Krim-Krise:Obama bezeichnet Moskau als schwach

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US-Präsident Barack Obama beim Atomgipfel im niederländischen Den Haag. (Foto: REUTERS)

US-Präsident Obama äußert sich zum Auftreten Moskaus gegenüber den kleineren Nachbarstaaten +++ Verhandlungen mit dem IWF über Finanzhilfe von 15 bis 20 Milliarden Dollar +++ Schwere Foltervorwürfe gegen prorussische Milizen auf der Krim +++

Die Entwicklungen im Newsblog

  • Obama bezeichnet Moskau als schwach
  • Kiew verhandelt mit IWF
  • Merkel kritisiert Russland
  • Menschenrechtler beklagen Folter-Fälle auf der Krim
  • Aufregung um Timoschenko-Äußerungen in mitgeschnittenem Telefonat
  • Putin will Austausch mit G7-Staaten beibehalten

Obama bezeichnet Moskau als schwach: Russland sei "eine Regionalmacht, die einige ihrer unmittelbaren Nachbarn bedroht", sagt US-Präsident Obama beim Atomgipfel in Den Haag. Das Verhalten Moskaus resultiere jedoch "nicht aus Stärke, sondern aus Schwäche". Mit dem "militärischen Vordringen" auf die Krim und der Abtrennung der Schwarzmeerhalbinsel von der Ukraine habe Moskau das Völkerrecht gebrochen. Dies zeige, dass Moskau inzwischen "weniger und nicht mehr Einfluss" habe. Den Krim-Anschluss an die Russische Föderation hält Obama für keine ausgemachte Sache. Die internationale Gemeinschaft habe diesen Schritt nicht anerkannt, sagt er. Die USA seien besorgt, dass Russland weiter in die Ukraine vordringen könnte. Es liege an Russland, die internationalen Normen zu respektieren, anderenfalls müsse es einen entsprechenden Preis zahlen, sagt Obama und droht mit weiteren Sanktionen.

Ukraine verhandelt mit IWF über Kredit: Die Regierung in Kiew erhofft sich vom Internationalen Währungsfonds (IWF) einen Kredit in Höhe von 15 bis 20 Milliarden Dollar. Die Ukraine erwartet einen Rückgang der Wirtschaftsleistung 2014 um drei Prozent nach einer Stagnation im vergangenen Jahr. Die japanische Regierung bietet dem vom Bankrott bedrohten Land unterdessen finanzielle Hilfen im Umfang von 150 Milliarden Yen (1,06 Milliarden Euro) an. Vorbedingung sei der Abschluss eines Abkommens zwischen der Ukraine und dem IWF über ein Reformprogramm, erklärt Kabinettssekretär Yoshihide Suga.

Merkel kritisiert Moskau: Bundeskanzlerin Angela Merkel verweist darauf, dass Russland in dem Budapester Memorandum von 1994 ebenso wie die USA und Großbritannien versprochen hatte, im Gegenzug für den ukrainischen Verzicht auf sowjetische Atomwaffen die Grenzen der Ukraine zu garantieren. Mit der Annexion der Krim erleichtert Russland nach Ansicht der Kanzlerin nicht den Verzicht von Ländern wie Iran oder Nordkorea auf Atomwaffen. "Es ist mit Sicherheit ein sehr schlechtes Beispiel", sagte Merkel beim Atomsicherheitsgipfel in Den Haag auf die Frage, was es bedeute, wenn Staaten für den Verzicht auf Atomwaffen nicht belohnt werden. "Die Tatsache, dass Russland als Staat, der sich für die Sicherheit der territorialen Integrität in ganz besonderer Weise der Ukraine gegenüber verpflichtet hat, diese territoriale Integrität jetzt so verletzt hat, ist sicherlich international ein sehr schlechtes Beispiel", sagte die Kanzlerin. "Ich hoffe nicht, dass das Schule macht. Aber die Gefahr ist da."

Human Rights Watch meldet Folter-Fälle auf der Krim: Zwei ukrainische Aktivisten sollen nach Angaben des Menschenrechtsexperten Hugh Williamson (Human Rights Watch) auf der Halbinsel Krim verschleppt und tagelang misshandelt worden sein. In einer Mitteilung klagt er an: "Seit Wochen dürfen irreguläre bewaffnete Einheiten auf der Halbinsel Amok laufen ohne offensichtliche legale Befugnis". Die beiden proukrainischen Aktivisten Andrej Schtschekun und Anatoli Kowalski sind nach eigenen Angaben am 9. März verschleppt und teilweise gefoltert worden. Danach seien sie der ukrainischen Militärpolizei übergeben worden. Die prorussischen Kräfte hätten ihnen aber zuvor Dokumente, Geld und Computer abgenommen. Von einem weiteren Fall berichtet die Internetzeitung Ukrainskaja Prawda: Demnach soll der Aktivist Juri Schewtschenko von Mitgliedern der moskautreuen Bürgerwehr gequält worden sein.

