Politik in Bayern:In der CSU beginnt die Zeit der Karriereträume

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Wichtige Figuren im CSU-Machtspiel: Ilse Aigner, Ludwig Spaenle, Joachim Herrmann und Manfred Weber (v.l.n.r.) (Foto: dpa (2), Robert Haas, Christian Endt)

Markus Söders Unterstützer hoffen, dass sich ihre Loyalität in Posten auszahlt. Doch das bayerische Kabinett darf nur 17 Mitglieder umfassen. Das könnte zu schweren Enttäuschungen führen.

Von Roman Deininger und Wolfgang Wittl, München

Es war am Wochenende nach der Bundestagswahl, die CSU war auf beispiellose 38,8 Prozent abgestürzt, da bildete die SZ ein Schlachtengemälde ab. Zu sehen waren die Anhänger von Horst Seehofer und jene von Markus Söder, die bereits erste Attacken gegen den Ministerpräsidenten geritten hatten: die Landtagsabgeordnete Petra Guttenberger, ihr Kollege Alexander König, Kultusstaatssekretär Georg Eisenreich.

"Kolossal", befand eine Person aus der Mitte der Partei, die an anderer Stelle schon als "CSU-Orakel" bezeichnet wurde. Die Grafik werde eines Tages, "wenn das Fell des Bären verteilt wird", sicher ein wichtiger "Beleg" sein "für die Söder-Unterstützer der ersten Stunde".

Nun, da der Bär aus Sicht von Söders Leuten erlegt ist, stellt sich die Frage: Wer wird was? Zumindest diejenigen, die sich sehr konkret auf Ämter freuen, werden wissen wollen, ob der designierte Ministerpräsident wirklich mit ihnen plant. Die Abgeordnete etwa, die sich bereits als Staatssekretärin im Innenministerium wähnt; der Landrat, der angeblich Minister wird - sie dürften sich noch wundern, wie begrenzt die Zahl der freien Plätze ist.

Ein Söder-Fan gibt sich jetzt schon irritiert, weil er nicht mehr zurückgerufen werde. Auch die Fußsoldaten Guttenberger und König laufen womöglich ins Leere. Eisenreich dagegen könnte sich verbessern. Er wurde schon als CSU-Generalsekretär gehandelt, doch mit Seehofer in der Parteizentrale ist das auszuschließen. Vielleicht rückt der Staatssekretär zum Staatskanzleichef auf - Qualitäten als Strippenzieher hat Eisenreich als zweiter Mann der Münchner CSU bewiesen.

Auch sein Chef im Kultusministerium und Münchner Bezirksverband muss sich nicht sorgen. Ludwig Spaenle hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass er fest an Söders Seite steht. Ebenso Albert Füracker, der als Chef der Oberpfalz-CSU ohnehin zu den Mächtigen in der Partei zählt. Rückt er nun vom Staatssekretär zum Finanz- und Heimatminister auf, als direkter Nachfolger Söders? Sehr gut möglich, finden viele.

Skeptischer werden wohl Europaministerin Beate Merk und Sozialministerin Emilia Müller in die Zukunft blicken. Landwirtschaftsminister Helmut Brunner hat sich noch nicht festgelegt, ob er weitermacht, soll von Söder aber geschätzt werden. Umweltministerin Ulrike Scharf hat sich mit Söder öfter in Naturfragen gezofft, etwa im Streit ums Riedberger Horn.

Indes: Über beliebig viele kabinettstaugliche Frauen verfügt die CSU auch nicht. Gesundheitsministerin Melanie Huml dürfte gesetzt sein, brachte sich via Pressemitteilung dennoch gern in Erinnerung: Sie kenne Söder ja schon lange, man arbeite stets vertrauensvoll zusammen. Klar sei: "Markus Söder wird auch als Ministerpräsident überzeugen!" Da sollte nichts schief gehen.

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Und Söder selbst? Er wird schon in den nächsten Wochen beginnen, den Kurs in Bayern mitzusteuern. Ob die Klausur der Landtagsfraktion, der politische Aschermittwoch - überall wird er die Hauptrolle spielen. Manch einer bezeichnete das (letztlich ausgefallene) Duell zwischen Söder und Innenminister Joachim Herrmann als eines aus dem Dschungelbuch: die Schlange Kaa, die Opfer hypnotisierend zur Strecke bringt, gegen Balu, den tapsig-gemütlichen Bären.

