Tief drin im Berg ist es warm, laut und dreckig. In der Luft liegt ein beißender Geruch. Mit Bohrmaschinen haben Arbeiter tiefe Löcher ins Gestein getrieben, anschließend Sprengstoff eingefüllt und das Ganze gezündet. Es dauert eine ganze Weile, bis sich der Staub gelegt hat und die Mineure, wie man die Tunnelbauer nennt, das herausgebrochene Gestein abtransportieren können. Anschließend wird die nächste Sprengung vorbereitet, das Bohrgerät steht schon bereit.
Schritt für Schritt, Meter für Meter geht es so voran tief drinnen im Berg, auf der Baustelle des Brennerbasistunnels. Im Jahr 2026 soll der BBT, wie das Mammutbauwerk abgekürzt wird, fertig sein. Auf einer Länge von 64 Kilometern zwischen Tulfes in Österreich und Franzensfeste in Italien entsteht der dann längste Eisenbahntunnel der Welt. Zehn Milliarden Euro kostet das Bauwerk, rechnet die Projektgesellschaft vor. Die EU trägt 40 Prozent der Investitionskosten, den Rest teilen sich Österreich und Italien.
Denn der BBT soll die Staaten Europas näher aneinanderrücken lassen - und die Autobahnen, insbesondere die durchs Inntal und über den Brenner, vom Verkehr entlasten. So wird sich die Fahrtzeit zwischen Innsbruck und Bozen nach der Inbetriebnahme von heute zwei Stunden auf weniger als die Hälfte verringern, versprechen die Planer. Vielmehr aber noch hoffen sie darauf, dass künftig die Waren, die derzeit auf den Lastkraftwagen oben über die Brennerautobahn transportiert werden, künftig durch den neuen Tunnel rollen werden.
Fachleute rechnen damit, dass der Warenverkehr in Europa in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter wachsen wird. Wer also will, dass das Transitland Österreich nicht noch mehr unter dem Lkw-Verkehr leidet, der muss dafür sorgen, dass ein Großteil des Güterverkehrs von der Auto- auf die Eisenbahn abwandert. Dabei soll der BBT helfen, denn durch ihn sollen künftig mehr und längere Güterzüge schneller durch den Berg rauschen und sich den umständlichen Weg über den Pass sparen, hoffen die Tunnelbefürworter in Österreich, Italien sowie in der EU. Die zwei BBT-Röhren sind ein zentraler Baustein des europäischen Verkehrskorridors, der sich von Nordeuropa über Deutschland bis nach Italien zieht.
Tatsächlich führt der starke Transitverkehr über die Alpen in Österreich immer wieder zu heftigen Diskussionen - und zu Streit mit den Nachbarländern. So wendet die schwarz-grüne Landesregierung von Tirol seit Herbst 2017 an bestimmten Tagen die "Blockabfertigung" an. Dann lassen Polizisten an der Grenze insbesondere nach Tagen mit lange geltenden Wochenend- oder Feiertagsfahrverboten Lkw auf der Inntalautobahn nur sehr verzögert ins Land. In der Folge stauen sich Laster kilometerweit auf der bayerischen A 93 zurück.
Auch Autofahrer, die zum Beispiel zum Skifahren ins Nachbarland wollen, sind nicht selten davon betroffen. Der Freistaat Bayern und die Bundesregierung haben dagegen wiederholt protestiert. Doch die Regierung in Innsbruck will die Blockabfertigungen weiter ausdehnen und rechnet für 2019 mit insgesamt 30 Eingriffen in den Verkehr. So möchte sie zum einen die Flut der Lkw bremsen und die Belastungen für Anwohner und Umwelt verringern - zuletzt passierten mehr als zwei Millionen Lkw jährlich die Brennerautobahn. Zum anderen soll der Druck auf Deutschland und die EU erhöht werden, den Ausbau der Schieneninfrastruktur deutlicher zu forcieren und zugleich den Lkw-Verkehr stärker zu reglementieren. So plädiert zum Beispiel die Tiroler Landesregierung für eine Anhebung der Lkw-Maut auf der gesamten Strecke von München bis Verona - doch dagegen sträubt sich bislang die deutsche Bundesregierung.
Auf deutscher Seite ist das Großprojekt besonders umstritten
Zudem kommen die Planer der Deutschen Bahn beim Ausbau der Zulaufstrecken zum BBT auf deutscher Seite nur mühsam voran. So wehren sich zum Beispiel Anwohner und Gemeinden rund um Rosenheim sowie in weiten Teilen des Inntals bis Kiefersfelden teils vehement gegen zusätzliche Gleise; sie befürchten unter anderem eine Zunahme des Bahnlärms und mehr Erschütterungen. Kritiker bezweifeln zudem die Annahmen der Planer zum Verkehrszuwachs in den nächsten Jahren und Jahrzehnten und sagen Kostensteigerungen auf mehr als 20 Milliarden Euro voraus - auch wenn die BBT-Planer dies vehement bestreiten. Selbst Vertreter der österreichischen Güterverkehrsbranche fanden vor einigen Jahren, dass der Staat das Geld lieber in neue Verladeterminals und den Ausbau von Knotenbahnhöfen stecken sollte als in die Tunnelröhren.
Die BBT-Erbauer werben dennoch intensiv für ihr Großprojekt - im kleinen Örtchen Steinach am Brenner zum Beispiel haben sie ein zweistöckiges Erlebniszentrum zum BBT errichtet, um Besuchern den Sinn und Zweck der Großbaustelle zu erläutern, Touristenführer nehmen Gruppen mit auf die Baustelle. Und sie zeigen, wie das Projekt auch einen Teil der alpinen Landschaft verändert, was Umweltschützern aufstößt. Denn ein Großteil des Gesteins, das aus dem Berg gebrochen wird, landet per Förderband in einem engen Seitental, dem Padastertal. Dieses tief eingeschnittene V-Tal modellieren die Ingenieure nach und nach um, sodass am Ende ein Tal entsteht, dessen Querschnitt an ein U erinnern wird.
Das BBT-Infozentrum in Steinach a. Br. ist geöffnet von Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei, www.tunnelwelten.com