Prozess in München:Andrea Tandler bricht in Maskenaffäre ihr Schweigen

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Die Angeklagte Andrea Tandler muss mehrere Jahre ins Gefängnis. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

"Es ging mir niemals darum, zu betrügen", sagt die wegen Steuerhinterziehung angeklagte Unternehmerin zum Auftakt ihres Prozesses. In ihrer Aussage will sie auch ihr Bild in der Öffentlichkeit geraderücken.

Von Thomas Balbierer

Die wegen millionenschwerer Steuerhinterziehung angeklagte Unternehmerin Andrea Tandler hat sich am Mittwochvormittag erstmals persönlich zur Maskenaffäre geäußert. Zu Beginn des Strafprozesses vor dem Münchner Landgericht I wies Tandler, Tochter des einstigen CSU-Finanzministers und -Generalsekretärs Gerold Tandler, die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurück, 23,5 Millionen Euro aus der Vermittlung von Corona-Schutzausrüstung absichtlich falsch versteuert und dem Fiskus dadurch einen Schaden von 15,2 Millionen Euro zugefügt zu haben. "Es ging mir niemals darum, zu betrügen", sagte Tandler in einer ausführlichen und in Teilen emotionalen Stellungnahme vor Gericht. Sie sagte, dass der Beginn der Corona-Pandemie eine "hektische Zeit" gewesen sei und "Fehler passiert sein können".

Die Staatsanwaltschaft wirft der Münchner PR-Unternehmerin vor, sich durch Steuerhinterziehung bewusst bereichert zu haben. Tandler hatte von Februar 2020 an Verträge zwischen dem Schweizer Unternehmen Emix Trading GmbH und Gesundheitsministerien in Bund und Ländern eingefädelt. Sie erhielt dafür zusammen mit ihrem Partner Darius N. Provisionen von insgesamt 48,4 Millionen Euro. Dabei nutzte sie auch ihre Kontakte zu CSU-Politikerinnen wie der Europaabgeordneten Monika Hohlmeier. Die Tochter von CSU-Übervater Franz Josef Strauß ist eine Jugendfreundin Tandlers und öffnete ihr Türen zu den Gesundheitsministerien im Bund und in Bayern - Geld soll sie dafür nicht erhalten haben.

Neben Tandler ist auch der Münchner Gastronom Darius N. angeklagt. Er soll laut Anklage als Tandlers Lebensgefährte bei der Steuerhinterziehung teils mitgewirkt, teils geholfen haben. Beide sitzen seit dem 24. Januar 2023 in Untersuchungshaft.

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Zu Beginn ihrer Äußerung ging die Angeklagte auf das Bild ein, das aus ihrer Sicht in der Öffentlichkeit von ihr gezeichnet werde: "Da sitzt sie, die Tochter eines CSU-Amigos." Tandler betonte, dass sie weder Mitglied der CSU sei noch politisch aktiv. "Ich wurde in die Familie des ehemaligen CSU-Generalsekretärs hineingeboren", sagte Tandler. "Aber dafür kann ich nichts." Der Eindruck, dass da eine Politikertochter, die noch nie gearbeitet habe, den Staat in einer Krisensituation abzocke, sei falsch. Die 40-Jährige sei ihr Leben lang gewohnt gewesen, zu arbeiten - zum Beispiel als Bedienung auf dem Oktoberfest. Mit einer Werbeagentur habe sie sich nach dem Studium selbständig gemacht und sich dabei nie auf die Hilfe ihres Politikervaters gestützt. Ihr sei nicht klar gewesen, "dass der Name Tandler wertvoll sein könnte", sagte sie in Bezug auf die Maskendeals.

Zweifel daran weckt eine Chatnachricht, die das Gericht am Mittwochnachmittag zeigte. In einer Nachricht an einen Geschäftspartner wies Tandler ausdrücklich auf den politischen Hintergrund ihres Vaters hin - und zog den Schluss, dadurch "glaubhaft" als Vermittlerin auftreten zu können.

