Bahnhofsgastronomie:Was den Erfolg von Yorma's ausmacht

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Am Münchner Hauptbahnhof hat Yorma's gleich mehrere Filialen - in guter bis sehr guter Lage. (Foto: N/A)
  • 58 Filialen hat die Imbiss- und Mini-Supermarkt-Kette Yorma's an Bahnhöfen in ganz Deutschland. Täglich versorgen sich dort 150 000 Reisende mit Getränken, Snacks und Internetempfang.
  • Ihre Chefs halten sich gezielt aus der Öffentlichkeit fern.
  • Mit Gastronomie für Zugreisende hat 2016 nur die Deutsche Bahn mehr Umsatz gemacht als Yorma's.

Von Maximilian Gerl, Plattling

Egal an welchem Bahnhof in Bayern die Passagiere aussteigen: Das Logo mit dem großen Y ist meist schon da. Ein Yorma's. Eine Filiale in Blau-Gelb, halb Supermarkt, halb Imbiss. Hier gibt es, was Reisende brauchen, warme Mahlzeiten und ein langes Getränkeregal, dazu Knabbereien und Internetempfang. 25-mal in Bayern, 58-mal in Deutschland, 150 000 Kunden täglich. Wer Bahn fährt, stolpert irgendwann zwangsläufig bei Yorma's rein. Und weiß doch nicht, wo er ist.

So bekannt der Name ist, so geheimnisvoll gibt sich die Plattlinger Firma in der Öffentlichkeit. Ihre Chefs Yorma Eberl und Karl Kraft sind für Interviews selten zu sprechen. Auf eine Anfrage folgt eine höfliche Absage: Man fühle sich geehrt, vertrete jedoch die Philosophie, "medienwirksam möglichst hintergründig aufzutreten". Auf eine zweite Anfrage folgt nichts.

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Fast schon heimlich ist Yorma's zu einer einflussreichen Imbisskette aufgestiegen. In einer Studie des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga landet das Unternehmen auf Platz 35 unter Deutschlands größten Systemgastronomen. Im Bereich Verkehrsgastronomie kommt es sogar auf den zehnten Rang. Der Umsatz für 2016 wird in der Studie mit 83,5 Millionen Euro angegeben - drei Prozent mehr als 2015. Zum Vergleich: Auf Zugreisende hat sich in den Top Ten nur ein weiteres Unternehmen spezialisiert, die Deutsche Bahn. Sie machte 2016 geschätzt 102 Millionen Euro Umsatz mit Gastronomie.

Zu dem Wenigen, das Yorma's bereitwillig mitteilt, gehört die Firmengeschichte. Die lässt sich auf der Website nachlesen. Demnach übernimmt Eberl 1985 die Bahnhofsgaststätte in Plattling. 1989 trifft er auf Kraft, zusammen erfinden sie das "Yorma's-Konzept". In rascher Folge expandieren sie an andere Bahnhöfe. Wer weiterklickt, stößt noch auf ein Stellenportal und ein soziales Projekt in Nepal.

Anderswo muss die Imbisskette mitteilsamer sein. Als Aktiengesellschaft unterliegt sie der Publizitätspflicht. Der Jahresabschluss für 2016 ist im Bundesanzeiger noch nicht abrufbar, der für 2015 aufschlussreich. Darin wird das "Yorma's-Konzept" beschrieben als der "Verkauf von Sandwiches unterschiedlichster Art, diversen Heiß-Theken-Gerichten, Obst, Gebäck und Kaffee in verschiedenen Zubereitungen". Außerdem gebe es Getränke, Süßwaren und Snacks. "Dies alles in einer Form, die dem in Eile befindlichen Bahnkunden gerecht wird, der die Produkte nicht vor Ort verzehren will." Etwa 80 Prozent davon sei Stammkundschaft.

