Katholische Kirche:Ein Weihwasserspender mit Pedalantrieb

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Tobias Sturm aus Hemau hat den hygienischen Weihwasserspender erfunden. (Foto: Werner Berberich; Foottec)

Wegen der Ansteckungsgefahr sind Weihwasserbecken gerade leer, doch es gibt Abhilfe: Tobias Sturm hat einen hygienischen Spender erfunden. 25 Gemeinden in Bayern testen schon, als nächstes geht ein Exemplar nach Schweden.

Von Korbinian Eisenberger, Hemau

Das Neue Testament ist ihm vertraut. Aber dieses neue Testpatent? Pfarrer Adrian Latacz hat sich trotzdem zum Ausprobieren gemeldet. So ist seine Gemeinde St. Georg zur ersten Versuchspfarrei Bayerns geworden. Im oberpfälzischen Markt Painten stehen seit dem Pfingstfest zwei Weihwasserspender. Pfarrer Latacz hat sie an den Kirchenpforten aufgestellt. Per Fußpedal werden drei Tropfen aus dem Weihwasserhahn befördert, das reicht genau für ein Kreuzzeichen, sagt der Pfarrer. Er könnte den Hahn zwar weiter aufdrehen. "Dann besteht aber die Gefahr, dass zu viel Wasser in der Hand landet und die Gläubigen nicht wissen, wohin damit."

Der Griff ins Weihwasserbecken gehört in einer katholischen Kirche dazu wie das Amen und die Predigt. Wegen der viralen Ansteckungsgefahr sind die Weihwasserbecken aber seit Monaten leer. Diese Unpässlichkeit hat ein Oberpfälzer zum Geschäftsmodell gemacht. Seit zwei Wochen verkauft der 42-jährige Tobias Sturm aus Hemau sein Patent: Ein Weihwasserspender mit Pedalbetrieb, gut ein Meter hoch ist das Trumm, aus Edelstahl gefertigt und - so heißt es - hygienisch unbedenklich. Kostenpunkt pro Stück: 695 Euro, zuzüglich Versand. 25 bayerische Pfarrgemeinden hat Sturms Start-up bisher damit ausgestattet. Er sagt: "Ziel ist, dass ich irgendwann von den Erfindungen leben kann."

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Mitte Juni, Hemau im Landkreis Regensburg. Tobias Sturm steht im Blaumann in seiner Werkstatt und bastelt an den Zugseilen für die Druckpumpe, "die mache ich alle selber", sagt er. Per Videocall führt er durch sein Reich. Ein riesiger Raum, vollgestellt mit Schraubenkisten, Werkzeug und Metall. Sturm hat wenige Haare übrig, dafür ist sein Kopf reich an Ideen. Eine Eingebung von oben? Sein Großvater, erzählt er, der war von Beruf Erfinder. "Von dem hab ich mir das angeeignet."

Wie so viele bayerische Geschichten beginnt auch die des Erfinders Tobias Sturm auf einem Volksfest. Genauer: auf dem Klohäusl einer Fahnenweihe. Dort trat Sturm - von Beruf Pizzabäcker und Band-Frontmann - in die Fußstapfen seines Opas. Auslöser: Er beobachtete einen Mann, der von der Kloschüssel am Waschbecken vorbei pfeilgrad zum Würstelstand marschierte. "Der hat sich mit ungewaschenen Händen den Senf auf seine Bratwurstsemmel gepumpt", sagt Sturm. Also hat er vor fünf Jahren den patentierten Fußpedal-Spender erfunden. Zunächst für Senf und Desinfektionsmittel. Nun für geweihtes Wasser.

So banal das klingt, Tobias Sturm muss einen Nerv getroffen haben. Lokalzeitungen haben über ihn berichtet, und ein Fernsehteam war da. Seit einigen Tagen bietet er seinen Weihwasserspender nun im Onlinehandel an. Der erste Internetkunde: ein Priester aus der Nähe von Stockholm. Anruf in Eskilstuna, wo Pfarrer Otto Michael Schneider seit 20 Jahren den Gottesdienst leitet. Am Tag des heiligen Eskil erzählt der 60-Jährige, dass er ein versierter Internetnutzer sei und den Weihwasserspender im Netz entdeckt habe. "Die Leute vermissen das Bekreuzigen", sagt er. Im Jahr 1992 ist er vom Allgäu nach Schweden ausgewandert und betreut eine der kinderreichsten Pfarreien des Landes. "Masken trägt hier niemand", erzählt er, in Schweden gelten deutlich lockere Bestimmungen als in Bayern. Beim Weihwasser allerdings nicht. Noch ist die Bestellung aus der Oberpfalz nicht eingetroffen. "Es kann sein, dass die Kinder vielleicht zu viel damit spielen und Wasser verspritzen", sagt Pfarrer Schneider. Wenn der Spender aber gut ankommt, "dann bestell ich noch einen hinterher".

Aus dem Spender kommen nur ein paar Tropfen Weihwasser. (Foto: Werner Berberich; Foottec)

Wie nehmen Gläubige den Weihwasserspender an? Nachfrage in Painten bei Pfarrer Adrian Latacz, dessen Publikum älter ist als in Eskilstuna. Den Spieltrieb seiner Gemeinde haben die beiden Apparate jedenfalls nicht angeregt. "Die Leute sind dankbar darum", sagt er. Wahrscheinlich, so schätzt Latacz, werde er die Weihwasserspender stehen lassen, wenn die Krise überwunden ist. Weil seine Pfarrei die Testgemeinde ist, hat er den Erfinder bisher nicht bezahlen müssen. Wahrscheinlich wird er die Rechnung irgendwann begleichen. Adrian Latacz und Tobias Sturm - ein Gläubiger und sein Gläubiger.

Das Bekreuzigen mit Weihwasser soll an die Taufe erinnern. An - wenn man so will - gute alte Zeiten. Bei den Taufen, sagt Pfarrer Adrian Latacz, da funktioniere es bei ihm weiter wie einst vor Corona. Ohne den Apparat aus der Oberpfalz. Auch jetzt träufelt der Pfarrer dem Kind das Wasser vom Kännchen auf die Stirn - und von da fließt das Weihwasser in ein gutes altes Steinbecken.

© SZ vom 17.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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