Wer an diesem Montag um 6.56 Uhr am Bahnhof Mühldorf auf der richtigen Höhe des Bahnsteigs von Gleis 7 wartet, hat gute Chancen. Also rein in den Doppelstockwagen, rauf in den Entspannungsbereich und schnell auf einen der beiden schräg vor die große Glasscheibe geschraubten Panoramasessel, die den Fahrgast auch seitlich etwas abschirmen.
Und dann auf dem Weg in die Arbeit erst einmal die oberbayerische Hügellandschaft an sich vorbeiziehen lassen - gestört wohl nur von Leuten, die im Auftrag der DB wissen wollen, wie es sich denn da nun so sitzt. Denn von Montag an ist der neue "Ideenzug" der Südostbayernbahn unterwegs, als Pendler zwischen Mühldorf und München, genau wie die werktäglich fast 17 000 Bahnkunden auf der Strecke, die eine der bedeutendsten Pendlerstrecken der Bahn in Bayern ist.
Die DB will erklärtermaßen nah an ihren Kunden sein und hat sich deswegen schon seit 2017 immer wieder umgehört, was denn an Ausstattung in den Waggons gewünscht wäre. Darum, wann die Pünktlichkeitsquote bis Mühldorf die 80 Prozent wieder deutlicher übersteigen oder wann die anno 1871 eröffnete Bahnstrecke durch den Osten Oberbayerns endlich zweigleisig ausgebaut wird, ging es da weniger. Im Prinzip ist dieser Ausbau ja auch schon seit 150 Jahren in Planung, und weiter als heute war die Bahn damit schließlich noch nie. Mit dem Ausbau wird die Strecke irgendwann auch elektrifiziert werden, was bisher nur für 12,7 der insgesamt 420 Streckenkilometer der Südostbayernbahn zwischen München, Salzburg, Rosenheim und Passau der Fall ist.
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Einstweilen gibt es für die Bahnkunden aber schon mal den Ideenzug, der vorerst eigentlich nur ein Ideenwaggon ist, als einer von knapp 70 Doppelstockwagen der Südostbayernbahn. Außen und auch innen ist er überwiegend in gediegenem Grau gehalten. An Ausstattungsdetails haben die Designer aus den Wünschen der Kunden Elemente destilliert wie eine Eckbank, komfortablere Rückenlehnen, Ablagetischchen, USB-Ladebuchsen, ein Familienabteil, großzügigere Stauräume, zwei gesellige "Stammtische" in Tresenhöhe mit erhöhter Sitzposition und Wlan in 5G-Qualität. In der ersten Klasse gibt es zudem elektronisch verstellbare Sitze und vier abgetrennte Kabinen mit eingelassenen 27-Zoll-Monitoren für mobile Laptop-Arbeiter.
Die Technik scheint zu funktionieren, denn der DB-Konzernbeauftragte für Bayern, Klaus-Dieter Josel, hat nach eigenen Angaben am Freitagfrüh vor der Präsentation des Ideenzugs am Münchner Hauptbahnhof in einem solchen Abteil noch an einer Videokonferenz teilgenommen. Die Monitoranzeige beim Einstieg, wo noch freie Sitzplätze zu finden sind, wäre auch betriebsbereit, doch die Überwachung des Waggons mit Kameras, auf der das Ganze basiert, muss erst noch mit den amtlichen Datenschützern und interessierten Kollateralnutzern wie der Bundespolizei abgestimmt werden. Eine morgendliche Trainingseinheit am Spinning-Rad in einer Sportkabine wird es dagegen sicher nicht geben. Denn am Ende haben es nicht alle Ideen in den Zug geschafft, der bereits 2022 auf der Fachmesse Inno-Trans in Berlin vorgestellt worden war.
Die Entwicklung wurde von der staatlichen Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) mit angeschoben und vom Freistaat mit 1,5 Millionen Euro kofinanziert. Für BEG-Chef Thomas Prechtl soll der Ideenzug nun keine bloße Idee bleiben. "Er gehört auf die Schiene, und zwar am besten in der Fläche", sagte Prechtl, dessen Gesellschaft im Auftrag des Freistaats den Nahverkehr auf der Schiene bestellt.
Der Ideenzug mache das Bahnfahren noch attraktiver und setze da neue Maßstäbe, erklärte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU), und die im DB-Vorstand fürs Regionale zuständige Evelyn Palla erkennt im Ideenzug schon "die Zukunft des Regionalverkehrs auf der Schiene". Welche einzelnen Elemente bis 2026 eine großflächigere bis bundesweite Zukunft haben werden, hängt nun auch von der Akzeptanz bei den Fahrgästen der Südostbayernbahn ab.