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Das "Yorma's-Konzept" könnte man auch als Spagat zwischen Preis, Angebot und Warenumschlag beschreiben. In einem ihrer seltenen Interviews erzählten Eberl und Kraft, wie sie damals den Plattlinger Imbiss um einen Mini-Supermarkt erweiterten. Bald machten die vier Quadratmeter Regal mehr Umsatz als der restliche Laden. Kraft sagte: "Unser Lieblingsstandort ist zwischen einem McDonald's und einem Bäcker. Wir erwarten zwar nicht, dass der Kunde täglich bei uns kauft - aber er kauft bei uns." Das war 2006.

Yorma's bemüht sich darum, Angebote zu machen, die auch Bahnfahrer mit kleinem Geldbeutel kaum ablehnen können. Oder wie Eberl in jenem Interview sagte: "Wir sind Profiteure der Wirtschaftskrise." Ein Salami-Baguette kostet bei Yorma's 1,20 Euro. Das ist relativ günstig. Die niedrigen Preise dürften wahrscheinlich dazu führen, dass pro verkauftem Baguette weniger Marge bei Yorma's hängen bleibt als bei der Konkurrenz. Dafür dürften mehr Baguettes verkauft werden.

Wie der Spagat zwischen Preis, Angebot und Umschlag im Detail funktioniert, darüber schweigt Yorma's im Jahresbericht. Bei der Qualität der Produkte lässt sich vermutlich wenig sparen, die muss zumindest ordentlich sein, um die Kundschaft zu halten. Im Geschäftsbericht 2015 steht, der Wareneinkauf erfolge "hauptsächlich bei Branchenführern". Frischwaren wie Obst und Gemüse sowie "lokale Spezialitäten werden bei Lieferanten vor Ort gekauft".

Auch über die Arbeitsbedingungen bei Yorma's ist wenig bekannt. Klaus Brinnig von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten in Niederbayern sagt: "Wir würden selbst gerne mehr wissen. Wir haben kaum Kontakte in den Laden." Traditionell haben es Gewerkschaften schwer, in der Gastronomie Fuß zu fassen. Die Branche ist für Aushilfen attraktiv, die Fluktuation unter den Beschäftigten meist recht hoch - das macht es schwer, eine Gewerkschaftsbasis aufzubauen.

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Wer in einen Yorma's kommt, hat oft den Eindruck, dass gerade viele Mitarbeiter im Einsatz sind. Was sinnvoll wäre: Damit der Warenumschlag hoch ist, müssen Kunden schnell bedient werden. Aber auch das lässt sich nicht prüfen. Einige Ex-Angestellte haben im Internet Erfahrungsberichte veröffentlicht. Aussagekräftig sind die nicht. Einer schreibt von netten, ein anderer von unfreundlichen Kollegen. Einem dritten gefällt die blaue Farbe der Arbeitskleidung nicht.

Im Netz finden sich außerdem Hinweise auf einen Gerichtsstreit, an dem Yorma's und die Supermarktkette Norma beteiligt gewesen sein sollen. Anscheinend ging es um die Frage, ob die Namen zu ähnlich klängen. Inzwischen scheint die Angelegenheit erledigt zu sein. Yorma oder auch Jorma ist übrigens ein finnischer Vorname - und Namenspatron Eberl Österreicher.

Wie es mit Yorma's weitergeht? Im Jahresbericht 2015 steht, man blicke der Zukunft optimistisch entgegen. Beteiligungen oder Übernahmen "von Unternehmen aus dem Lieferantenbereich sind denkbar und möglicherweise zielführend". 2006 sagte Kraft im Interview, der Umsatz solle bis 2010 an der 100-Millionen-Euro-Marke kratzen. Zumindest dieses Ziel wurde verfehlt. Auch aus der Überlegung, vielleicht in Nord- und Osteuropa zu investieren, wurde offenbar bislang nichts. Aber vielleicht haben die Plattlinger auch nur niemandem davon erzählt.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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