Unwetter in Bad Bayersoien:"In 15 Minuten hat sich die Welt komplett verändert"

Lesezeit: 3 min

Noch immer sind auf den meisten Hausdächern in Bad Bayersoien Planen zum Schutz vor Regen angebracht - das Bild zeigt die örtliche Touristeninformation. (Foto: Felix Hamann)

Am 26. August hat Sturm "Denis" aus Bad Bayersoien ein Trümmerfeld gemacht. 384 Häuser und Tausende Autos sind teils zertrümmert worden - die Schadenssumme liegt bei fast 200 Millionen Euro.

Von Felix Hamann

Durchaus mit Stolz präsentiert sich die Gemeinde Bad Bayersoien auf ihrer Homepage "am Tor zu den Ammergauer Alpen und im Herzen des Pfaffenwinkels". Ein angefügtes Foto illustriert die bayerische Landschaft so, wie die Gemeinde vor dem 26. August aussah - vor dem heftigen Unwetter. Viel grün, der Bayersoiener See, bunt gestreut die kleinen Landhäuschen. Doch so idyllisch wie auf dieser Aufnahme ist es nicht mehr. Heute sind viele Dachstühle unter Planen versteckt, während Baukräne die Landschaft säumen und Ziegelsteinpaletten am Bordstein warten.

Seitdem "Denis", ein schweres Unwetter mit Hagel, über die Gemeinde hinwegzogen ist, hat sich etwas verändert in dem kleinen Örtchen. Und egal wohin man auch geht und schaut, überall finden sich Spuren davon.

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Nicht weit von der Touristeninformation entfernt, auch dieses Dach ist unter einer türkisfarbenen Plane versteckt, befindet sich das Museum im Bierlinghaus. Das Gebäude stammt teilweise aus dem 14. Jahrhundert. Als der Hagel kam, mussten in Windeseile die geschichtsträchtigen Exponate umziehen, da half auch die Bürgermeisterin mit. "Es hat Tausende Stunden gedauert, erzählt Gisela Kieweg.

Es war gegen 14 Uhr, als der Deutsche Wetterdienst am 26. August mitteilte, dass es in Bayern ungemütlich werden könnte. Die Unwetterfront war da bereits auf dem Weg vom Alpenrand in den Südosten des Freistaates und nahm Kurs auf die rund 1300 Einwohner-Gemeinde im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Auch vor Hagel wurde gewarnt. Der Sturm zog über die Region und hinterließ ein Trümmerfeld aus Glassplittern, herausgebrochenen Dachziegeln, zerbeulten Karosserien oder eingedrückten Grilldeckeln. Von den Folgen für die Natur gar nicht zu sprechen.

Bad Bayersoien ist, wie auch Benediktbeuern im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, wohl am stärksten von diesem Unwetter betroffen. "Um 15.45 verdunkelte sich der Himmel, in 15 Minuten hat sich die Welt komplett verändert", erinnert sich Kieweg. Als die Hagelkörner auf den Boden prallen, zerbersten Scheiben und die Grasoberfläche sieht aus wie ein Golfplatz, nur mit tausend Löchern. "Als erstes dachte ich daran, dass hoffentlich keine Personen durch die faustgroßen Hagelkörner schwerer verletzt wurden", erzählt sie. Doch auch um die geschädigten Hauseigentümer sorgt sie sich, schließlich ist der entstandene Schaden immens.

Birgit Klöck ist gegen den Hagelschaden nicht versichert gewesen, so wie ungefähr ein Drittel der Einwohner von Bad Bayersoien. Umso dankbarer ist sie für die Hilfe, die sie von Freunden, Bekannten oder auch hilfsbereiten Fremden gleich nach dem Unwetter bekam. (Foto: Felix Hamann)

384 Häuser im Dorf sind beschädigt, wobei nicht nur die Dächer betroffen sind. Insbesondere in alten Gebäuden wurden die Böden durch eintretendes Wasser in Mitleidenschaft gezogen, erzählt sie. Sowohl das Dach als auch die dazugehörigen Fenster wurden bei ihr durch Hagel zerstört.

