Rechte Parteien:Was die AfD mit den Republikanern gemeinsam hat

Republikaner-Demo auf dem Muenchner Marienplatz

Vermeintlich Verfolgte: Anhänger der Republikaner im Jahr 2000 auf dem Münchner Marienplatz.

(Foto: ddp images/Johannes Simon)

Vor 25 Jahren jagten die Republikaner der CSU den ganz großen Schrecken ein, nun ist es die AfD. Eine Geschichte über den Aufstieg und Fall einer rechtsradikalen Partei in Bayern.

Von Lisa Schnell

Niemand wagt ein Wort zu sprechen im Saal 1 des Maximilianeums. Alles starrt auf drei Bildschirme an der Wand, wartet auf die ersten Hochrechnungen. Nervöses Händespiel, in den Augen: Angst. "Ich werd' jetzt gleich mein Zimmer räumen", seufzt eine CSU-Abgeordnete aus Kelheim, stimmt sich schon auf ein Leben ohne Politik ein. In Griechenland lasse es sich ja wunderbar wandern. Untergangsfantasien auch am kalten Büffet bei Hühnerbein und Schinkenblättern. Bitter sei das, murmelt einer. Wo kamen nur die Stimmen her?, rätselt ein anderer.

Die CSU bibbert vor einer Partei rechts von ihr, die vor "Überfremdung" warnt und ein "Menschenrecht auf Heimat" fordert. Eine Partei, deren Wahlerfolge ebenso groß sind wie ihre Parteigeschichte kurz ist. Eine Partei, die sich bei dieser Landtagswahl auf Jubel eingestellt hat.

Die Rede ist, nein, nicht von der AfD, sondern von den Republikanern. Die Szene von der Landtagswahl 1990 ist fast 26 Jahre her und könnte doch in der Zukunft spielen. Die Parallelen zwischen den Achtziger- und Neunzigerjahren und heute sind fast unheimlich. Damals meinte Strauß die Republikaner, als er sein Dogma formulierte, es dürfe keine demokratisch legitimierte Partei rechts von der CSU geben. Heute wendet es die CSU auf die AfD an.

Damals wie heute kamen so viele Zuwanderer nach Deutschland wie seit Jahrzehnten nicht. Damals wie heute skandiert der rechte Pöbel in den Straßen, brennen Asylbewerberheime, auch in Bayern. Und abermals verschärft die CSU ihren Ton: In den Neunzigern kam Edmund Stoiber mit seiner "durchrassten Gesellschaft" - auch wenn er nur die Republikaner zitierte -, jetzt spricht Horst Seehofer vom "Unrechtsstaat". Wie ähnlich sind sich Reps und AfD wirklich? Und: Kann die Vergangenheit Antworten geben auf Fragen der Zukunft? Ein Versuch, mit einem Blick zurück nach vorne zu schauen.

Beide, Republikaner und AfD, sind Protestparteien. Sie sehen sich als einzige Stimme des Volkes, fühlen sich verkannt, verfemt und verfolgt. Die Republikaner jammerten, Journalisten würden ihre Pressemitteilungen ignorieren, die AfD spricht von der "Pinocchiopresse". Beide haben ihre Wurzeln im bürgerlichen Lager, inszenieren sich als die wahren Hüter konservativer Werte.

Mehr noch als die AfD waren die Republikaner Fleisch vom Fleische der CSU. Ihre Gründerväter 1983: zwei CSU-Bundestagsabgeordnete, Franz Handlos und Ekkehard Voigt. Sie wollten keinen Strauß, der linke Kommunisten mit Milliardenkrediten unterstützt, sie wollten einen, der in die Bierzelte schmettert: "Freiheit statt Sozialismus!"

Die Gründer stammen jeweils aus der Union

Diese Parole müsse man der "Sozialdemokratisierung der Union" entgegen halten - die Worte stammen von Bernd Lucke, 30 Jahre später Gründer der AfD. Auch er stammt aus den Reihen der Union, auch er ist Anzugträger, eloquent, gebildet, genau wie Franz Schönhuber, das Gesicht der Republikaner seit 1985. Lucke ist ein angesehener Wirtschaftsprofessor, Schönhuber war ein renommierter Journalist. In Bayern war er eine "Galionsfigur", sagt Erwin Huber, damals CSU-Generalsekretär, ein "sehr populärer Mann", sagt Stoiber.

Nicht zuletzt wegen der BR-Kultsendung "Jetzt red i". Dort erhob sich "der kleine Mann" aus einem Meer von blau-weiß-karierten Bierzelttischen, um endlich mal gegen "die da oben" zu wettern. Schönhuber konfrontierte Politiker mit den Sorgen der Bürger, inszenierte sich als Sprachrohr des Volkes. "Für die Leute war er ein Demokrat", sagt Huber.

AfD wie Republikaner wirkten harmlos, seriös, weit weg vom rechten Pöbel. Ihre Kritik am DDR-Milliardenkredit oder der EU-Finanzpolitik erschien unverdächtig. Doch dann kam das Thema Asyl. Es brachte ihnen die größte Zustimmung und entblößte ihre rechte Gesinnung. Beide testen aus, wie weit sie nach rechts gehen können, ohne eine breite Zustimmung in der Bevölkerung zu verlieren.

