Opel und General Motors:"Die Entscheidung ist eine Chance"

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Immer optimistisch bleiben: Der deutsche EU-Industriekommissar Günter Verheugen bewertet das Festhalten von General Motors an Opel nicht nur negativ. Doch die Angestellten sind entsetzt - und ziehen wütend vor die Werke.

Dramatischer Appell: Nach dem geplatzten Opel-Verkauf hat EU-Industriekommissar Günter Verheugen die Europäer zu einem gemeinsamen Vorgehen aufgerufen. "Die Entscheidung von GM für seine europäischen Standorte ist eine Chance", sagte Verheugen dem Hamburger Abendblatt.

Opel - und wie weiter? Am Donnerstag sind an allen vier Standorten Protestaktionen der Belegschaft geplant. Dieser Autofahrer zeigt schon einmal demonstrativ, was er von GM hält. die Aufnahme entstand nahe Rüsselsheim. (Foto: Foto: Reuters)

Alles, nur kein Bieterwettbewerb

Allerdings komme es jetzt darauf an, einen Bieterwettbewerb unter den EU-Staaten mit Opel-Standorten zu vermeiden. "Wenn jeder für sich mit Detroit verhandelt, werden sich die Amerikaner die besten Angebote aussuchen können. Ob das die wirtschaftlich tragfähigsten wären, steht in den Sternen." Verheugen richtete einen eindringlichen Appell an GM: "Ich erwarte vom neuen und alten Eigentümer, dass er seiner Verantwortung in Europa gerecht wird und seiner europäischen Tochter den notwendigen finanziellen und technischen Freiraum lässt."

Die Haltung der letzten Bundesregierung verdiene Respekt, lobte Verheugen. "Ohne die Bereitschaft der Deutschen, für GM Europa eine Übergangslösung zu finden und dafür Darlehen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, wären die europäischen GM-Standorte allesamt im Frühjahr in Insolvenz gegangen. Was daraus entstanden wäre, weiß niemand."

Die Rückzahlung der 1,5 Milliarden sei "ohne größere Probleme möglich". Verheugen räumte ein, dass die jetzige Situation ohne das Eingreifen der EU-Wettbewerbsbehörde nicht entstanden wäre, doch sei dieses nicht von ungefähr gekommen. "Die meisten EU-Länder mit GM-Standorten haben der deutschen Festlegung auf Magna sehr skeptisch gegenübergestanden und ökonomischen Nationalismus beklagt", sagte der EU-Kommissar.

Im Video: Die Beschäftigten von Opel wollen am Donnerstag aus Protest gegen den geplatzten Verkauf des Rüsselsheimer Autobauers zeitweise die Produktion lahmlegen.

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Tausende Beschäftigte auf der Straße

Indes wollen die deutschen Opel-Beschäftigten an diesem Donnerstag die Muskeln spielen lassen. An allen vier Standorten in Deutschland sind Protestaktionen geplant. Tausende Beschäftigte wollen gegen befürchtete Werkschließungen und massive Stellenstreichungen durch GM demonstrieren. Sie haben Angst vor harten Einschnitten, nachdem GM zwei Tage zuvor nach monatelangem Poker den Verkauf von Opel an den Autozulieferer Magna und russische Investoren abgeblasen hat.

In Deutschland arbeiten mehr als 25.000 Menschen für Opel. General Motors drohte am Mittwoch offen mit einer Insolvenz der europäischen Tochter, falls keine Einigung über die Sparmaßnahmen erreicht werde.

Über die Pläne des Mutterkonzerns ist bisher noch wenig bekannt. GM wolle rund 10.000 der insgesamt gut 50.000 Arbeitsplätze bei Opel in Europa streichen, sagte am Abend Vizepräsident John Smith. Das wären in etwa genauso viele wie Magna abbauen wollte. In Deutschland sollten nach Plänen des österreichisch-kanadischen Autozulieferers dabei mehr als 4000 Jobs wegfallen.

