Landespolitik:Bayern will jüdische Einrichtungen besser schützen

100 Jahre Synagoge Augsburg

Jüdische Einrichtung in Bayern sollen noch besser geschützt werden - hier die hundert Jahre alte Synagoge Augsburg.

(Foto: Stefan Puchner/dpa)

Nach dem Mordanschlag von Halle debattiert der Landtag über den wachsenden Antisemitismus. Um die Rolle der AfD entbrennt ein heftiger Streit.

Von Maximilian Gerl

Manchmal wird im Landtag über Themen debattiert, über die man sich wundern darf, warum sie im 21. Jahrhundert noch eines sind. "Jüdisches Leben ist in Bayern willkommen, ja gewünscht", sagt zum Beispiel Manfred Ländner (CSU) am Rednerpult. "Es ist ein Teil unserer Geschichte, es ist Teil unserer Gegenwart, und es wird auch Teil unserer Zukunft sein." Er erhält dafür fraktionsübergreifenden Applaus - für eine Selbstverständlichkeit, die keine mehr ist.

Wie mit einem wachsenden Antisemitismus umgehen, der auch am Selbstverständnis des demokratischen Staates rüttelt? Die Frage stellt sich in Bayern, nicht erst seit ein Rechtsextremer in Halle an der Saale versuchte, in eine Synagoge einzudringen und zwei Menschen erschoss. Das Attentat ist denn auch am Dienstag im Landtag nur Aufhänger für eine bisweilen hitzige Aussprache. Die SPD hat eine Aktuelle Stunde beantragt, Titel: "Entschlossen handeln gegen Antisemitismus".

Inwiefern der Freistaat in den vergangenen Jahren genug Entschlossenheit zeigte, das ist ein Streitpunkt im Plenum. Dennoch herrscht größtenteils Einigkeit, dass mehr getan werden müsse. Die Regierungsparteien wollen unter anderem mehr Geld für Schutzmaßnahmen von jüdischen Einrichtungen bereitstellen und Rechtslücken schließen, auch um Hetze im Internet konsequenter zu verfolgen.

Viele Redner der Opposition bekunden ihre Zustimmung, vermissen aber weiterreichende Maßnahmen: Florian Ritter (SPD) bringt ein Landesprogramm für Demokratie und politische Bildung ins Spiel. Katharina Schulze (Grüne) plädiert unter anderem für mehr Geld für Erinnerungsarbeit und Gedenkstätten. In der Tat häuften sich schon vor dem Anschlag von Halle die Warnzeichen: Vergangenes Jahr veröffentlichte die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) eine Studie, wonach allein Bayern von 2014 bis Ende Juni 2018 rund 700 antisemitische Straftaten gezählt wurden. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.

431 dieser Taten ereigneten sich in Kleinstädten und auf dem Land. Laut der Studie speist sich Antisemitismus aus verschiedenen Quellen, aus radikalen Islamvorstellungen genauso wie aus dem Rechtsextremismus. Hass, so das Fazit, sei hierzulande eine alltägliche Erfahrung für Juden. Sie begegneten ihm am Arbeitsplatz oder beim Sport; sie würden bedroht, beleidigt, bespuckt. Im Netz werden Verschwörungstheorien geteilt, die in "Zionisten" oder den "Rothschilds" Schuldige gefunden haben: für Fehlentwicklungen in der Wirtschaftsordnung oder für internationale Fluchtbewegungen.

Der Kampf gegen Antisemitismus scheint in seiner jetzigen Form also nicht ausreichend. Das impliziert auch ein Maßnahmenkatalog, den die Staatsregierung am Vormittag präsentiert, also vor der Debatte im Landtag: Rund 170 jüdische Einrichtungen gibt es laut Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in Bayern; auf sie werde man nun zugehen und die Sicherheitslage neu beurteilen. Der Verfassungsschutz soll künftig Rechtsextreme im Internet besser identifizieren und ihre Netzwerke dort aufspüren. Justizminister Georg Eisenreich (CSU) will Hetze stärker ahnden. Unter anderem soll sich künftig vor Gericht erwiesener Antisemitismus strafverschärfend auswirken. Antisemitische Beleidigungen könnten dann nicht nur mit einer Strafe von bis zu einem Jahr, sondern zwei Jahren bestraft werden. Für eine Gesetzesänderung ist eine Bundesratsinitiative nötig.

Das Problem, das wird am Dienstag deutlich, erstreckt sich über alle gesellschaftlichen Schichten - und auch aufs eigene hohe Haus, so formulieren es jedenfalls einige Redner: So wendet sich FDP-Fraktionschef Martin Hagen direkt an die AfD-Fraktion: "Sie sind Teil des Problems, nicht der Lösung." Die Partei habe Hass in die Parlamente gebracht und sei mitverantwortlich für die Verrohung. Der Landtag applaudiert. Nur ganz rechts gibt es empörte Mienen.

Aus Sicht der AfD, die Richard Graupner darlegt, ist seine Partei die einzige, die sich konsequent gegen Antisemitismus wende - genauer gegen die "ungezügelte Einwanderung", die erst die gesellschaftlichen Bedingungen dafür schaffe. Vertreter der Bundesregierung müssten sich deshalb fragen lassen, inwiefern sie beim Attentat auf dem Berliner Breitscheidplatz "mitmassakriert" hätten. Nicht nur für Herrmann eine unsägliche Provokation und Beispiel für "geistige Brandstiftung" von Seiten der AfD. Wer wie ihr Thüringer Vertreter Björn Höcke erkläre, Judentum und Christentum seien ein Antagonismus, stelle natürlich "damit religiöse Toleranz in Frage".

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