Die Republikaner kündigten an, sich von Ultras und Radikalen zu befreien, an ihrer Spitze standen dann aber doch ehemalige NPD-Mitglieder und in ihren Versammlungen stramme Muskelmänner mit Bomberjacke. "Spiel mir das Lied vom Tod" erklang in einem Werbespot, dazu Bilder von Asylbewerbern. Rep-Funktionär Franz Glasauer forderte, Wackersdorf als "Arbeitslager für Gesindel und Abschaum" zu verwenden. 1994 suchte Schönhuber den Schulterschluss mit der rechtsextremen DVU. Rechtsextreme waren für Konservative aber nicht mehr wählbar. Ihr rechtsradikaler Kurs war ein Grund, warum die Republikaner untergingen. Wird die AfD ähnlich scheitern?

Wie weit sich die AfD nach rechts öffnet

"Ob sich die AfD langfristig etabliert, hängt auch davon ab, wie weit sie sich dem rechtsextremen Lager öffnet", sagt Politikwissenschafter Michael Weigl von der Uni Passau. Wie das AfD-Spielchen von Provokation und Zurückrudern funktioniert, konnte gerade wieder in München beobachtet werden: Bayerns AfD-Chef Petr Bystron tauchte zu einem Vortrag über seine Partei mit zwei bekannten Neo-Nazis auf. Nachdem sie dort unerwünscht waren, gingen sie noch in den Biergarten. Mit wem Bystron da anstieß, will er später nicht mehr gewusst haben.

Doch selbst wenn sein Parteifreund Björn Höcke ganz offen von "entarteter Politik" spricht, sorgt das heute für weniger Aufregung als noch zu Zeiten der Republikaner. "Die Diskreditierung rechter Parolen ist heute nicht mehr im gleichen Maße vorhanden", sagt Weigl. Die Grenzen zwischen rechtsextrem und rechtskonservativ seien fließender, Antisemitismus sei auch in der Mitte angekommen.

Für Alexander Häusler, Experte für Rechtsextremismus, ist die CSU daran nicht ganz unschuldig. Mit ihrer Strategie, sich von den Republikanern zwar abzugrenzen, ihre Themen und Rhetorik aber zu übernehmen, habe sie die Parteien rechts von ihr erst legitimiert. Das mag moralisch verwerflich sein, politisch scheint die Taktik der CSU zumindest bei den Republikanern damals aufgegangen zu sein.

Auf der einen Seite ließ Stoiber die Republikaner als bayerischer Innenminister vom Verfassungsschutz beobachten, auf der anderen hielt er im Bundestag flammende Reden gegen das "schrankenlose" Asylrecht. "Die Wähler haben uns damals verlassen wegen unserer Laschheit in der Asylgesetzgebung", sagt Stoiber. Fast 15 Prozent der Bayern wählten bei den Europawahlen 1990 Republikaner, doch am härtesten trafen die CSU ihre Verluste bei den Kommunalwahlen 1990. Also boxte Stoiber 1993 den Asylkompromiss durch, mit Zustimmung der SPD. Vom Asylrecht blieb ein Mini-Paragraf übrig.

Auch jetzt fährt die CSU einen ähnlichen Kurs, doch er ist schwerer durchzuhalten. Heute feiert auch die CSU bei der Lesben- und Schwulenparade mit, Seehofer spricht sich gegen Atomkraft aus, gegen den Wehrdienst, muss jetzt aber zugleich den rechten Rand abdecken. "Den Spagat als Volkspartei hinzukriegen, ist heute viel schwieriger", sagt Weigl. Dazu scheint die CDU unter Kanzlerin Angela Merkel den rechten Stammtischwählern auch noch ganz den Rücken kehren zu wollen. Auch deshalb entzweit die Frage, wie die Union mit der AfD umgehen soll, CDU und CSU heute. Bei den Republikanern zogen sie noch an einem Strang.

Noch ist die AfD eine Protestpartei

Dazu kommt, dass die AfD es geschafft hat, neben Asyl auch andere Themen des konservativen Lagers zu besetzen, die Angst vor Islamisierung oder dem Zerfall der Familie etwa. "Die AfD verschwindet nicht, wenn die Flüchtlinge verschwinden", sagt Häusler. Die Verunsicherung in der Bevölkerung durch Terror oder Europakrise sei ein guter Nährboden für rechte Parolen. Ein die Gesellschaft versöhnendes Ereignis wie die Wiedervereinigung 1990, in deren Jubelfeiern die Republikaner untergingen, ist heute kaum greifbar. Die Umstände scheinen derzeit günstiger zu sein für eine Partei wie die AfD, wenn da nicht sie selbst wäre.

Kaum ein Monat, in dem die AfD nicht kurz vor der Selbstzerfleischung zu stehen scheint. Noch ist sie eine klassische Protestpartei, deren Mitglieder oft nicht mehr eint als das Dagegen. Die Republikaner schafften den Sprung zur etablierten Partei nicht und gingen vor allem an sich selbst zugrunde. Sie schlossen sich gegenseitig aus, zerrten sich vor Gericht, bezeichneten sich untereinander als die "elendesten" und "hundsmiserabelsten" Lügner.

Auch vor der Landtagswahl 1990 in Bayern kriegten sie sich in die Haare. Auch deshalb gefror Franz Schönhuber damals das Lächeln im Gesicht. Er saß schon in der Münchner Runde im Fernsehen, da hörten die Republikaner-Balken in den Hochrechnungen plötzlich auf zu wachsen. Nur 0,1 Prozent fehlten ihnen damals, um in den Landtag einzuziehen. Im Maximilianeum bei der CSU hörte man Stoßseufzer der Erleichterung.

Ob die CSU nach 1990 auch 2018 mit ein wenig Angstschweiß davon kommt? Nur wenn die AfD über sich selbst stolpert.

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