Geldanlage:Kirchen fürchten EU-Regeln zu Nachhaltigkeit

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In einem Krankenhaus der Diakonie: Kirchen und Sozialunternehmen befürchten, dass künftig weniger Fördermittel und Anlegergeld in solche Einrichtungen fließen. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Die Kommission legt fest, was ökologisch ist, und macht es Anlegern damit leicht, in grüne Projekte zu investieren. Doch was ist mit sozialen Aktivitäten?

Von Björn Finke, Brüssel

Der bittere Streit um die grüne Taxonomie der EU nähert sich gerade der Entscheidung, da fordern Vertreter von Kirchen und Sozialwirtschaft in Deutschland schon eine brisante Erweiterung: eine soziale Taxonomie. Die grüne Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem dafür, welche wirtschaftlichen Aktivitäten klima- und umweltfreundlich sind. Das soll Greenwashing unterbinden, also die Unsitte, dass Firmen oder Investmentfonds sich als ökologischer verkaufen, als sie es wirklich sind. Ärger wie nun bei der Fondsgesellschaft DWS soll vermieden werden. Die EU-Kommission hofft, so das Vertrauen in nachhaltige Finanzprodukte zu erhöhen und mehr Anlegergeld anzulocken.

Allerdings zog die Behörde viel Unmut auf sich, als sie im Februar festlegte, dass unter gewissen Umständen auch Investitionen in Atom- und Gaskraftwerke als nachhaltig gelten sollen. Aktien der Betreiberfirmen könnten sich daher von 2023 an in Ökofonds finden. An diesem Dienstag stimmen Ausschüsse des EU-Parlaments darüber ab, ob sie diesen Taxonomie-Beschluss blockieren wollen - das endgültige Votum steht in drei Wochen im Plenum an.

Diese Querelen halten die Bank für Kirche und Diakonie nicht davon ab, rasch die Einführung einer sozialen Taxonomie zu verlangen: Die Kommission möge doch analog zum grünen Kriterienkatalog auch bestimmen, welche wirtschaftlichen Aktivitäten sozial sind, also das Wohlergehen der Menschen und Gemeinschaften mehren.

Die Bank mit Sitz in Dortmund versorgt evangelische Sozialeinrichtungen und Hilfsorganisationen mit Geld, etwa die Diakonie. Das Institut hat jetzt einen offenen Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geschickt, mit Unterstützung kirchlicher Gruppen.

Darin heißt es, ohne soziale Taxonomie drohten "perspektivisch erschwerte Finanzierungsbedingungen für die Sozialwirtschaft". Die Sorge: Wenn die EU klar regelt, was grün ist, nicht aber, was sozial ist, könnten Anleger, die nachhaltig investieren wollen, ihr Geld lieber in Öko-Fonds und -Anleihen stecken als in Fonds, die soziale Aktivitäten finanzieren. "Wir sehen da eine große Gefahr", sagte Vorstandschef Ekkehard Thiesler der Süddeutschen Zeitung. "Klimaschutz ist uns sehr, sehr wichtig, doch die soziale Seite sollte nicht vergessen werden."

Die Kommission ziert sich bislang

Thiesler befürchtet zudem, dass sich auch staatliche Förderbanken wie die KfW an der EU-Taxonomie orientieren und daher Mittel umschichten würden, weg von sozialen hin zu grünen Aktivitäten: "Dann gehen die ganzen Förderkredite in den Klimaschutz, weil die Taxonomie dies als nachhaltig bewertet." Solche Umschichtungen beobachte er jetzt schon, "und wir haben Angst, dass das noch stärker der Fall sein wird, wenn keine soziale Taxonomie kommt".

Tatsächlich hat eine EU-Expertengruppe vor dreieinhalb Monaten einen 84-seitigen Bericht präsentiert, wie eine soziale Taxonomie in Ergänzung zur grünen aussehen könnte. Demnach soll das Klassifizierungssystem bewerten, wie Unternehmen zu drei Zielen beitragen: gute Arbeitsbedingungen für ihre Beschäftigten und die von Zulieferern, das Wohlergehen der Kunden und Produktnutzer sowie eine integrative Gesellschaft.

Daneben sollen bestimmte Waren als sozial schädlich definiert werden, etwa Streubomben. Deren Hersteller könnten keinesfalls als sozial nachhaltig gelten und Sozial-Anleihen herausgeben, selbst wenn sie ihre Arbeiter wie Könige behandeln würden und Hauptsponsor des örtlichen Rollstuhltennis-Vereins wären.

Wie nachhaltig sind Waffenfabriken?

Allerdings zeigt die EU-Kommission bisher keinerlei Interesse, wirklich die Einführung einer sozialen Taxonomie anzustoßen. Offenbar reicht der Behörde der zermürbende Disput um Kern- und Gaskraftwerke beim grünen Regelwerk. Auf Diskussionen darüber, was sozial nachhaltig ist, möchte Brüssel dann gerne verzichten, so scheint es.

Bankmanager Thiesler hält die Furcht vor ausufernden Debatten für übertrieben. Es gebe genug internationale Vereinbarungen zu sozialen Standards und Rechten, an denen sich die EU bei ihrer Taxonomie orientieren könne, sagt er: "Bei 95 Prozent der Themen ist man sich einig, bei fünf Prozent kann es Streit geben."

Zu diesen fünf Prozent würde wohl die Rolle der Rüstungsindustrie gehören. Der deutsche Branchenverband BDSV fordert bereits vorsorglich, dass eine soziale Taxonomie seine Mitglieder als nachhaltig einstufen müsse. Schließlich dienten die Produkte Frieden und Sicherheit. Viele Anleger dürften aber den Gedanken seltsam finden, dass Sozial-Anleihen Waffenfabriken finanzieren. Auch Bankchef Thiesler wäre dagegen, der Branche das begehrte Nachhaltigkeits-Logo zu verpassen: "Man weiß ja nicht, wo die produzierten Waffen eingesetzt werden - für die Verteidigung oder für den Angriff?"

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