Eines stimmt: Söder hat sich in seiner politischen Laufbahn schon öfter gehäutet - vom grellen Generalsekretär zum Europaminister, vom Umweltminister zum Finanzminister. Die wichtigste Häutung steht ihm bevor: Als Ministerpräsident muss er den verantwortungsvollen Staatsmann und jovialen Landesvater geben, durchaus eine Herausforderung.

Sie wollen jetzt alle nach vorne schauen in der CSU, aber dass das nicht ganz einfach wird, bewies noch am Abend der großen Einigkeitsshow Horst Seehofer höchstpersönlich. Er wolle nicht mehr über die Vergangenheit sprechen, beteuerte Seehofer in einem BR-Interview, weil das die "Gräben" in der Partei nur vergrößern würde. Dann sprach er über die Vergangenheit, ein wenig zumindest.

Die Wochen seit der Bundestagswahl seien "kein Ruhmesblatt in der CSU-Geschichte" gewesen: Kräfte, die er nicht näher benannte, hätten ihn "demontieren" wollen, "und das ist ja auch ein Stück gelungen". Die Attacken gegen ihn hätten "Schaden angerichtet" und "Verletzungen zur Folge gehabt". Seehofer klang ernst und ein bisschen melancholisch: "Was passiert ist, können wir nicht ausradieren." Aber haben sich Söder und er nicht genau das vorgenommen?

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Gleichzeitig hört man, Seehofer sei erleichtert, dass die Entscheidung endlich gefallen sei. Er fühle sich so "frei wie seit 40 Jahren nicht". Ein befreiter Seehofer, alle Fesseln gelöst - das kann eigentlich nichts Gutes bedeuten für Merkel in Berlin. Und für Söder in München.

Söders innerparteiliche Gegner könnten sich von Seehofer durch seine Kapitulation im Stich gelassen fühlen. Zu befürchten haben sie wenig: Wirtschaftsministerin Ilse Aigner wird zwar gern mal versuchsweise ins Amt der Landtagspräsidentin weggelobt. Solange der mächtige Bezirksverband Oberbayern hinter seiner Chefin steht, wird sie sich aber kaum beiseite schieben lassen. Söder braucht Aigner zudem als Stimmenfängerin im Wahlkampf.

Und Joachim Herrmann? Er war Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl und verpasste das Listenmandat. Er hätte als Innenminister nach Berlin wechseln sollen und bleibt in Bayern, weil das wichtige Ministeramt wohl an Seehofer geht.

Er war die Hoffnung der Söder-Widersacher als Ministerpräsident und trat doch nicht an. Formal gilt Herrmann in der CSU als Verlierer, moralisch als Gewinner, weil er der Partei eine Zerreißprobe ersparte. "Politisches Engagement bedeutet für mich nicht persönliches Karrierestreben", sagte Herrmann. Es war einer der wenigen ehrlichen Sätze, die am Montag zu hören waren.

Gedulden müssen sich alle, die Ambitionen auf den CSU-Vorsitz haben. Sollte Söder bei der Landtagswahl 2018 bestehen, dürfte es schwer sein, ihn auch von der Nachfolge Seehofers in der Partei fernzuhalten. Falls doch, haben sich Parteivize Manfred Weber und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bereits in Stellung gebracht.

Der schon kurz nach Amtsantritt mächtige Vorsitzende der CSU-Bundestagsabgeordneten gilt zwar als treuer Seehofer-Mann, aber auch als kühl und clever genug, sich mit der neuen Ordnung zu arrangieren. Sollte Söder nach Seehofers Abschied der CSU-Chefposten verwehrt bleiben, wäre ihm Dobrindt an seiner Seite sicher lieber als Weber. Auch politisch ist Söder der Grünenfresser Dobrindt näher.

Aber auch der in der Partei beliebtere Weber, Söders wohl größter Antipode, zeigte sich am Montag flexibel. Im Parteivorstand soll er Söder seine Unterstützung zugesagt haben, "ich traue dir die Erneuerung zu". Aber was traut man Söder eigentlich nicht zu in der CSU?

© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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