Ein Blick zurück verrät, dass gerade die Deutschen dazu neigten, ohne großes Nachdenken Kriege zu entfachen. Den besonders Damischen war nicht einmal der Zweite Weltkrieg eine Lehre. Viel hätte nicht gefehlt, und der Pöbel hätte im Sommer 1958 abermals Kriegshändel losgetreten. Schon damals offenbarte sich, wie fragil das zivilisierte Europa konstruiert ist und wie schnell nationale Aufwallungen die Gemüter explodieren lassen.
Am 24. Juni 1958 trafen die Mannschaften von Schweden und Deutschland aufeinander. Es ging um den Sieg im Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft. Man traf sich in der "Hölle von Göteborg", wie die Bildzeitung titelte, denn dort trug sich Diabolisches zu, jedenfalls aus deutscher Sicht. In schwedischen Stadien war es schon damals üblich, dass die Fans wilde Gesänge und Sprechchöre anstimmten. "Heja Sverige!" schallte es von den Rängen, "auf geht's Schweden! ...!"
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Solchen Krach zum ersten Mal hörend, wähnten sich manche Deutsche wieder an der Front. Das Fußballmagazin Kicker sah sich gar "in eine Art Berliner Sportpalast versetzt, wo der Einpeitscher Goebbels hieß". Schon wucherten die Ressentiments, erst recht, nachdem die Deutschen das Spiel mit 1:3 verloren hatten. Über Volksverhetzung klagend, drohte DFB-Präsident Peco Bauwens, man werde dieses Land nie wieder betreten.
Es brach ein Schwedenhass los wie im Dreißigjährigen Krieg, in dem die Schweden unter anderem in Bayern brutal gewütet hatten. Selbst die Presse geriet außer Rand und Band. Das Hamburger Abendblatt sah die Schrecken des Weltkrieges übertroffen. Und die Saar-Zeitung schrieb, "40 000 Repräsentanten dieses mittelmäßigen Volkes kübelten den Hass über uns aus".
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Tankwarte weigerten sich fortan, schwedische Autos zu betanken. Bei Turnieren wurden die schwedischen Fahnen heruntergerissen. Und die Gastwirte strichen die beliebte Schwedenplatte von der Karte. Wenigstens blieben einige bayerische Blätter vernünftig. "Für uns gilt der Satz: The war is over!", sagte ein schwedischer Journalist zu Günther Wolfbauer, dem damaligen Reporter des Münchner Merkur. "Und dabei sollte man es belassen", antwortete dieser, "der Dreißigjährige Krieg liegt schon mehr als 300 Jahre zurück."
"Man muss ein guter Verlierer sein", schrieb der SZ-Leitartikler Ernst Müller-Meiningen jr., der die Rüpeleien als zutiefst bedauerlichen Akt alten Nazigeistes brandmarkte. Doch es sollte noch eine Weile dauern, bis "Ikea, Abba und Volvo hierzulande ein heiteres Schweden-Bild prägten", wie der Autor Christian Eichler den Fortgang dieser Völkerbeziehung bündig schilderte.