17 000 Schadensmeldungen gingen bisher bei der Versicherungskammer Bayern ein, erzählt Christian Krams, Leiter Konzern Schaden und Vorstandsmitglied der BavariaDirekt Versicherung AG. Bei vielen Meldungen handelt es sich um sogenannte Großschäden, heißt, die Schadenssumme liegt jenseits der 100 000 Euro-Marke. "Alleine davon haben wir über 430 Stück", sagt er. Und obwohl er so ziemlich alles schon in seinen 20 Jahren bei der Versicherungskammer gesehen hat, ein solches Ausmaß ist auch für ihn nicht alltäglich.

"Solche Stürme kommen zwar immer wieder vor, aber dennoch hat die Intensität in den vergangenen Jahren zugenommen", erzählt er. Annähernd die Ausmaße wie Tief Denis erreichte zuletzt das Pfingstunwetter 2019 im Westen von München, sagt er. Schnell sei ihm das bei der Ortsbesichtigung bewusst geworden.

"Wir haben am Montag alle verfügbaren Mitarbeiter in die Region geschickt", erzählt er. Die Gutachter seien schließlich die Straßen abgelaufen und hätten die Schäden dokumentiert. 4300 dieser Gutachteraufträge hat die Versicherung bereits bearbeitet, heißt im Klartext: die allermeisten. Neben den Gebäuden wurden auch zahlreiche Fahrzeuge beschädigt, 4500 an der Zahl, wobei sich nur bei den wenigsten eine Reparatur gelohnt habe. "Bei den Kfz haben wir in vielen Fällen Totalschäden", erzählt er.

Insgesamt rechnet die Versicherungskammer Bayern damit, dass der Schadenssumme nur bei diesem Ereignis bei bis zu 170 Millionen Euro liegen wird. 80 Prozent davon beziehen sich dabei auf die Schäden an den Gebäuden.

"Hagel ist eine Gefahr, die man nicht unterschätzen darf", betont Krams. Das seien Bälle aus Eis, die aus einer riesigen Höhen und damit einer erheblichen Geschwindigkeit herunterrasen. Das hält keine Autoscheibe und auch so mancher Dachziegel nicht aus. "Nur 81 Prozent der bayerischen Häuser sind gegen Sturm und Hagel versichert", warnt Krams. Das verwundere ihn, schließlich sei das Eigenheim für die allermeisten der größte Vermögenswert.

Doch was tun, wenn man nicht versichert ist? Birgit Klöck wohnt nicht weit vom Museum und kennt dieses Gefühl, denn wie etwa ein Drittel der Einwohner in der Gemeinde, ist auch sie nicht versichert gewesen. Auch bei ihr hat der Hagel das Dach stark beschädigt. Noch am Abend haben Freunde, Bekannte oder auch hilfsbereite Fremde eine Plane über das Dach gezogen. Manche hätten dafür sogar ihren Urlaub abgesagt, um ihr und ihrem Mann beizustehen. "Großen Dank, an alle!", sagt sie deshalb. Und auch wenn ihr die Geräusche bei Regen unheimlich seien, Trübsal blasen käme nicht in Frage. "Hilft ja nichts, man darf den Mut nicht verlieren."

Wie an den Tagen zuvor laufen die Reparaturen in Bad Bayersoien auf Hochtouren. Und es zeigen sich bereits erste Erfolge. So wurde mittlerweile fast die Hälfte der Wohngebäude, rund 40 Prozent, wieder eingedeckt. Die Bürgermeisterin ist zuversichtlich: "Das derzeit gute Wetter begünstigt die Arbeiten. Ich hoffe, dass noch vor dem Winter die Arbeiten an den Dächern größtenteils abgeschlossen werden können". Und trotzdem weiß auch sie, dass noch Monate vergehen werden, bevor alles wieder so wird, wie zuvor.

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