Wetterbeobachtung:Die Eisheiligen entscheiden über Wohl und Weh

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Die Frostnächte im Mai können an Obstbäumen Schaden anrichten. (Foto: Rainer Hunold/Imago)

Pankratius, Servatius, Bonifatius und die kalte Sophie stehen für ein gefürchtetes Wetterphänomen im Mai, denn es droht Frost: Er kann Pflanzen und jungen Trieben schaden - so verheißen es alte Bauernregeln. Moderne Meteorologen sind da skeptischer.

Von Hans Kratzer

In manchen Gegenden Oberbayerns laufen noch Buben herum, die auf den seltenen Namen Pankraz getauft sind, sie dürfen an diesem Freitag Namenstag feiern. Dass der um das Jahr 304 gestorbene Märtyrer Pankratius zu den sogenannten Eisheiligen zählt, die im alten Bauernjahr eine wichtige Position einnahmen, ist den meisten heute kaum noch geläufig. Der lustig klingende Name Eisheilige hat einen ernsten Hintergrund. Die Gedenktage der Mai-Heiligen Pankratius, Servatius, Bonifatius sowie der kalten Sophie (12. bis 15. Mai) markieren ein gefürchtetes Wetterphänomen.

Mancherorts wird auch der einstige Bischof Mamertus (11. Mai) zu den Eisheiligen gezählt. Die Erfahrung lehrt, dass diese Tage mitten im Wonnemonat Mai Frost mit sich bringen und somit die frühen Triebe und in der Folge die Obsternte vernichten können. Weil dieses Phänomen schon im Mittelalter beobachtet wurde, brachte man es mit jenen Heiligen in Verbindung, die an diesen Tagen im Kalender stehen, folgerichtig nannte man sie die Eisheiligen. Nach altem Volksglauben lassen die Maifröste erst nach dem 15. Mai nach, weshalb vorsichtige Bauern und Gärtner ihre Pflanzerl erst ins Freie setzen, wenn die Eisheiligen vorbei sind. Ein wichtiger Lehrsatz lautet: "Pflanze nie vor der kalten Sophie!"

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In der Meteorologie werden die Eisheiligen unter dem Stichwort Singularitäten geführt. Man versteht darunter Witterungsereignisse, die im Jahreslauf regelmäßig auftreten. Die Wetterstürze im Mai, wie aktuell der Dauerregen, waren früher für viele Bauernfamilien existenzbedrohend. Heute gelten die Eisheiligen jedoch vorwiegend als ein Relikt des Aberglaubens. Trotzdem geht von ihnen auch in diesem Jahr eine latente Gefahr aus. Die aktuellen Nächte sind für empfindliche Pflänzchen zu kühl, weshalb man die Schalen und Töpfe mit dem jungen Pflanzgut am Abend ins Haus räumen sollte.

"Ein Wettersturz ist um diese Zeit nicht ungewöhnlich", bestätigt der Klimaexperte Martin Bohmann, der im niederbayerischen Eggerszell eine Wetterbeobachtungsstation betreibt. Im Mai sei wettermäßig vieles möglich, denn in Nordeuropa verharren Kaltluftreserven aus den Wintermonaten, und in der Mittelmeergegend stauen sich oft warme Luftmassen. Die Luftmassengrenze verlaufe meistens genau über Deutschland. "Und dann kommt es eben vor, dass polare Luft die warmen Strömungen verdrängt."

Der meinungsstarke Meteorologe Jörg Kachelmann hält vom Phänomen Eisheilige trotzdem nicht viel. "Warum es keine Eisheiligen gibt" lautet der Titel eines seiner Aufsätze, in dem er einen auf Messdaten gestützten Rückblick bis ins Jahr 1950 präsentiert. Demnach gab es in der Phase der Eisheiligen keine Häufung von kalten Wetterlagen mit Luft- oder Bodenfrost.

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Sein Kollege Fabian Ruhnau verweist darauf, dass die Eisheiligen wegen der 1582 erlassenen Kalenderreform von Papst Gregor XIII. eigentlich zehn Tage später angesetzt werden müssten. Damals wurden einfach zehn Tage gestrichen, weshalb so manche Bauern- und Wetterregel nicht mehr auf den Tag genau zutrifft, darunter die Eisheiligen. Ruhnau schlussfolgert, nach dem 20. Mai sei die Wahrscheinlichkeit von Frösten noch viel geringer als zehn Tage zuvor. Andere Wetterbeobachter sagen jedoch, es kühle vom 21. bis zum 23. Mai überdurchschnittlich oft ab, was sie wiederum auf die verschobenen Eisheiligen zurückführen.

Einigermaßen sicher ist nur, dass der Mai unberechenbarer ist als andere Monate. "Man kann das Phänomen Eisheilige nicht pauschal abstreiten", sagt Bohmann. Nachtfröste seien um diese Zeit fast normal. Dass es in den vergangenen Jahren um diese Zeit Kälteeinbrüche gab, das belegen Bohmanns Messungen zumindest für Ostbayern. Seinen Beobachtungen zufolge tritt ein Kälteeinbruch von Ende April bis Mitte Mai zu 70 bis 80 Prozent ein.

In diesen Tagen finden Bittgänge und Flurprozessionen statt

Es verwundert deshalb nicht, dass die alten Wettersprüche nach wie vor Vertrauen genießen. Im Grunde genommen bilden die Bauernregeln die Essenz von über Generationen hinweg gesammelten Überlebensstrategien und Ängsten: Bringen wir die Ernte durch, geht die Saat auf, erfriert das Obst an den Bäumen? Deshalb werden auf dem Land in diesen Tagen wie eh und je Bittgänge und Flurprozessionen abgehalten, um Schutz vor Frost, Hagel und Unwetter zu erflehen.

Auch wenn Volksweisheiten uralte Beobachtungen abbilden, so müssen sie sich dennoch an den immer präziser werdenden Erkenntnissen der Meteorologie messen lassen. Der Brauchtumsexperte Michael Ritter (Landesverein für Heimatpflege) sagt deshalb, man dürfe die Bauernregeln nicht überbewerten. "Die Tendenz ihrer Aussage ist oft zutreffend, ein Postulat kann man daraus nicht ableiten. Dahinter stecken Erfahrungswerte, keine Gesetzmäßigkeiten."

In diese Richtung argumentieren auch die Meteorologen vom Deutschen Wetterdienst, die tagesbezogene Bauernregeln für eher unbrauchbar halten, allgemeine Wetterregeln wie die Siebenschläferphase im Juni und das Weihnachtstauwetter aber schon, da sich um diese Zeiten die Luftzirkulation oft großflächig umstellt.

Auffällig ist indessen, dass die Eisheiligen zumindest terminlich dem Klimawandel trotzen. Bohmanns Messungen zeigen, dass die Durchschnittstemperatur in Ostbayern jetzt zehn Grad beträgt, früher waren es 7,5 Grad. Die Baumblüte setzt immer früher ein, die Vegetationszeit wird immer länger. Die Kältegefahr und der Mai aber gehen nach wie vor Hand in Hand.

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