Die Hoffnungen waren groß bei der Deutschen Bahn: Ein neues Planungsverfahren sollte die Gemeinden und die Bürger einbinden in die Suche nach einem neuen Schienenweg zum Brennerbasistunnel. Drüben in Tirol gab es so eine Trasse längst, und dort hatte sich das Verfahren bewährt, mit dem sich die Bahn 2015 auch in Bayern ans Planen machte.
Doch sobald im Jahr darauf die ersten Striche auf einer Landkarte zu sehen waren, brachten sich viele Bürger auf ganz andere Weise ein: Mittlerweile gibt es rund um Rosenheim mehr als ein Dutzend Bürgerinitiativen gegen das Projekt. Sie sprechen, als Anklang an den Streit in Stuttgart, längst vom "Inntal 21". An diesem Montag sollen die Striche auf der Karte wieder deutlich weniger werden, und damit nach der stillen Hoffnung von Planern und Politik auch die Proteste: Die Bahn stellt fünf mögliche Grobtrassen vor, zu denen sie die bisherigen Überlegungen verdichtet hat.
Die Zahl der Grobtrassen und den Zeitpunkt ihrer Präsentation hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer Anfang des Jahres in Rosenheim in Aussicht gestellt, wo ihm die Wut und die Pfiffe von rund 3000 Demonstranten entgegengeschlagen waren. Am Montag müssen Scheuer sowie sein bayerischer Amtskollege und CSU-Parteifreund Hans Reichhart nicht mit ganz so viel Furor rechnen. Eine Mahnwache soll es in Rosenheim geben, ansonsten bereiten die vereinten Bürgerinitiativen ihrerseits eine Präsentation in der kommenden Woche vor, bei der sie den Vorschlägen der Bahn einen eigenen Entwurf entgegen stellen wollen.
Dieser Entwurf geht - wie die Initiativen insgesamt - davon aus, dass sich der zusätzliche Güterverkehr Richtung Brennerbasistunnel und Italien auf bayerischem Terrain im Großen und Ganzen mit den beiden bestehenden Gleisen durchs Inntal auffangen lässt. Nötig wären demnach womöglich einige Umfahrungen und allenfalls abschnittsweise zusätzliche Schienenstränge.
Scheuers Experten hatten hingegen in mehreren Varianten vorgerechnet, dass es auf lange Sicht nicht ohne zusätzliche Gleise gehen werde. Diese Szenarien hängen von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung in Europa und der Welt ebenso ab wie vom anhaltenden politischen Willen, mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Dazu erhöht das besonders vom Transitverkehr geplagte österreichische Bundesland Tirol schon seit längerer Zeit den politischen Druck durch immer neue Fahrverbote und Blockabfertigungen auf der Inntalautobahn.
Was die nötigen Gleise zum Brennerbasistunnel betrifft, haben die Österreicher ihre Hausaufgaben längst gemacht. Der auf Kosten von rund zehn Milliarden Euro geschätzte und von Österreich, Italien und der EU gemeinsam finanzierte Tunnel soll nach derzeitigem Stand 2028 in Betrieb gehen. Auf der italienischen Seite sind zumindest die Planungen abschnittsweise schon sehr viel weiter gediehen als in Deutschland, wo Bahn und Politik das Thema über Jahrzehnte hinweg vernachlässigt haben. Die Debatte verläuft quer durch die Parteien, lokale Mandatsträger sehen die Pläne oft kritischer als fernere Parteifreunde.
Doch auch in der Region herrscht keineswegs Einigkeit. Viele Wirtschaftsvertreter sprechen sich klar für zusätzliche Gleise aus, Naturschutzverbände wie der BN halten dagegen. Die Anwohner der bestehenden Strecke durch das Inntal fürchten den zusätzlichen Zugverkehr trotz längst zugesagter Lärmschutzmaßnahmen. Sie erhoffen sich wirkliche Entlastung nur von einer ganz neuen Trasse. Dort, wo eine solche Trasse verlaufen könnte, wollen die Menschen wiederum wenig von einer Hochleistungsstrecke wissen, von der sie mangels irgendwelcher Bahnhöfe oder Haltepunkte wenig haben werden - außer Lärm und einer zerfurchten Landschaft.
Dass die ersten Striche auf der Landkarte nahezu jede Gemeinde in der Region berührten, brachte auch praktisch überall Bürger auf die Barrikaden. Bei den rund um Rosenheim mäandernden und teils auch mitten durch die Stadt verlaufenden schraffierten Flächen handelte es sich zunächst nur um Korridore, in denen eine Bahnlinie nicht von vorneherein ausgeschlossen erschien. Doch auch nach der ersten Verdichtung zu etwas dünneren Linien mit rund 100 Kombinationsmöglichkeiten untereinander konnte keine Gemeinde aufatmen. Vertreter verschiedener Initiativen kündigten an, sich nicht auseinanderdividieren zu lassen.