Transitverkehr:Slot-System statt Blockabfertigung?

Transitverkehr: Wenn die Tiroler ihre "Dosierampel" bei Kufstein auf Rot schalten, stehen die Laster in Bayern meist auf mindestens 20 Kilometern Schlange.

Wenn die Tiroler ihre "Dosierampel" bei Kufstein auf Rot schalten, stehen die Laster in Bayern meist auf mindestens 20 Kilometern Schlange.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Bayern und Tirol streiten seit Jahren über den Lkw-Verkehr auf der Brennerroute. Jetzt sollen buchbare Durchfahrtzeiten Entspannung bringen. Damit sind die Nachbarländer aber längst nicht über den Berg.

Von Matthias Köpf, Kiefersfelden

Am Montagfrüh sind es wieder 28 Kilometer geworden, zwei mehr als eine Woche zuvor, und wieder reichte der Rückstau der Lastwagen über das Inntaldreieck hinaus bis auf die A 8. Am anderen Ende der Schlange, am Autobahn-Grenzübergang zwischen Kiefersfelden und Kufstein, hatten die Tiroler von 5 Uhr früh an, direkt im Anschluss an ihr Wochenend- und Nachtfahrverbot für Transit-Lkw, nur 100 Lastwagen pro Stunde ins Land gelassen, später dann 300. Für die Fahrer, für ihre Auftraggeber, für die Anwohner und Pendler im bayerischen Inntal und auch für die Verkehrspolitiker in München und Berlin sind diese Tiroler Blockabfertigungen ein stetes Ärgernis. Nun soll die digitale Zuteilung von Durchfahrtsrechten über die Alpen eine Lösung bringen.

Für eine solche Lösung hatten sich schon zu Beginn des Jahres die Regierungschefs von Tirol und der beiden italienischen Provinzen Südtirol und Trient ausgesprochen und sich dabei auf eine von den Südtirolern in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie berufen. Zuletzt haben Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) und dessen neuer Tiroler Amtskollege René Zumtobel (SPÖ) darüber diskutiert.

Laut einer gemeinsamen Mitteilung erhoffen sich beide Minister von einem Slot-System "wirksame Verbesserungen" beim Brennertransit, und zwar sowohl für die Anwohner der hoch belasteten Strecke als auch für die Wirtschaft, die auf einen möglichst reibungslosen Gütertransport angewiesen ist. Eine Arbeitsgruppe auf Beamtenebene treffe sich bereits regelmäßig. Bald soll es ein Spitzentreffen von Vertretern aus Bayern, Tirol und Südtirol geben. Danach muss nach Zumtobels Worten aber noch "Überzeugungsarbeit bei den jeweiligen Bundesregierungen in Berlin, Wien und Rom geleistet werden".

Die von Südtirol ins Spiel gebrachte Slot-Planung basiert auf einem digitalen Buchungssystem, über das für jede einzelne Lkw-Fahrt über die Alpen ein bestimmter Zeitraum reserviert werden kann. Ähnliche Systeme gibt es etwa für die Abfertigung an großen Containerterminals oder für Start- und Landerechte an Flughäfen. Beim Brennertransit soll das System den Verkehr entzerren und flüssiger machen.

Denn laut der Studie entstehen Überlastungsstaus in aller Regel tagsüber zu bestimmten Spitzenzeiten, wenn der Personenverkehr auf all die Lastwagen trifft, die nachts nicht durch Tirol fahren dürfen. Das Nachtfahrverbot und auch die Einschränkungen für bestimmte Güter und für Laster mit schlechteren Schadstoffklassen blieben vom Slot-System aber unberührt, heißt es in der Studie weiter. Denn die dienten nicht der Verkehrssteuerung, sondern dem Gesundheitsschutz der Anwohner. Gebühren für die einzelnen Slots zu verlangen, sei wegen europarechtlicher Regelungen nicht erlaubt.

Die Wirtschaft zweifelt an der Umsetzbarkeit

Immerhin das beruhigt die Wirtschaft und speziell die Spediteure, von denen bisher vor allem Bedenken wegen steigenden Verwaltungsaufwands und sinkender Flexibilität sowie Zweifel an der praktischen Umsetzbarkeit der Pläne zu hören sind. Was den Verzicht auf zusätzliche Gebühren betrifft, unterscheidet sich das vorgeschlagene Slot-System von einer europaweiten "Alpentransitbörse", wie sie seit vielen Jahren von verschiedenen Umweltschutzverbänden gefordert wird. An einer solchen Börse könnten transalpine Durchfahrtsrechte versteigert und gehandelt werden, was nur dann Sinn ergäbe, wenn sie ein knappes Gut wären.

Sobald es bei dem Slot-System politisch irgendwann einmal ins Detail gehen sollte, könnte sich genau daran neuer Streit zwischen Bayern und Tirol entzünden. Denn die Tiroler haben vor allem ein Interesse daran, die Zahl von zuletzt rund 2,5 Millionen Transit-Laster auf der Brennerroute deutlich zu reduzieren, während Bayern im Sinne seiner exportabhängigen Wirtschaft bisher stets auf möglichst freie Fahrt für alle Lastwagen pochte und wiederholt ein Ende der Einschränkungen gefordert hat.

Bei aller beiderseits der Grenze zu Schau getragenen Zuversicht: Der Weg zu einer Einigung in der Transitfrage ist weit, wie auch Bayerns Verkehrsminister einräumt. Und selbst wenn sich Bayern, Tirol und Südtirol irgendwann auch im Detail auf ein Slot-System verständigen sollten: Einführen könnten es allein die jeweiligen Bundesregierungen per Staatsvertrag.

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