Flüchtlinge:Thomas de Maizière - Minister für innere Unruhe

Thomas de Maizière

Ja, was denn nun? Innenminister de Maizière wird für die Union in der Flüchtlingskrise zum Problemfall.

(Foto: dpa)

Erst will er syrische Flüchtlinge abschrecken. Dann wieder nicht. Wieder und wieder irritiert Innenminister de Maizière mit Asyl-Äußerungen - und düpiert Parteikollegen.

Von Bastian Brinkmann

Thomas de Maizière entspricht dem Klischee eines deutschen Politikers: männlich, ergraut, in Westdeutschland geboren, christlich, hat Jura studiert. Er sieht sich als loyaler Staatsdiener, arbeitet im System für das System. Erst 1990 wird er vom Beamten zum Politiker, sagt er, da ging er als Staatssekretär nach Mecklenburg-Vorpommern. 2005 wird er Chef des Bundeskanzleramtes. 2009 Bundesinnenminister, 2011 Verteidigungsminister, 2013 geht er zurück ins Innenministerium.

Auch Besonnenheit gilt als eine Tugend des deutschen Politikers de Maizière. Zurückhaltend sollten sich Chefs äußern, sagte de Maizière einmal, bei seinem Abschied als Verteidigungsminister. "Gute Führung verlangt nach meiner Auffassung Lob und Tadel. Und beides selten."

Doch in der Flüchtlingsfrage sieht nun plötzlich alles anders aus. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) könnte die Lage als Zuständiger für Bundespolizei und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ruhig managen. Stattdessen fällt er seit Wochen immer wieder mit Wortmeldungen auf, die irritieren - und Streit in der Koalition provozieren.

Der Minister wundert sich über Flüchtlinge in Taxis

Da ist dieses Interview im Heute Journal Anfang Oktober. Drei Minuten redet er abgewogen über die Flüchtlinge, doch dann poltert er los. "Bis zum Sommer waren die Flüchtlinge dankbar, bei uns zu sein". Als wären "die Flüchtlinge" jetzt alle undankbar - und als wäre Dankbarkeit überhaupt eine Voraussetzung, um Asyl zu bekommen. So etwas sieht auch das neue Asylgesetz nicht vor.

Erstaunlicher noch: De Maizière wundert sich, dass Flüchtlinge Ersparnisse aufbrauchen. "Sie bestellen ein Taxi, haben erstaunlicherweise das Geld, um Hunderte Kilometer durch Deutschland zu fahren", sagt de Maizière. Dabei ist offensichtlich, dass eine Flucht aus Syrien Geld kostet, sehr viel Geld. Schlepper halten an jeder Grenze die Hand auf, sie kassieren Tausende Euro - da sind ein paar Hundert Euro Taxikosten ein relativ geringer Posten. Zumal in Taxis weniger Polizeikontrollen stattfinden als in Zügen.

"Sie streiken, weil ihnen die Unterkunft nicht gefällt", fährt de Maizière fort. "Sie machen Ärger, weil ihnen das Essen nicht gefällt. Sie prügeln in Asylbewerbereinrichtungen. Das ist noch eine Minderheit. Aber wir müssen klar sagen: Wer hier nach Deutschland kommt, von dem erwarten wir eine Ankommenskultur." Erst Heute-Moderatorin Marietta Slomka bringt die Besonnenheit ins Gespräch zurück: "Die Prügeleien, die sie ansprechen, liegen ja auch daran, dass die Umstände dort wirklich schwierig sind", sagt sie. Die Zeit nannte de Maizière nach diesem Fernsehinterview einen "Wutbürger".

Haben 30 Prozent gefälschte Syrien-Pässe? Oder nur 0,012 Prozent?

Oder ein Interview, das de Maizière erst vor wenigen Tagen der Sächsische Zeitung gegeben hat. Die fragt ihn, wie es wegen der Flüchtlinge mit der Kriminalität aussieht. Der Minister sagt, sein Haus wisse das noch nicht. "Wir haben insgesamt noch kein klares Lagebild, das wollen wir jetzt ändern." Doch de Maizière möchte dann doch noch "einen ersten Eindruck" teilen, den manche als Fakt verstehen dürften: "Wo viele Flüchtlinge aus Syrien sind, gibt es allen vorliegenden Informationen nach keine erhöhte Kriminalität. Wo wir alleinstehende junge Männer aus bestimmten afrikanischen Staaten haben, ist das anders."

Schon im September ist der Minister mit problematischen Angaben aufgefallen. "Ungefähr 30 Prozent" der Flüchtlinge, die behaupteten aus Syrien zu kommen, stammten in Wahrheit aus einem anderen Land, sagte er. Doch die Behörden melden ganz andere Zahlen. Im ersten Halbjahr 2015 stellten mehr als 150 000 Flüchtlinge einen Erstantrag auf Asyl. Im selben Zeitraum stellte die Bundespolizei nur 18 Menschen fest, die einen syrischen Pass vorwiesen, obwohl sie nicht Syrer waren. Das sind 0,012 Prozent.

De Maizières Äußerung sei ein "grober Schätzwert" gewesen, basierend auf Wahrnehmungen nationaler und internationaler Behörden, hatte ein Sprecher des Ministeriums gesagt.

De Maizière sorgt für Streit in der großen Koalition

Anfang Oktober entschied Kanzlerin Angela Merkel (CDU), de Maizière in der Flüchtlingsfrage zu schwächen. Zuvor hatte de Maizière mit seinen Vorstößen für ein verschärftes Asylrecht für Streit in der großen Koalition gesorgt. Die Flüchtlingspolitik steuert seit Merkels Eingreifen ihr Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU). Eigentlich. Doch de Maizière macht weiter.

Am Freitagabend teilte er einer erstaunten Öffentlichkeit mit, dass Deutschland nun auch besonders schutzbedürftigen Syrern das Leben schwerer machen und sie abschrecken möchte. "Sicherheit nur für einen Aufenthalt für eine begrenzte Zeit - das werden wir in Zukunft mit den Syrern auch tun", sagte der Minister dem Deutschlandfunk. Man sage syrischen Flüchtlingen künftig: "Ihr bekommt Schutz, aber den sogenannten subsidären Schutz, also zeitlich begrenzt und ohne Familiennachzug."

Der offiziell Verantwortliche im Kanzleramt, Altmaier, soll nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erst durch einen Anruf von SPD-Chef Sigmar Gabriel von dem Vorstoß erfahren haben. Gabriel, so die Zeitung, habe Altmaier gewarnt, dass de Maizières Alleingang die Vereinbarung gefährde, die kurz zuvor Kanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und Gabriel selbst getroffen hatten, um der Flüchtlingskrise Herr zu werden. Maximal peinlich, so ein Rüffel vom Koalitionspartner.

Härtere Regeln - oder doch nicht?

Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden von de Maizières Plan hatten Altmaier und Merkel-Sprecher Steffen Seibert öffentlich dementiert. Sie verwiesen auf eine Pressemitteilung aus dem Innenministerium, die zuvor verschickt worden war (die sich übrigens nicht auf der Internetseite des Hauses findet). In der Mitteilung widerspricht sich de Maizière selbst. "Es bleibt bei der bisherigen Praxis. Alle Änderungen werden zuvor in der Koalition besprochen." Zwar habe er das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Anfang der Woche angewiesen, den Familiennachzug für Syrer einzuschränken. Doch nachdem sich CDU, CSU und SPD am Donnerstag auf den umfassenden Asylkompromiss geeinigt haben, müsse man darüber noch mal reden.

Vielleicht könnten de Maizières Flüchtlingskommentare gleich mit auf die Tagesordnung.

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