis 2025 auf jährlich 5,5 Tonnen pro Kopf zu senken, ist "stark gefährdet", urteilen die Experten von Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Von der Forderung des Weltklimarats, den CO₂-Ausstoß bis 2050 weltweit auf 1,5 Tonnen pro Kopf zu reduzieren, damit die Klimaerwärmung auf zwei Grad begrenzt werden kann, ist Bayern weit entfernt.

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Zumal das Wirtschaftsministerium die Landwirtschaft und deren Ausstoß der Klimagase Methan und Lachgas in der Lebensmittel- und Fleischproduktion außen vor lässt. Beide Gase sind sehr viel klimaschädlicher als CO₂. Laut Umweltbundesamt betrugen ihre Emissionen 2017 deutschlandweit 66,3 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente. Bayerische Zahlen liegen nicht vor. Die Grünen-Fraktion im Landtag hat auf Basis der gesamtdeutschen Zahlen errechnet, dass der Ausstoß von CO₂-Äquivalenten in der bayerischen Landwirtschaft etwa zwei Tonnen pro Kopf der Bevölkerung und Jahr beträgt. Der Gesamtausstoß klimaschädlicher Gase erhöht sich demnach auf acht Tonnen pro Kopf und Jahr. "Auch für die Klimabilanz müssen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung gelten", sagt Fraktionschef Ludwig Hartmann. "Wenn ein knappes Viertel der Klimagasemissionen in Bayern nicht bilanziert wird, ist das Fälschung. Aber das Klima lässt sich nicht betrügen, die Menschen baden die Folgen der Tricksereien aus."

Was die Energiespar-Initiativen der Staatsregierung anbelangt, fallen die Urteile ebenfalls vernichtend aus. Die CSU scheue weiter jede wirksame Maßnahme - egal, ob es um ein Tempolimit auf den Autobahnen, die gleiche Besteuerung von Benzin und Diesel, ein Moratorium für den Fernstraßenbau oder den Ausbau des Schienenverkehrs geht, beklagte unlängst wieder der BN-Vorsitzende Richard Mergner. Selbst bei vergleichsweise kleinen Projekten kommt die Staatsregierung nicht voran. So verkündete sie vor Jahren, zügig alle staatlichen Gebäude energetisch zu sanieren. Das Bauministerium rühmt sich, dass man "energetische Optimierungsmaßnahmen an über tausend staatlichen Gebäuden mit dem Hauptziel der CO₂-Einsparung durchgeführt" habe. Aber das ist nicht einmal ein Viertel der staatlichen Anwesen, bei denen so eine Modernisierung überfällig ist. Schon vor Jahren hat das Innenministerien sie auf 4200 beziffert.

Bei den erneuerbaren Energien fällt die Bilanz nicht minder zwiespältig aus. Sie kommen inzwischen auf 18,3 Prozent Anteil am Primärenergieverbrauch in Bayern. Aber das hat nur zum Teil damit zu tun, dass die Staatsregierung zwischenzeitlich stark auf ihren Ausbau gesetzt hat. Nach wie vor ist die Wasserkraft mit 32,6 Prozent die stärkste Stromquelle im Mix der erneuerbaren Energien - sie wird in Bayern traditionell stärker genutzt als anderswo. Den Ausbau der Windkraft dagegen hat die Staatsregierung gestoppt. Nach ihrem 10-H-Gesetz, das Windkraft-Gegner erstritten haben, muss der Abstand zwischen einer neuen Anlage und der nächsten Siedlung das Zehnfache der Windrad-Höhe betragen. Nach Inkrafttreten des 10-H-Gesetzes brach die Zahl der Anträge für neue Windräder ein. 2018 zählte man bayernweit nur acht. Zwischen 2012 und 2014 - auf dem kurzen Höhepunkt des bayerischen Windkraft-Booms - waren es bis zu 400 pro Jahr.

Selbst bei der Fotovoltaik, bei der Bayern vorne mitmischt, reizt die Staatsregierung die Potenziale nicht aus. Mit einer Änderung der Bauordnung könnte sie Bauherren verpflichten, auf jeden Neubau eine Solaranlage zu montieren, wie das der Grünen-Politiker Hartmann kürzlich verlangte. Bislang fand die Idee kein Gehör.

© SZ vom 17.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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