Entgegen der früheren GM-Planung, das Werk in Bochum zu schließen, könne es möglicherweise eine attraktive Lösung geben, sagte Smith weiter. Das sei aber noch nicht entschieden. GM will den Restrukturierungsplan, der auf einem früheren Konzept basiert, möglichst bald ausarbeiten und dann den europäischen Regierungen vorlegen.

Volle Konfrontation

Der Betriebsrat ging bereits auf Konfrontationskurs zum Mutterkonzern. Es werde keinen Beitrag der Beschäftigten zur Sanierung von Opel geben, sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz. Zudem verlangt der Betriebsrat die sofortige Auszahlung von gestundeten Tariferhöhungen.

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Der Autoexperte Stefan Bratzel, Professor an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach, warnte die Opel-Belegschaft, den Bogen mit den Protesten nicht zu überspannen. Die Betriebsräte müssen aufpassen, "dass sie das Tischtuch mit GM nicht vollständig zerschneiden", sagte er der Tageszeitung Die Welt.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU): "Dieses Verhalten von General Motors zeigt das hässliche Gesicht des Turbokapitalismus." (Foto: Foto: dpa)

Das Verhältnis zwischen der US-Konzernmutter und den Belegschaftsvertretern ist ohnehin schwierig. Opel-Betriebsratschef Franz hatte sich in den vergangenen Monaten eindeutig auf Magna als Investor festgelegt. Nach der GM-Entscheidung, die europäische Tochter doch nicht zu verkaufen, sprach er von "einem schwarzen Tag für Opel".

Bei deutschen Politikern war die GM-Entscheidung auf heftige Kritik gestoßen. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte: "Das Verhalten von General Motors ist völlig inakzeptabel sowohl den Arbeitnehmern als auch Deutschland gegenüber."

Geschlossen? Keine Hilfe!

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) ließ am Mittwochabend im ZDF seinem Zorn freien Lauf: "Was wir in den letzten Stunden erlebt haben, geht wirklich auf keine Kuhhaut." Nach der Drohung einer Insolvenz von Seiten General Motors, sei "irgendwo mal die Grenze erreicht". Rüttgers forderte GM auf, alle Opel-Werke in Deutschland zu erhalten. Dies sei eine Bedingung für mögliche Staatshilfen. Außerdem müsse der US-Autokonzern auf betriebsbedingte Kündigungen bei der deutschen Tochter verzichten und Stellen sozialverträglich abbauen. Diese Bedingungen seien nicht verhandelbar. GM müsse zudem ein Konzept vorlegen: "Dann erst kann man helfen."

Sollte das Bochumer Werk geschlossen werden, werde es zumindest von Nordrhein-Westfalen keine Hilfe geben, sagte Rüttgers im ZDF. "Es kann niemand von uns verlangen, dass wir auch noch dafür bezahlen, dass das Werk Bochum geschlossen wird und die Arbeitsplätze wegfallen."

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm kündigte für die kommenden Tage ein Gespräch der Bundesregierung mit der US-Regierung an. Berlin sei enttäuscht und verwundert über das Vorgehen von GM. Nach Wilhelms Worten machte GM deutlich, dass der Konzern selbst die finanzielle Verantwortung für Opel tragen könne.

Hingegen wurde der Beschluss in anderen europäischen Ländern mit Opel-Standorten wie Polen oder Großbritannien positiv aufgenommen. Dort war wegen der Staatshilfen aus Berlin befürchtet worden, Magna könne die lokalen Standorte gegenüber den deutschen benachteiligen.

Aus Sicht der EU-Kommission muss die Bundesregierung GM nicht automatisch die gleichen Staatshilfen anbieten wie dem Zulieferer Magna. "Das muss jetzt die deutsche Regierung entscheiden", sagte der Sprecher von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. "Wir können den Mitgliedstaaten nicht vorschreiben, Staatshilfen anzubieten. Wir können und werden Staatshilfen aber darauf abklopfen, ob sie den EU-Staatshilfe- und Binnenmarktregeln entsprechen."

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