Verkehrspolitik:Ärger in vollen Zügen

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Ein Ausflug mit Zug und Rad ist für viele Fahrgäste attraktiv. Auf manchen Strecke werden sie mangels Kapazität aber oft gar nicht mehr mitgenommen. (Foto: Sebastian Gabriel)

In Bayern sollen Bahnfahrer bald für einen Euro ihr Rad mit in den Zug nehmen können. Doch die Eisenbahnunternehmen warnen vor einer absehbaren Überforderung und verlangen, zuerst die nötigen Kapazitäten zu schaffen.

Von Matthias Köpf, Holzkirchen

Bei der Bayerischen Regiobahn haben sie das alles schon erlebt. Vor sieben Jahren zum Beispiel, an einem Samstagabend, Hochsommer, bestes Ausflugswetter. Der Zug, der die Ausflügler zurück nach München bringen sollte, war vorher schon überfüllt. Doch als in Gmund am Tegernsee weitere Fahrgäste zusteigen und ihre Räder in die Waggons wuchten wollten, eskalierte die Lage. Es folgte ein längerer Polizeieinsatz, in dessen Verlauf die Polizeibeamten persönlich zahlreiche Räder aus dem Zug schaffen mussten, bis die Reise irgendwann weiterging. Die Bayerische Regiobahn (BRB) verfügt inzwischen über neue Züge, doch manche Sorgen sind die alten. Wie soll das werden, wenn in Bayern tatsächlich bald jeder Fahrgast für einen Euro sein Rad mit in den Zug nehmen kann? So hat es der Landtag im Juni beschlossen. Doch ob, wie und wann es klappen kann, ist offen.

Die BRB fordert nun jedenfalls Ausnahmen für bestimmte Zeiten und Strecken. Denn besonders an schönen Ausflugswochenenden und in der Urlaubszeit sei das steigende Fahrgastaufkommen nicht nur für Lokführer und Kundenbetreuer, sondern auch für die Fahrgäste selbst "eine enorme Herausforderung". Die BRB empfiehlt schon jetzt, am Wochenende oder bei schönem Wetter möglichst auf Räder im Zug zu verzichten, und befürchtet ausdrücklich, dass das vergünstigte Radticket "das Problem noch einmal deutlich verschlimmert".

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Man arbeite an Vorschlägen, wie man mit dem erwartbaren Ansturm umgehen könne, beteuert die BRB und fordert zugleich, die Gültigkeit des Ein-Euro-Fahrradtickets je nach Strecke und Tageszeit einzuschränken und die Einführung zu verschieben, bis genügend Transportkapazitäten für die vielen Fahrräder geschaffen seien. "Denn der eine Euro für einen unüberlegten Schnellschuss ist den Ärger nicht wert, den sich die Fahrgäste - ob mit oder ohne Fahrrad - auf vielen Strecken damit einhandeln werden."

Solchen Ärger kennt man auch bei der Deutschen Bahn. Aus ihrer Sicht ist der Fahrradtransport ebenfalls "mitunter eine Herausforderung" und je nach Zug, Strecke und Nachfrage schon jetzt "teilweise stark limitiert". Man könne die Fahrradmitnahme nicht bei jeder Fahrt garantieren, weil der Platz in den Zügen auch für Fahrgäste im Rollstuhl oder für Kinderwagen gebraucht werde. Zur Einführung des Tickets gebe es unter allen Beteiligten aktuell "einen intensiven Austausch", um alle offenen Fragen zu klären.

Ein offene Frage ist zum Beispiel, ob das vergünstigte Ticket schon zum nächsten Fahrplanwechsel im Dezember eingeführt wird, was die BRB befürchtet und mit ihrem öffentlichen Vorstoß verhindern will. Norbert Moy vom Fahrgastverband Pro Bahn zeigt sich in der Frage zwiegespalten. Im Grundsatz seien Zug und Rad "eine tolle Kombination", und das nicht nur für Ausflügler, sondern auch für viele Pendler und überhaupt für alle Reisenden, deren Start- und Ziel nicht direkt an einem Bahnhof liegen. Zugleich kann Moy die Bedenken der BRB durchaus nachvollziehen. "Man trägt da schon einen Konflikt in die Züge hinein", sagt der Oberbayern-Vorsitzende von Pro Bahn. Das Ganze sei "wieder so ein politischer Vorschlag, über den man nicht lange nachgedacht hat".

Aus einem Euro pro Tag ist inzwischen ein Euro pro Strecke geworden

Zwar soll das Mitnehmen von Fahrrädern nun nicht mehr einen Euro pro Tag kosten, wie sich die Ankündigungen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zunächst verstehen ließen. Doch auch ein Euro pro Einzelfahrt sei viel attraktiver sein als das bisherige Fahrrad-Tagesticket im Regionalverkehr für sechs Euro. Locke man so weitere Reisende mit Rädern an, ohne vorher die nötigen Kapazitäten geschaffen zu haben, so drohten Konflikte zwischen den Fahrgästen und mit dem Zugpersonal, befürchtet Moy. Statt des verkehrspolitisch richtigen Effekts stehe am Ende schlimmstenfalls "viel Frustration". Die Sache mit den Fahrrädern sei ohnehin ein saisonales Geschäft, von dem sich Moy erklärtermaßen gar nicht sicher ist, ob es die Betriebswirte in den jeweiligen Bahnunternehmen überhaupt als rentabel erachten.

Beim Bahnunternehmen Go-Ahead, das seinen Sitz für Bayern in Augsburg hat, kämpft man jedenfalls mit den gleichen Problemen wie bei der BRB und der DB. "Mehr Kapazitäten für Fahrräder können wir nicht schaffen - auch, weil Streckennetz und Bahnhöfe das gar nicht hergeben", teilt eine Sprecherin mit. Bei schönem Wetter stoße etwa auf den Strecken zum Bodensee längst an seine Grenzen. "Im Zweifelsfall müssen wir daher Fahrgäste mit Fahrrad bitten, den Zug zu verlassen, damit weitere Fahrgäste ohne Fahrrad noch in den Zug hineinpassen - das ist auch für uns sehr unschön, aber leider in solchen Situationen nicht anders möglich", heißt es von Go-Ahead. "Wir befürchten, dass hier ein günstigeres Fahrrad-Ticket diese Situationen noch zusätzlich verstärken wird." Bestimmte Strecke oder Zeiten auszuschließen, werde das Problem aber nur bedingt lösen: "Vor Ort gibt es dann Diskussionen und Ärger für alle."

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