Die Bauern und der Flächenfraß, das ist eine sehr zwiespältige Angelegenheit: Auf der einen Seite zählen die Landwirte zu den schärfsten Kritikern der Umwandlung von Agrarland in Bauland. Denn sie verlieren dadurch Tag für Tag den Boden, auf dem sie wirtschaften. Auf der anderen Seite profitieren sie - gerade in der Nähe der Ballungsräume - vom Verkauf ihrer Flächen. Deshalb üben sich die Bauernfunktionäre bis hinauf zum bayerischen Bauernpräsidenten Günther Felßner für gewöhnlich im Spagat. In ihren Reden geißeln sie den Flächenfraß in scharfen Worten. Wenn man sie fragt, was man dagegen tun kann, eiern sie herum. Ein Gesetz mit einer fixen Obergrenze für den Flächenverbrauch lehnten sie bisher ab.
Der oberbayerische Bauernpräsident Ralf Huber macht diesen Spagat nicht länger mit. Er sagt: "Alle bisherigen Versuche, den Flächenfraß einzudämmen, sind gescheitert. Deshalb ist es an der Zeit für ein Gesetz." Damit nicht genug. Huber hat am Montag mit dem Grünen-Fraktionschef im Landtag, Ludwig Hartmann, und Professor Felix Ekardt von der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig den Gesetzentwurf "Schutz der bayerischen Kulturlandschaft und nachhaltige Flächennutzung (5-ha-Ziel)" präsentiert. Damit wollen die Grünen den Flächenverbrauch in Bayern bis 2028 halbieren. "Grund und Boden sind nicht vermehrbar", sagt Bauernanführer Huber. "Alles, was wir zubetonieren, ist weg - für immer. Für die Lebensmittelproduktion wie für die Natur."
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Der Flächenverbrauch zählt zu den drängendsten Umweltproblemen in Bayern. Das sagt nicht nur der Grünenpolitiker Hartmann. Sondern das sagen auch Experten wie Professor Ekardt. Pro Tag werden in Bayern etwa zehn Hektar vormals freie Landschaft in Bauland für Siedlungen, Gewerbe und Industrie, für Straßen und andere Verkehrswege umgewandelt. Statistisch gesehen geht alle drei Tage das Agrarland eines durchschnittlichen Bauernhofs in Bayern verloren. Auf vier Jahre gesehen, entspricht das der Fläche des oberbayerischen Ammersees, rechnet Hartmann vor.
Der Flächenfraß trifft aber nicht nur die Bauern. Sondern auch die Natur. Denn der alltägliche Schwund der freien Landschaft bedeutet einen massiven Verlust an Lebensräumen für Pflanzen und Wildtiere. Und der beschleunigt das Artensterben. Außerdem hat der Flächenfraß eine soziale Komponente. Denn die Ausweisung immer neuer Wohn- und Gewerbegebiete geht einher mit der Verödung vieler Ortskerne und mehr Verkehr, da die neuen Discounter und Supermärkte an den Ortsrändern in aller Regel am einfachsten mit dem Auto erreichbar sind.
Mit ihrem Gesetzentwurf schließen die Landtagsgrünen an ihr Volksbegehren "Betonflut eindämmen" von 2018 an, das seinerzeit vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof für unzulässig erklärt worden ist. Zentraler Punkt der damaligen und der neuen Initiative ist eine verbindliche Obergrenze für den Flächenverbrauch in Bayern von fünf Hektar am Tag. Sie soll schrittweise bis 2028 eingeführt werden. Das jährliche Flächenbudget, das sich daraus ergibt, wird auf die Gemeinden in Bayern aufgeteilt. Maßgeblicher Faktor sind die jeweiligen Einwohnerzahlen. Wobei einwohnerschwächere Kommunen mehr Fläche pro Kopf der Bevölkerung und Jahr erhalten sollen als einwohnerstarke. "Damit fördern wir den ländlichen Raum", sagt Hartmann.
"Deshalb muss künftig gelten: Denken, bevor der Bagger kommt"
Die Kommunen können nach Hartmanns Worten mit dem jeweiligen Budget flexibel verfahren. Sie können es zum Beispiel ansparen. Sie können es anderen Gemeinden übertragen oder Anteile von anderen Kommunen erwerben. Sie können es durch eigene Initiativen vergrößern, indem sie etwa Industriebrachen renaturieren, und dergleichen mehr. "Wir wollen unseren Kindern ein lebenswertes Bayern zurücklassen, ein Bayern, das durch seine schönen Landschaften und seine Artenvielfalt besticht", sagt Hartmann zu der neuen Initiative. "Deshalb muss künftig gelten: Denken, bevor der Bagger kommt."
Für den Grünenpolitiker ist die Unterstützung des Bauernanführers Huber ein unschätzbarer Zugewinn. Denn trotz aller Kritik am Flächenfraß hat es der Bauernverband immer treu mit der CSU und den Freien Wählern gehalten. Beide Parteien lehnen ein Gesetz gegen den Flächenfraß bisher strikt ab. Ihr Motto beim Flächensparen lautet: Freiwilligkeit hat Vorrang. "Aber wenn die Freiwilligkeit nicht funktioniert, dann braucht es verbindliche Regeln", sagt Huber. "Und wenn die Grünen ein Sachthema gut bearbeiten, dann unterstütze ich sie."