Steuern:Bayerns Finanzämter prüfen immer seltener Einkommensmillionäre

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Bayern greift beim bundesweiten Finanzausgleich tief in die Tasche. Ministerpräsident Markus Söder - hier ein Bild aus seiner Zeit als Finanzminister - will das nicht länger akzeptieren und droht mit einer Verfassungsklage. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

2010 wurde im Freistaat noch jede vierte Steuererklärung von Spitzenverdienern kontrolliert, im Vorjahr lag die Quote bei nur zehn Prozent. Die Grünen diagnostizieren dem Fiskus eine Beißhemmung.

Von Johann Osel und Klaus Ott, München

Die Steuererklärungen von sogenannten Einkommensmillionären in Bayern werden nach Ansicht der Grünen im Landtag nicht umfassend genug geprüft. "Es entsteht der Eindruck: Der Staatsregierung fehlt im Kampf für Steuergerechtigkeit der Biss", sagt Tim Pargent, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion. Der politische Begriff der Einkommensmillionäre bezieht sich noch auf die Deutsche Mark, aus dieser Zeit stammt er. Die Schwelle trifft nun also laut Abgabenordnung auf Personen zu, die in einem Jahr positive Überschusseinkünfte von mindestens 500 000 Euro erzielt haben - Skala nach oben offen. Bei ihnen dürfen Finanzämter etwa eine anlasslose Außenprüfung vornehmen. Pargent hat in einer Anfrage an die Staatsregierung, deren noch unveröffentlichte Antwort der SZ vorliegt, erfahren: Vergangenes Jahr lag die Prüfquote bei 10,2 Prozent, 2020 bei 11,8 Prozent. Binnen eines Jahrzehnts zeigt sich ein deutlicher, kontinuierlicher Rückgang: 2010 stand noch 25,9 Prozent der Einkommensmillionäre eine Außenprüfung ins Haus. Also jedem Vierten statt jedem Zehnten.

Dabei lohne sich bei diesen hohen Einkünften ein zweiter Blick, meint Pargent. Dies zeigten die Mehrergebnisse, die ihm das Finanzministerium gemeldet hat. 2021 erzielte man in den Fällen, wo genauer hingeschaut wurde, durchschnittliche Mehrsteuern von 161 000 Euro pro geprüftem Steuerpflichtigen, im Vorjahr 252 000 Euro. Jährlich kamen der Staatskasse dadurch zuletzt jeweils 40 bis knapp 70 Millionen Euro zusätzlich zugute "Man sieht, Personaleinsatz lohnt sich", sagt Pargent. In seinen Augen "fällt es der Staatsregierung auch auf die Füße, dass die Zahl der Finanzbeamten nicht allzu hoch ist".

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In der Antwort auf die Anfrage sowie auf Nachfrage der SZ führt das Finanzministerium aus: Wie alle Steuerpflichtigen würden auch diejenigen mit bedeutenden Einkommen zunächst durch den Innendienst geprüft. Eine zusätzliche Außenprüfung sei in der Regel dann erforderlich, wenn der Sachverhalt "nicht ausreichend ermittelt werden kann". Nicht prüfungswürdig seien etwa Fälle, die bereits mehrfach und ohne Beanstandungen geprüft wurden oder in denen eine einfache Einkommensstruktur vorliege. Hohe Einkommen, die in Verbindung mit einem Gewerbebetrieb oder einer freiberuflichen Tätigkeit stehen, würden regelmäßig im Rahmen der Prüfung des Betriebs mit geprüft.

Mit der Abgeltungssteuer ist ein wichtiger Prüfgrund entfallen

"Insgesamt erfolgt die Auswahl der für eine Außenprüfung vorgesehenen Fälle durch eine risikoorientierte Fallauswahl, die permanent angepasst, erweitert und optimiert wird", teilte eine Sprecherin von Finanzminister Albert Füracker (CSU) mit. Und warum die die zunehmend geringere Prüfquote? Mit der Einführung der Abgeltungssteuer 2009, einer Vereinfachung bei der Besteuerung von Kapitalerträgen, sei ein häufiger Prüfungsschwerpunkt entfallen - daher sei auch bundesweit ein Rückgang der Prüfungsfälle zu verzeichnen. Das deckt sich mit Daten auf Anfragen der Linksfraktion im Bundestag.

Laut Statistischem Bundesamt steigt die Zahl der Einkommensmillionäre in Deutschland - für diese Statistik ist aber tatsächlich die eine Million maßgeblich, nicht wie in der Abgabeverordnung die halbe. Bundesweit waren das zuletzt 26 300 einkommensteuerpflichtige Bürgerinnen und Bürger. Demnach bildeten für 59 Prozent von ihnen Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb die Haupteinnahmequelle. Die Millionärsdichte ist in Hamburg am höchsten, dort hatten zwölf von 10 000 Einkommensteuerpflichtigen (1,2 Promille) Jahreseinkünfte jenseits der Millionengrenze; in Bayern waren es neun von 10 000.

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