Pariser Autosalon:Hurra, wir leben noch

Lesezeit: 3 min

Der aktuelle Renault Clio debütierte auf dem Pariser Autosalon 2012. In diesem Jahr feiert der Espace-Nachfolger Premiere. (Foto: AFP)

Seit Jahren sind Frankreichs Autohersteller in Not. Jetzt beschwören Renault und Peugeot-Citroën die Wende zum Guten. Grund zum Optimismus liefert ausgerechnet die Lage in Europa.

Von Leo Klimm, Paris

Stolz präsentiert Carlos Tavares in der Pariser Peugeot-Zentrale einen Prototyp des Kleinwagens 208 mit "Hybrid-Air"-Antrieb. Der Gast des Konzernchefs, der neue Wirtschaftsminister Frankreichs, Emmanuel Macron, lobt vollmundig die Innovation, die der Konzern PSA Peugeot Citroën zusammen mit Bosch entwickelt hat. Dank eines Hydraulikkompressors soll sie den Benzinverbrauch im Stadtverkehr auf zwei Liter je 100 Kilometer senken.

Renault Twingo im Fahrbericht
:Sehr smart, der Kleine

Der letzte Renault Twingo war ein gewöhnlicher Kleinwagen. Der neue hat dagegen endlich wieder Charme. Und er kann auch noch alles besser als sein Vorgänger.

Von Michael Specht

Ein paar Stunden später weiht Macron mit Renault-Chef Carlos Ghosn in Le Havre eine Fertigungslinie für den Kleintransporter Trafic ein - verbunden mit der Ankündigung, dass hier von 2016 an auch für Fiat produziert wird. "Die Autoindustrie in Frankreich hat Zukunft", jubelt Macron. Einerseits ist das ein banaler Politikersatz. Andererseits ist er im Fall Frankreichs alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Ford hat gerade erst seinen Ausblick drastisch gesenkt. Das macht die Sorgen in der Industrie noch größer, auch in Frankreich.

Optimismus vor dem Pariser Autosalon

Peugeot mag wegen hoher Finanzrisiken bei Hybrid Air mit dem Einstieg in die Serienfertigung zögern. Kleintransporter mögen für Renault ein Nischengeschäft sein. Dennoch spiegelt der Optimismus die Stimmung der Gastgeber vor dem Pariser Autosalon, der an diesem Samstag öffnet: Nach Jahren der Absatzeinbrüche, Werksschließungen, Beinahe-Pleiten und Aktionärswechsel glaubt man in Frankreichs Autoindustrie, dass die Talsohle durchschritten ist, wenngleich der Aufwärtstrend fragil ist. Deutsche Hersteller haben umfangreiche Sparprogramme noch vor sich und zittern vor geopolitischen Unwägbarkeiten, die den Weltmarkt belasten. Die Franzosen beschwören beim Autosalon 2014 lieber die Zeichen der Hoffnung.

Peugeot 308 SW im Test
:Mit Chic und Kraft gegen die Hochdach-Manie

Der Peugeot 308 SW überrascht mit eleganter Form, einfacher Bedienung und einem spritzigen Dreizylindermotor. Nur beim Verbrauch bleibt der Fortschritt aus.

Von Joachim Becker

"Die Krise in Europa ist vorbei, der Automarkt wächst", glaubt Ghosn. Für 2015 erwartet er eine weitere Verbesserung. Beim Autosalon vor zwei Jahren hatte der Renault-Chef noch schwarzgemalt wie kein anderer. Der neue PSA-Chef Tavares gibt sich zurückhaltender - und stellt "gute Nachrichten" heraus.

In Europa geht es aufwärts

Die Hoffnung gründet in Europa - ausgerechnet. Die Abhängigkeit der französischen Autobauer vom Heimatkontinent als Produktionsstandort und Absatzmarkt war in den vergangenen Jahren ihre große Schwäche. Inzwischen haben beide die Herstellung margenschwacher Modelle an die Ränder Europas verlegt und in Frankreich die Arbeitskosten dank betrieblicher Bündnisse gesenkt. Der Spareffekt schlägt sich schon in den Bilanzen nieder.

