Rechtspopulisten:Die AfD und das Prinzip der Zerstörung

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Frauke Petry und Jörg Meuthen auf dem AfD-Parteitag in Stuttgart. (Foto: Philipp Guelland/AFP)

Im Machtkampf zwischen den verfeindeten Parteichefs Frauke Petry und Jörg Meuthen zeigt sich: Unerträgliches zu dulden, gehört zur Parteiräson der AfD.

Kommentar von Jens Schneider

Gut drei Jahre nach ihrer Gründung lässt sich das Erfolgsprinzip der AfD wie folgt beschreiben: Ihre Politiker überschreiten immer mehr Grenzen und behaupten dann, dass sie nur aussprächen, was alle dächten. Auf dieser Grundlage schüren sie Ängste gegen den Islam oder Flüchtlinge, so bedienen sie viele Ressentiments. Ihr Mantra lautet: Das muss doch mal gesagt werden dürfen. Und das Gesagte sickert dann wie Gift in die gesellschaftliche Debatte.

Damit kam die AfD zu Wahlerfolgen. Aber genau diese Haltung führt auch dazu, dass sie immer wieder an den Rand der Selbstzerstörung gerät - das zeigte sich jetzt, da sich die AfD-Spitze in ihre neueste Schlacht begab. Vordergründig ging es um die Stellung des Parteichefs Jörg Meuthen in Stuttgart. Er wollte den Abgeordneten Wolfgang Gedeon wegen antisemitischer Schriften aus der Fraktion ausschließen. Wer ihn dafür als Liberalen in der AfD feiert, übersieht, wie oft er üble Auftritte des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke duldet, wie er ihn gar schätzt. Beide haben eine Allianz gegen Frauke Petry geschlossen, zusammen mit dem zweiten prominenten Rechtsnationalisten, Alexander Gauland.

Meuthen scheitert an der Ruchlosigkeit von Parteifreunden

Nun aber, und das ist bezeichnend für den Zustand der AfD, konnte Meuthen sich hier nicht durchsetzen. Er scheiterte an der Ruchlosigkeit von Parteifreunden, die sich auf das AfD-Prinzip berufen: Das muss doch mal gesagt werden dürfen. Es ist dies der nächste erschreckende Tabubruch der AfD: dass antisemitische Schriften nicht zu klaren Konsequenzen führen. Stattdessen wird ein Gutachten in Auftrag gegeben, um zu prüfen, was offenkundig ist. Diese Duldsamkeit gegenüber dem Unerträglichen ist Teil der AfD-Parteiräson.

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Gutachter sollen klären, ob der baden-württembergische AfD-Abgeordnete Gedeon ein Antisemit ist. Bis dahin lässt er die Mitgliedschaft in der Fraktion ruhen - ein Triumph für Parteichefin Petry.

Von Josef Kelnberger

Frauke Petry hatte Meuthen zu einem Kompromiss nach dieser Räson gedrängt. Das war ein Affront gegen den ihr gleichberechtigten Bundessprecher. Beide stehen als Spitzen verfeindeter Lager in einer Konfrontation, an deren Ende nur einer übrig bleiben kann. Auch der interne Umgang ist dabei von jener Haltung geprägt, die ohne Achtung über Grenzen geht. Jeder meint sagen zu dürfen, was niemand über einen anderen Menschen sagen sollte, weil es seine Persönlichkeit im Wesen verletzt. Die AfD begnügt sich nicht damit, um die Macht zu streiten. Man urteilt den anderen ab als Person. Petry etwa habe charakterliche Defizite, keine Inhalte, sei intrigant und führungsschwach, wird verbreitet. Ja, auch in anderen Parteien geht es heftig zu. Aber die AfD übertrifft sie alle an Unerbittlichkeit; das macht sie aus. Der Streit erinnert an die Brutalität, die den einst verehrten Parteigründer Bernd Lucke traf; er wurde davongejagt. Als Petry ihn vor einem Jahr besiegte, gratulierte Gauland per Handkuss. Inzwischen hält er sie für eine Gefahr für die Partei. Sie wird ihn für eine solche Gefahr halten. So bringt die Entscheidung von Stuttgart den Lagern nur Zeitgewinn. Sie können nach ihrem Selbstverständnis kaum anders, als sich und andere zu bekriegen, auf Kosten des Anstands. Das ist der Mechanismus von Zerstörung und Selbstzerstörung.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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