Personalmangel:Grundschullehrerinnen klagen gegen Mehrarbeit

Personalmangel: Grundschullehrer sollen ein Arbeitszeitkonto führen.

Grundschullehrer sollen ein Arbeitszeitkonto führen.

(Foto: Felix Kästle/DPA)

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband hält die von Piazolo eingeführten Arbeitszeitkonten für rechtswidrig. Entscheiden muss nun der Verwaltungsgerichtshof.

Petra Falter ist seit 30 Jahren Lehrerin, sie leitet seit 2017 die Grundschulen Donaustauf und Altenthann. Die Belastung von Grundschullehrerinnen, sagt sie, sei in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Im Vergleich zu Lehrern an Gymnasien oder Realschulen hätten sie und ihre Kolleginnen das höchste Stundenmaß, aber das geringste Einstiegsgehalt. "Und dann kommt jetzt die Belastung durch das Arbeitszeitkonto. Das ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat."

Falter hat am Dienstag mit Hilfe des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) einen Normenkontrollantrag beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingereicht. Das verpflichtende Arbeitszeitkonto, das Kultusminister Michael Piazolo (FW) für Grundschullehrer vor einem Jahr per Verordnung eingeführt hat, soll so für nichtig erklärt werden.

Die Aufregung war groß, als Piazolo die Maßnahmen gegen drohenden Lehrermangel verkündete und Grund-, Mittel- sowie Förderschullehrern mehr Arbeit verordnete. 1400 Vollzeitstellen würden sonst unbesetzt bleiben, sagte er damals. Alle Grundschullehrer müssen eine Stunde mehr pro Woche unterrichten, die über das Arbeitszeitkonto abgegolten wird. Das Pensionsalter wurde angehoben, Sabbaticals gestrichen. Den größten Ärger lösten die Mindeststunden an Förder- (23) und Grund- sowie Mittelschulen (24) aus. Für Lehrer, die nur acht oder neun Stunden pro Woche gaben, stieg das Pensum damit deutlich. Ausgenommen sind junge Eltern und jene, die Angehörige pflegen. Die Proteste erstarben erst, als mit Corona im März größere Probleme über die Schulen hereinbrachen.

"Lehrkräfte an Grundschulen sollen jetzt ausbaden, was die Ministerialbürokratie bei Mittelschulen versäumt hat", kritisiert BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Der Verband hält die Verordnung des Kultusministeriums über Arbeitszeitkonten für Grundschullehrer für rechtswidrig, weil damit der Personalmangel an Förder- und Mittelschulen kompensiert werden solle. Laut Bedarfsprognosen des Ministeriums gebe es nun sogar zu viele Grundschullehrer. Für die nächsten Jahre würden stets mehr Lehrer eingeplant als benötigt, sagt der BLLV. Erfahrene Kräfte an Grundschulen sollten deshalb an Förder- und Mittelschulen versetzt werden, das habe das Kultusministerium selbst mitgeteilt. Hier setzt die Klage an: Ein Arbeitszeitkonto dürfe nur bei Personalmangel eingeführt werden, den es nun aber bei Grundschulen gar nicht gebe.

Fleischmann fordert, dass das Ministerium für bessere Arbeitsbedingungen und eine nachhaltigere Personalpolitik an Mittel- und Förderschulen sorgen solle, statt die Probleme durch Flickschusterei auszugleichen. Grund- und Mittelschullehrer sollten zudem gleichen Sold bekommen wie Gymnasial- und Realschullehrer, um Anreize zu schaffen. Immer wieder kritisieren Lehrer, dass Grundschullehrerinnen eben die billigsten Kräfte seien und deshalb anderswo aushelfen sollten.

Die Klage vor dem Verwaltungsgerichtshof greift nur die Arbeitszeitkonten an, nicht das Pensionsalter oder die Mindeststundenzahl. Diese Regelungen, stellt der BLLV klar, solle das Kultusministerium zwar auch wieder kippen. In den vergangenen Monaten habe der Verband einzelnen Lehrern helfen können, diese Bestimmungen zu umgehen. In Augsburg klagt ein Rechtsanwalt zudem im Alleingang auch gegen die Anhebung der Mindeststundenzahl. Das Kultusministerium ficht weder die eine noch die andere Klage an: "Jeder Bürgerin und jedem Bürger steht der Rechtsweg offen", heißt es dort knapp. "Die Einführung des Arbeitszeitkontos wurde sehr sorgfältig geprüft."

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hatten wir die erhöhte Mindeststundenzahl für Förderschullehrer mit 24 und die der Grund- und Mittelschullehrer mit 23 angegeben. Richtig ist es andersherum.

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