Sie pflege eine "Freundschaft mit Herrn N.", zudem seien sie "Geschäftspartner fürs Leben"

Tandler widersprach auch der Annahme der Staatsanwaltschaft, dass sie und der Mitangeklagte Darius N. ein Paar seien - auch wenn sie ihn in Chats als Lebenspartner bezeichnet hat. "Weil er eine wichtige Person in meinem Leben war." Sie pflege eine "Freundschaft mit Herrn N.", zudem seien sie "Geschäftspartner fürs Leben". Das ist deshalb relevant, weil die Staatsanwaltschaft Tandler unter anderem vorwirft, N. die Hälfte der Corona-Einnahmen übertragen und dabei die Schenkungsteuer hinterzogen zu haben. N. arbeitete vor der U-Haft als Gastronom und betrieb zwei Lokale in München.

Die Anklagebehörde geht davon aus, dass Tandler die Maskendeals als Einzelunternehmerin eingefädelt habe und dadurch höhere Steuern hätte zahlen müssen. Tandler erklärte hingegen, sie habe alle Geschäfte stets gemeinsam mit Darius N. organisiert. "Meiner Meinung nach hatte er sich die Hälfte verdient", sagte Tandler.

In einer von seiner Verteidigung verlesenen Stellungnahme gab auch Darius N. an, von Anfang an in die Geschäfte eingebunden gewesen zu sein - und eigene Kontakte eingebracht zu haben, zum Beispiel Ärzte aus der Stammkundschaft seiner Restaurants. Verträge kamen dabei aber nicht zustande. Auch N. erklärte, niemals eine Liebesbeziehung zu Tandler gehabt zu haben.

Kurz darauf konfrontierte die Vorsitzende Richterin Andrea Wagner das Duo mit Chatverläufen. "Hab dich unendlich lieb", schrieb Tandler zum Beispiel im Januar 2020 an N. Oder: "Lieb Dich so". Und: "Du bist mir wichtiger als alles andere." Zudem ging die Richterin darauf ein, dass ein Steuerfahnder bei einer Durchsuchung in Tandlers Keller ein handgeschriebenes Testament gefunden habe. Einem Vermerk zufolge hatte Tandler "ihren Partner Darius N. zum Alleinerben eingesetzt". Tandler wies diesen Vorgang empört zurück und rief: "Niemals hätte ich ihm mein ganzes Vermögen vererbt." Die Frage nach der Beziehung der beiden ist für das Gericht eine der zentralen Fragen, um die millionenschweren Geldgeschäfte des Duos rechtlich zu bewerten.

"Wir nehmen immer noch von allem alles...!"

Tandlers Aussage war die erste öffentliche Stellungnahme zu dem Fall, der Anfang 2021 öffentlich geworden war. Damals war nur nach und nach ans Licht gekommen, welches Ausmaß die Maskengeschäfte hatten. So fädelte Tandler von Februar 2020 an Geschäfte zwischen ihrem Schweizer Auftraggeber Emix und den Gesundheitsministerien in Bund, Bayern und Nordrhein-Westfalen ein. Emix rief damals satte Preise von bis zu 8,90 Euro pro FFP2-Maske auf - was selbst während der akuten Maskennot zu Beginn der Pandemie ziemlich teuer war. Insgesamt 700 Millionen Euro hat Emix so erlöst, an Tandler und deren Partner flossen Provisionen von fast 50 Millionen Euro.

Der Bedarf an Corona-Schutzausrüstung war in den Regierungen zu Beginn der Pandemie so riesig, dass die Hersteller mit der Produktion kaum hinterherkamen. Wie Tandler am Mittwoch aussagte, habe ihr Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in einer E-Mail am 8. März geschrieben: "Wir nehmen immer noch von allem alles...!" Um ausreichend Masken, Einmalhandschuhe und Schutzanzüge zu vermitteln, hätten sie und N. "rund um die Uhr bis zur absoluten Erschöpfung" gearbeitet, sagte Tandler.

Nicht die Corona-Deals per se sind das Problem

Es sind nicht die Corona-Deals per se, die Tandler und N. Anfang des Jahres in Untersuchungshaft und nun auf die Anklagebank gebracht haben. Auch andere, prominentere Figuren haben sich an Maskengeschäften bereichert, etwa der frühere CSU-Justizminister Alfred Sauter oder der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein - strafrechtliche Konsequenzen gab es für sie nicht. Juristisch relevant ist allein Tandlers Umgang mit all den Millionen: Die Staatsanwaltschaft München I wirft der Unternehmerin in ihrer Anklage vor, ihre Millionenprovisionen absichtlich falsch versteuert zu haben.

Unter anderem soll die 40-Jährige die Provisionen statt als Einzelunternehmerin über eine erst am 6. April 2020 zusammen mit Darius N. gegründete GmbH versteuert haben, um eine höhere Einkommensteuer zu umgehen. Hinzu kommt der Verdacht von Schenkungssteuerhinterziehung und Gewerbesteuerhinterziehung: Tandler soll ihre Einnahmen über einen Scheinfirmensitz im Münchner Vorort Grünwald abgerechnet haben, obwohl sie ihre Geschäfte laut den Ermittlern von München aus abgewickelt habe. In Grünwald ist der Gewerbesteuersatz nur halb so hoch.

Die Angeklagte widersprach der Behauptung, dass Grünwald nur ein Scheinsitz zur Steuervermeidung gewesen sei. N. und sie hätten an einem beruflichen Neustart gearbeitet, "dies sollte von Grünwald aus geschehen". Sie hätten sich einen Ort gewünscht, an dem sie "allein und in Ruhe arbeiten" können. Dass sie dann ausgerechnet ein 15-Quadratmeter-Büro auswählten, das laut Anklage parallel von mehr als 20 anderen Gesellschaften angemietet worden war, begründete Tandler als "Übergangslösung". Die Frage, warum sie ihre Corona-Geschäfte allerdings von München aus abwickelte, will sie zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens beantworten.

Tandler kassierte 9000 Euro Corona-Hilfen - und zahlte das Geld erst ein Jahr später zurück

Neben den Vorwürfen der Steuerhinterziehung muss sich die Unternehmerin in dem Münchner Prozess wegen eines weiteren Delikts verantworten: Tandler hat im Frühjahr 2020 für ihre Werbeagentur 9000 Euro Corona-Hilfen vom Staat beantragt und erhalten, wegen Liquiditätsengpässen. Zwar zahlte die Unternehmerin das Geld nach einem Jahr zurück, die Staatsanwaltschaft wertet ihr Verhalten dennoch als Subventionsbetrug.

In ihrer Aussage räumte Tandler am Mittwoch ein, das Geld zu spät zurückgezahlt zu haben, "das tut mir leid". Sie wies darauf hin, dass ihre Agentur durch den Wegfall sämtlicher Aufträge zu Beginn der Pandemie in einer "katastrophalen" Situation gewesen sei. Sie habe nicht gewusst, ob und wann die Emix-Provisionen kommen würden. Einen Monat nach Tandlers Beantragung der Corona-Hilfe gingen 14 Millionen Euro auf ihrem Konto ein - die Rückzahlung erfolgte nach den ersten Medienberichten über ihre Rolle in den Corona-Deals. "Mit dem Wissen von heute hätte ich diesen Antrag nicht gestellt", sagte sie.

Der Fall Tandler war auch vor einem Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtages behandelt worden, gemeinsam mit weiteren Maskendeals. Bei ihrem Auftritt vor Abgeordneten, den sie zuvor zweimal wegen Erkrankung abgesagt hatte, verweigerte sie im Juli 2022 die Aussage. Für viele Beobachter blieb die Frau ein Rätsel.

Zum Prozessauftakt am Mittwoch sagte Tandler, sie wolle nun für Transparenz sorgen und keine Frage unbeantwortet lassen. Es gebe "absolut nichts, was ich zu verbergen habe".

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Andrea Tandler muss sich vom 4. Oktober an vor Gericht verantworten - nicht, weil sie in der Corona-Pandemie hohe Provisionen für Maskendeals kassierte. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr aber vor, dabei 23,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben.

Von Klaus Ott, Annette Ramelsberger

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