Bayerischer Landtag:"Familienland Nummer eins" oder "meilenweit entfernt"?

Lesezeit: 2 min

Wenn es nach der CSU geht, dürfte es Eltern in Bayern an nichts fehlen. Und wenn doch, dann ist der Bund schuld. (Foto: Alexander Rochau/Imago)

Im Parlament lobt die CSU ihre Familienpolitik in höchsten Tönen, die Opposition widerspricht vehement. Am Ende stellt selbst ein Koalitionspolitiker die Superlative infrage.

Von Andreas Glas, München

Sie wolle "kein Zuckerbäckerbild von Bayern malen", beteuert Ulrike Scharf (CSU). Aber da hat die Sozialministerin längst zum rhetorischen Backpinsel gegriffen, in die Schokoglasur getunkt und ein sehr süßes Bayernmotiv gepinselt. "Familienland Nummer eins", "Vorreiter" in der Familienpolitik, beste Startchancen für Kinder. Dass es "Familien in Bayern besser geht" als anderswo, das könne man den Zahlen und Fakten ablesen, sagt Scharf.

"Warum Bayern Familienland Nummer 1 ist", diesen Titel hat die CSU-Fraktion auch der Landtagsdebatte am Donnerstag verpasst. Ein Titel, der sich nicht ganz zufällig in den Vorsatz der Partei fügt, den Leuten bis zur Landtagswahl 2023 besonders hartnäckig einzutrichtern, dass das Leben in Bayern besser sei als in der Restrepublik. Wie bitte, stimmt nicht? "Die Familien in Bayern haben eine bessere Regierung verdient", sagt Katharina Schulze, Fraktionschefin der Grünen, die sich ihrerseits vorgenommen haben, den Leuten einzuhämmern, dass das Zuckerbäckerbild der CSU nicht so süß sei, wie sie das glauben macht.

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Fünf Rednerinnen und Redner schickt die CSU ins Rennen, inklusive Ministerin. Familiengeld, Krippengeld, "einmalig und unerreicht in der gesamten Bundesrepublik", verlautbart Thomas Huber. Dazu die Kinderarmut, die nirgends so niedrig sei wie in Bayern, das alles könne "unter Umständen auch mit der erfolgreichen Familienpolitik der CSU in Zusammenhang stehen". Beim Kinderschutz sei Bayern ebenfalls "hervorragend aufgestellt", verkündet Tanja Schorer-Dremel, bei der Jugendarbeit genauso, sagt Petra Högl. Und Sylvia Stierstorfer zieht die relativ hohe Geburtenrate heran, als Beleg dafür, dass die CSU bei der Familienpolitik "die richtigen Prioritäten" setze.

Wo die CSU eigenen Handlungsbedarf sieht, erfährt man nicht

Gibt es aus CSU-Sicht gar nichts zu verbessern? Es gebe "immer etwas zu verbessern", sagt Huber. Es gebe immer Dinge, "die weiterentwickelt werden können", sagt Ministerin Scharf. Wo die CSU konkret eigenen Handlungsbedarf sieht, erfährt man von ihren Rednerinnen und Rednern allerdings nicht. Dafür formuliert Ulrike Scharf sehr deutlich, wo der Bund in der Familienpolitik endlich handeln müsse. Der Bund, sagt sie, müsse erklären, ob die Länder weiterhin Geld aus dem Gute-Kita-Gesetz bekommen. Auch bei der Kindergrundsicherung passiere nichts, dabei werde "seit zehn Jahren" drüber geredet. Worauf die Zwischenrufe der Opposition nur so einprasseln auf die Sozialministerin. "Wir waren nicht die letzten zehn Jahre in der Regierung!" Oder: "Das hat die CSU verbockt!"

Allerdings: Manche Fakten kann auch die Opposition nicht bestreiten, etwa dass die Kinderarmut in Bayern (12,2 Prozent) am niedrigsten ist. Also lenkt Diana Stachowitz (SPD) den Blick auf die Armutsquote bei den 18- bis 25-Jährigen, "das ist über dem Bundesdurchschnitt". Vor allem Alleinerziehende arbeiteten oft im Niedriglohnbereich und führten so auch ihre "Kinder in die Kinderarmut". Grünen-Fraktionschefin Schulze findet deshalb, dass das bayerische Familiengeld einkommensabhängig sein müsse. Derzeit gewährt der Freistaat allen Eltern je 250 Euro für jedes ihrer Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr, ab dem dritten Kind 300 Euro. Es sei ungerecht, dass ein "Double-Income-Anwaltspaar den gleichen Zuschuss bekommt wie eine alleinerziehende Krankenpflegerin", sagt Schulze. "Das Geld mit der Gießkanne übers Land kippen und dann ein Bapperl ,Familienland' drauf kleben, das reicht nicht."

Vom Familienland Nummer eins sei Bayern "meilenweit entfernt", findet auch Julika Sandt (FDP). Der Freistaat habe etwa keine Landeselternvertretung, "alle anderen Bundesländer haben das". Es fehle an Kitaplätzen, an Personal, die Betreuungsschlüssel seien zu hoch, das kritisierten praktisch alle Rednerinnen und Redner der Opposition. Derweil fordert Jan Schiffers (AfD), dass sich die Politik "auf traditionelle Familienbilder" besinnen müsse, also Vater-Mutter-Kind statt anderer Modelle, die Kinder "verstören" könnten.

Etwas ketzerisch kommt Robert Riedl daher, vom CSU-Koalitionspartner Freie Wähler. Der Freistaat sei "gut aufgestellt", sagt Riedl. Ob Bayern aber gleich "Familienland Nummer eins ist, kann ich nicht final beantworten".

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