Wirbel um mitgeschnittenes Telefonat von Timoschenko: Die ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko gerät wegen eines mitgeschnittenen Telefonats in Erklärungsnot. Darin geht sie unter anderem Russlands Führung hart an. Timoschenko bestätigt die Authentizität veröffentlichter Gesprächspassagen, in denen sie offenkundig über die Ermordung des russischen Präsidenten Wladimir Putin fantasiert, ohne ihn namentlich zu nennen: Sie sei "bereit, eine Maschinenpistole zu nehmen und diesem Dreckskerl eine Kugel in den Kopf zu schießen", heißt es in dem Mitschnitt eines Telefonats mit einem ukrainischen Abgeordneten, der auf YouTube online gestellt und vom russischen Staatsfernsehen verbreitet wird. Timoschenko entschuldigt sich zwar "für die Kraftausdrücke". Allerdings bezichtigt die Politikerin den russischen Inlandsgeheimdienst FSB, eine besonders drastische Gesprächspassage manipuliert zu haben: So habe sie keineswegs die Auslöschung der acht Millionen ethnischen Russen in der Ukraine mithilfe von Atomwaffen gefordert, sondern bloß klargestellt: "Russen in der Ukraine sind Ukrainer." Auch eine Pressesprecherin von Timoschenkos Vaterlands-Partei macht den FSB für die Veröffentlichung des Telefonats verantwortlich. Es ist nicht das erste dieser Art im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland, das heimlich mitgeschnitten und öffentlich gemacht wurde.

Russland hält an Kontakt mit G7-Staaten fest: Gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax verkündet der Pressesekretär des russischen Präsidenten, Putin wolle am Austausch mit den Staaten der G7 festhalten. Dimitrij Peskow wörtlich: "Manche Treffen wurden abgesagt. Andere sind in einem größeren Rahmen abgehalten worden, weil sie die Beteiligung einer höheren Anzahl von Ländern auf Expertenlevel im Blick haben." Die Absage des im Juni geplanten G-8-Gipfels im russischen Sotschi durch die G7 bezeichnet der Kreml als "kontraproduktiv" bezeichnet. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärt laut russischen Nachrichtenagenturen, die Entscheidung, stattdessen im G-7-Format ohne Russland in Brüssel zu tagen, schade allen Beteiligten.

Ukrainischer Nationalist von Polizei erschossen: Ein Regionalchef der rechtsextremen ukrainischen Bewegung Rechter Sektor soll bei einem Schusswechsel mit der Polizei getötet worden sein. Er habe das Feuer auf die Beamten eröffnet, als diese ihn in der Westukraine festnehmen wollten, sagte der ukrainische Vize-Innenminister Wolodimir Jewdokimow der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine. Laut russischen und ukrainischen Medienberichten hatte Moskau den Nationalisten zur Fahndung ausgeschrieben, weil dieser in den 1990er Jahren in Tschetschenien russische Soldaten getötet haben soll. Der Rechte Sektor hatte sich in der vergangenen Woche mit anderen nationalistischen Bewegungen zu einer politischen Partei zusammengeschlossen. Ihr Anführer Dmytro Jarosch will als Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen im Mai antreten.

Ukraine fordert von UN, das Krim-Referendum für ungültig zu erklären: Die Ukraine legt Diplomatenkreisen zufolge den Vereinten Nationen einen Resolutionsentwurf vor, der das Referendum über den Anschluss der Krim an Russland für ungültig erklärt. Die UN-Vollversammlung wird sich voraussichtlich am Donnerstag mit dem Text befassen. Sollte sie die Resolution annehmen, würde das als politisches Signal an Russland gelten - praktische Auswirkungen hätte die Erklärung nicht. Unterdessen wird der ukrainische Verteidigungsminister Igor Tenjuch abgelöst. Nachfolger soll Michailo Kowal werden. Tenjuch hatte sein Amt wegen Kritik an seinem Umgang mit der Krim-Krise zur Verfügung gestellt. Der Interimsminister hatte am Montag den Rückzug aller ukrainischen Truppen von der Halbinsel angeordnet, nachdem russische Soldaten dort Militärstützpunkte gestürmt hatten.

Krim-Krise drückt die Stimmung der deutschen Wirtschaft: Im März sank der ifo-Geschäftsklimaindex von 111,3 Punkten auf 110,7 Punkte, wie das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut mitteilt. Laut ifo-Institut bewerten Unternehmer vor allem die Aussichten für das kommende halbe Jahr erheblich pessimistischer. Dies hänge vor allem mit der unsicheren Lage auf der Krim sowie der Krise in vielen Schwellenländern zusammen.

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© Süddeutsche.de/AFP/dpa/Reuters/ipfa/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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