Dafür, dass es um die Zukunft geht, stehen an diesem Freitag häufig Vergangenheit und Gegenwart im Mittelpunkt. Und die sehen die Vertreterinnen und Vertreter der Transportbranche, die ins Verkehrsministerium nach München gekommen sind, durchaus kritisch: Es gebe zu viel Bürokratie, zu viele Belastungen, zu wenig Tempo beim Schienenausbau, so der Tenor der Wortmeldungen. Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) äußert Verständnis für die Sorgen: Ihm dauere auch vieles zu lang, sagt er.
Doch künftig soll ein bisschen mehr Zug in die Sache kommen, zumindest wenn es nach Bernreiter und dem Freistaat geht. Ein neues "Güterverkehrskonzept" soll den Warentransport hierzulande effizienter und digitaler machen, fit für die Zukunft. Dieses Papier werde "die grundlegende Basis unserer Arbeit sein", verspricht Bernreiter.
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Handlungsbedarf bestünde jedenfalls, nicht nur wegen der Klagen von Unternehmern. Gut 400 000 Menschen arbeiten in der Branche, die sich schon dem Klimaschutz zuliebe ein bisschen neu erfinden muss: Der Verkehrsbereich bietet laut Fachleuten noch ungenutzten Spielraum, um die CO₂-Emissionen zu drücken - zum Beispiel, indem man von der Straße auf die Schiene verlagert oder Transportwege verkürzt. Außerdem lebt Bayern von Handel und Transit, auch dank seiner zentralen Lage in Europa. Prognosen gehen davon aus, dass der Güterverkehr bis 2035 um gut 25 Prozent wachsen könnte.
So gesehen sind die Herausforderungen groß - und entsprechend die Erwartungen ans neue Konzept. Die Arbeiten daran starteten im Herbst 2021, ursprünglich sollte es im Frühjahr 2023 fertig sein. Den Hintergrund bilden Workshop-Runden, in denen vor allem Wirtschaftsvertreter saßen. Am Ende stehen, stark vereinfacht, drei Handlungsfelder. Das erste: die Infrastruktur. Ohne die läuft im wahrsten Sinne wenig. Alle vier Verkehrsträger - Straße, Schiene, Luft und Wasser - müssten in gutem Zustand sein, heißt es denn auch im Konzept. Allerdings staut sich vor allem auf der Schiene die Sanierung, zudem ist das Eisenbahnnetz in den vergangenen Jahrzehnten geschrumpft. Dessen Auslastung sei daher auf den Hauptverkehrsachsen hoch. Auf einzelnen Abschnitten komme es zu "strukturellen Überlastungen".
Das zweite Handlungsfeld ist mit "neue Technologien" überschrieben und meint vor allem die Digitalisierung. Deren Potenzial wird auch im Güterverkehr nicht ausgeschöpft. Mal bemängeln die Unternehmen lahmes Internet, mal fehlen Plattformen, Programme und der Wille, Daten mit anderen zu teilen. Das dritte Feld betrifft den Fachkräftemangel. Ob Lageristin oder Binnenschiffer, Lkw-Fahrer oder Mobilitätsexpertin im Landratsamt: Personal ist rar.
Geht es nach dem Konzept, sollte den Baustellen mit einem Bündel an Maßnahmen begegnet werden. Dabei sieht man jedoch nicht überall den Freistaat in der Pflicht - vor allem da nicht, wo Protest zu erwarten ist. So heißt es im Papier: "Wir fordern vom Bund eine leistungsfähige und maximal anwohnerfreundliche Schieneninfrastruktur für den Schienengüterverkehr in ganz Bayern und insbesondere auch im Brenner-Nordzulauf." Gegen letzteren regt sich rund um Rosenheim seit Jahren Widerstand. Auch der Bau zusätzlicher Güterterminals müsse "weiterhin durch den Bund gefördert werden".
Konkreter sind da drei Pilotprojekte. Das vielleicht wichtigste aus Branchensicht ist indes nicht neu: Mithilfe eines "Slotsystems" und verpflichtenden Buchungen sollen die Lkw-Staus am und rund um den Brenner entzerrt werden. Dazu müssten allerdings Deutschland, Österreich und Italien an einem Strang ziehen. Außerdem soll ein "Runder Tisch Fachkräftegewinnung" zwischen Politik und Wirtschaft fortgeführt werden. Nach total neuen Wegen bei der Personalgewinnung klingt das freilich erst mal nicht.
Daneben ist aus den Workshops eine Sammlung aus Vorschlägen für die Zukunft entstanden. Manche sind spezieller, andere allgemeiner, so etwa der "Ausbau der Tank- und Ladeinfrastruktur". Letztere sei wichtig, um die Dekarbonisierung des Güterverkehrs voranzubringen, sagt Stephan Doppelhammer vom Landesverband Bayerischer Transport. Bislang dauere es noch viele Stunden, E-Lkws aufzuladen, weil ein Schnellladesystem fehle. Sabine Lehmann vom Landesverband Bayerischer Spediteure hofft dagegen, dass mehr Digitalisierung in den Behörden helfen könnte, die Bürokratie schneller und einfacher zu bewältigen. Das Konzept an sich aber, das begrüße man "ausdrücklich".