Fahrbericht Citroën C1
:Zuckende Augenbraue

Unoriginelle Kleinwagen passen nicht mehr in die Zeit. Das glaubt zumindest Citroën und meint, dem neuen C1 deutlich mehr Esprit als dem Vorgänger verpasst zu haben. Doch es ist langweiliger als gedacht - und dennoch ein ziemlich gutes Auto.

Von Thomas Harloff

Zugleich ziehen die wichtigen Märkte Frankreich, Großbritannien und Spanien wieder an, der Verkauf von Kompaktwagen wie dem Peugeot 308 oder dem Renault Clio laufen ordentlich. Risiken in China müssen die Franzosen nicht fürchten, auch wenn China für Peugeot seit kurzem der größte Markt ist.

Der Traditionshersteller hat tiefgreifende Umwälzungen hinter sich. An deren Ende stand die pikante Berufung von Tavares an die PSA-Spitze, nachdem er zuvor seinen Rausschmiss als Ghosns Vize bei Renault provoziert hatte. Bei Peugeot findet Tavares einen Konzern vor, der zuletzt Milliarden verloren hat und erst im Frühling durch eine Kapitalspritze der chinesischen Partnerfirma Dongfeng und des französischen Staates gerettet wurde.

Mit Dongfeng, dem Staat und der Gründerfamilie Peugeot hat er nun drei Ankeraktionäre, deren unterschiedliche Interessen leicht zum Konflikt führen können. Im Moment allerdings freuen sich die Anteilseigner, dass es überraschend schnell aufwärts geht: Im ersten Halbjahr schrieb die PSA-Autosparte einen Mini-Betriebsgewinn von sieben Millionen Euro.

Angeschlagener Autobauer
:Peugeot-Familie gibt Kontrolle ab

Der chinesische Autobauer Dongfeng und der französische Staat sollen Peugeot retten. Dafür gibt die Gründerfamilie des ältesten noch existierenden Autobauers ihre Kontrollmehrheit ab.

Bis aber auch unter dem Strich und dauerhaft Geld verdient wird, ist es ein weiter Weg. Der Rückstand zu den Herstellern VW und Toyota scheint kaum aufholbar. "Die Gefahr ist, dass sich der Konzern mit der gegenwärtigen Besserung zufrieden gibt", sagt der Experte Bernard Jullien. "In diesem Fall würde Dongfeng die Eroberung von Schwellenmärkten an Peugeots Stelle und in Peugeots Namen übernehmen."

Stabile Lage bei Renault

Beim Rivalen Renault, der auf dem Autosalon eine neue Version des einstigen Erfolgsmodells Espace präsentiert, ist die Lage stabiler. Zwar musste Ghosn seinen Ehrgeiz bei E-Autos zügeln. Und in Russland, wo der Konzern dank Lada stark vertreten ist, schmälert die Ukraine-Krise den Absatz. Das wird jedoch wettgemacht, weil der Konzern mit den Marken Renault und Dacia in Europa und in Schwellenländern solide Ergebnisse erzielt. Zudem zahlt sich Ghosns Bündnispolitik aus: Renaults Beteiligung am japanischen Nissan-Konzern sorgte in den vergangenen 15 Jahren für 54 Prozent der Gewinne. Auch die Partnerschaft mit Daimler möchte Ghosn ausbauen. Der neue Smart Forfour und der neue Twingo sind schon technologisch identisch, womöglich liefert Renault bald auch die Basis für eine größere Smart-Version.

Fahrbericht Citroën C4 Cactus
:Vom Reiz des Einfachen

Mit einer originellen Variante des kompakten C4 liefert Citroën einen Beitrag zum entspannten Reisen. Der Cactus passt gut in die Zeit, ist aber nicht frei von Fehlern.

Von Jörg Reichle

"Der Aderlass in der Autoindustrie ist zu Ende", verkündet Minister Macron. Die existierenden Werke haben Bestandsgarantien, zumindest für ein paar Jahre. Zudem kann sich Macron auf einen paradoxen Trend stützen: Während die heimischen Hersteller die Produktion ihrer Kompaktautos verlagern, halten ausländische Marken wie Toyota und Smart am Standort fest, um eben solche Autos herzustellen. Kürzlich kündigte Nissan an, das Modell Micra künftig in Frankreich zu bauen - anstatt in Indien.

© SZ vom 02.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: