Debatte im Landtag:Premiere ohne Probezeit

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Unter den Augen von Ministerpräsident Markus Söder wirbt Klaus Holetschek um die Zustimmung der Abgeordneten zum verlängerten Lockdown. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Nach nur 20 Tagen im Amt hält Gesundheitsminister Klaus Holetschek seine erste Regierungserklärung. Er gibt sich tatkräftig, lobt die Regierung und kündigt eine Impfkommission an.

Von Andreas Glas, München

Als der Mann der Gegenwart zum Rednerpult aufbricht, grüßt noch einmal die Vergangenheit. Klaus Holetschek marschiert also los, die Regierungsbank entlang, vorbei an Melanie Huml, die ihm ihre geballten Fäuste hinstreckt. Nicht aus Zorn, nein. Sie lächelt, zwinkert ihm zu. Ihre Fäuste sagen: Toi, toi, toi! Holetschek nickt freundlich zurück, tritt ans Pult. Ein besonderer Tag sei das heute, sagt Holetschek. Er meint die Tatsache, dass es am Mittwoch exakt ein Jahr her ist, dass das Coronavirus erstmals in Bayern gemeldet wurde. Aber ein bisschen trifft das mit dem besonderen Tag schon auch auf Holetscheks Aufritt zu.

20 Tage. So lange ist Holetschek (CSU) nun der Chef im Gesundheitsministerium. Oder: so kurz. Dass ein Minister keine drei Wochen nach Amtsantritt seine erste Regierungserklärung hält, ist jedenfalls unüblich. Im August, nach dem Chaos bei den Corona-Tests für Urlaubsheimkehrer, war Holetschek von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zunächst als Staatssekretär installiert worden, neben der glücklosen Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU).

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Wenn man so will, hat Holetschek in dieser Funktion sein Gesellenstück als Krisenmanager abgeliefert. Den Meisterbrief bekam er dann am 8. Januar, nachdem Söders Geduld mit Melanie Huml endgültig zu Ende war. Der Ministerpräsident versetzte Huml als Ministerin für Europa und Internationales in die Staatskanzlei - und machte Holetschek, 56, zum neuen Gesundheitsminister.

Dass Söder ihm nun direkt die Hauptrolle im Parlament überträgt, darf man als Indiz dafür werten, dass Holetschek sich binnen kürzester Zeit das Vertrauen des Ministerpräsidenten erworben hat. An diesem Mittwoch soll Holetschek tun, was Söder in den vergangenen drei Monaten höchstpersönlich tat: Er soll den Abgeordneten erklären, warum die Staatsregierung entschieden hat, den Lockdown bis 14. Februar zu verlängern - und um Zustimmung des Parlaments werben. Die Abstimmung ist eine Formalie, da CSU und Freie Wähler ja die Mehrheit im Landtag stellen. Aber die Debatte wollen sich die Parlamentarier natürlich nicht nehmen lassen - vor allem nicht jene der Opposition.

Zunächst ist aber Holetschek dran, der neue Minister. Seine Vorgängerin hat sich in sieben Amtsjahren Respekt und Kritik erarbeitet, aber nicht den Ruf einer begnadeten Rednerin. Holetschek spricht klarer als Huml, knackiger. Weniger Schachtelsätze, mehr Körpereinsatz. Immer wieder ballt er die Fäuste, überhaupt spricht Holetschek viel mit den Händen. Zu Beginn seiner Rede sagt er: "Die Maßnahmen sind richtig, sie wirken und helfen und sie schützen Menschenleben."

Als Beleg nennt der Gesundheitsminister die aktuelle Sieben-Tage-Inzidenz in Bayern, die am Mittwoch auf 96 gesunken ist - und die Teststrategie an den Grenzen. Wenn man sehe, dass die Inzidenz in Tschechien über der 400er-Marke liege, könne man feststellen: "Die Grenztestung läuft gut." Allein am Dienstag "wurden über 200 positive Fälle bei der Einreise aus Tschechien herausgefiltert", sagt Holetschek.

Dann wiederholt Holetschek, was er bereits am Dienstag nach der Sitzung des Kabinetts sagte: Dass ihm die Virusmutanten Sorge bereiten. Dass es "zu wenig Impfstoff" gebe. Es sei nicht hinnehmbar, wenn Pharmaunternehmen ihre Zusagen nicht einhalten, "das macht unser System kaputt". Bund und Europäische Union müssten dafür sorgen, dass Verträge eingehalten werden. "Dieses Thema müssen wir lösen", sagt Holetschek. Die Pharmaindustrie fordert er auf, alle Kapazitäten für eine Impfstoffproduktion zu prüfen.

Sein Ministerium arbeite daran, zusätzliche Impfbusse einzusetzen, um vor allem ältere Menschen schneller impfen zu können. Auch eine Impfkommission kündigt Holetschek an, die Härtefälle prüfen soll, wenn es darum geht, Impftermine zu vergeben. Bei der Online-Terminvergabe räumt er Probleme ein, verspricht aber rasche Lösungen. Zudem will der Minister "zusätzliche steuerliche Anreize" für Pflegekräfte schaffen. Es brauche unbedingt mehr Personal, sagt Holetschek.

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Danach ist die Opposition an der Reihe. Katharina Schulze, Fraktionschefin der Grünen, fordert "ein besseres Krisenmanagement" der Staatsregierung. Die Menschen könnten "die Regeln nicht mehr verstehen, weil sie dauernd geändert werden". Um nun eine "klare Perspektive" zu geben, brauche es einen "Inzidenz-Stufenplan". Bei einer Inzidenz unter 100 sollen demnach Kitas in den Regelbetrieb zurückkehren und die ersten und zweiten Schulklassen in den Wechselunterricht. "Bevor Skilifte und Hotels aufmachen", sagt Schulze und schaut rüber zu Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW). Dessen Rufe nach Lockerungen erinnerten an einen "nervigen Mitfahrer", der "quengelnd von der Rückbank ruft: Wann sind wir endlich da?"

Aber nicht nur die Opposition stellt Forderungen an die Regierung. Per Dringlichkeitsantrag verlangen die Fraktionen von CSU und FW eine Exit-Strategie für den Lockdown - einen Tag nachdem Söder davor warnte, sich in Lockerungsdebatten zu "verheddern". Es sei "richtig", die Ausbreitung des Virus "auf ein Maß zu reduzieren, bei dem eine Verfolgung der Infektionsketten wieder möglich ist", heißt es in dem Papier. Es fordert aber auch "konkrete Schritte und Vorbereitungen, um mit Umsicht und Vorsicht wieder mehr gesellschaftliches Leben" zu ermöglichen.

Aus FDP-Sicht sollte ein erster Schritt sein, die Grundschulen bereits am Montag zu öffnen, um "drastische Kollateralschäden" bei Bildung und sozialer Entwicklung der Kinder zu verhindern, sagt Fraktionschef Martin Hagen. Die SPD fordert mehr Einheitlichkeit bei der Impfstrategie und weniger Hürden bei der Terminvergabe. "Die Staatsregierung darf das Vertrauen der Bevölkerung nicht verspielen", sagt Ruth Waldmann. Und Roland Magerl (AfD) kritisiert Söder dafür, die Menschen "mit Aktionismus" zu verunsichern statt nützliche, verhältnismäßige Anti-Corona-Maßnahmen zu ergreifen.

© SZ vom 28.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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