Fahrbericht Citroën C4 Cactus:Vom Reiz des Einfachen

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Der Citroën C4 Cactus bringt Farbe ins Spiel. (Foto: GREG; Citroen)

Mit einer originellen Variante des kompakten C4 liefert Citroën einen Beitrag zum entspannten Reisen. Der Cactus passt gut in die Zeit, ist aber nicht frei von Fehlern.

Von Jörg Reichle

Wie viel Auto braucht der Mensch? Diese Frage gewinnt schon deshalb heute an Brisanz, weil es, a, inzwischen überhaupt zu viele Autos gibt und, b, zu viele, die für den real existierenden Straßenverkehr eindeutig überqualifiziert sind: übermotorisiert, übergewichtig, überteuert. So gewinnt das Einfache überraschend wieder an Reiz. Nicht zuletzt ist die Autogeschichte ja voll von Charismatikern, die dem Minimalismus im Lauf der Zeit immer wieder Kultstatus verliehen haben, angefangen beim Käfer über Renault 4 und natürlich den unvergessenen 2CV von Citroën, den meisten Menschen besser bekannt als Ente.

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Viel Farbe, auffälliger Rempelschutz: Der Hang zum Anderssein ist - je nach Sichtweise - Citroëns größte Stärke oder größte Schwäche. Das sieht man auch beim neuen C4 Cactus.

Dass deren Minimalismus zwischen Rohrgestühl, Klappscheiben und Krückstockschaltung wohl für alle Zeiten unerreichbar bleibt, dafür sorgt nicht zuletzt das inzwischen arg strenge Regelwerk zum Thema passive Sicherheit. Vom Geist des Verzichts soll gleichwohl auch der neue Cactus profitieren, den Citroën jetzt präsentiert. Aus der Kombination von pfiffigem Design und "nützlicher Technik", wie es der Hersteller nennt, ist dabei auf Basis des Kompaktmodells C4 eine recht leichtgewichtige Kreation entstanden, die aus der Masse neu präsentierter Vierradler auf bescheiden-originelle Art ins Auge fällt.

Air Bumps für eine besondere Note

Ob einem der Cactus gefällt? Mag sein, oder auch nicht, außergewöhnlich sieht er in jedem Fall aus mit seinen stumpfen Rundungen, der eigenwilligen Leuchtenanordnung und den auffallenden Kunststoffplanken. Air Bumps nennt sie das Marketing großspurig. Nüchtern betrachtet sind es Elemente aus Thermo Plastic Urethan mit integrierten Luftkapseln als Aufpralldämpfer zum Schutz der Karosserie. Natürlich weiß keiner, wie die Dinger, die es in vier verschiedenen Farben gibt, aussehen werden, wenn sie dereinst selbst diverse Kratzspuren tragen. Dem Cactus verleihen sie aber zweifelsohne die besondere Note.

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Ungewöhnlich präsentiert sich der Neue auch innen - und überraschend geräumig für ein 4,16-Meter-Auto. Es fallen auf: Spanngurt-Dekor an den Türen, extrabreite Ablage überm Handschuhfach, sofamäßige Vordersitze, großer Touchscreen für Reisehilfen aller Art aus dem Konzernregal - vom Navi bis zur Klimaanlage, Media, Internet und so weiter. Ein digitaler Bildschirm ersetzt das herkömmliche Kombiinstrument. Und oben drüber spannt sich gegen Aufpreis ein riesiges Glasdach, das angeblich das Licht herein, aber die Hitze draußen lässt. Es fällt allerdings auch auf: die kompliziert und nur komplett umlegbare Rückbanklehne. Bitte nachbessern, nicht nur im Interesse junger Eltern.

Die Rückkehr des Ausstellfensters

Dass Verzicht auf allerlei Schnickschnack einen heutzutage höchst erwünschten Nebeneffekt hat, auch das macht den Cactus bemerkenswert. 200 Kilogramm Gewicht hat man gegenüber dem C4 eingespart, macht nicht einmal 1000 Kilo, die der Crossover auf die Waage stellt. Das leichte Marschgepäck bleibt natürlich nicht unbemerkt. Man hört das, wenn man die Türen zuschlägt und merkt es, wenn man vergeblich nach den hinteren Fensterkurbeln sucht. Mit dem Cactus feiert nämlich das gute alte Ausstellfenster seine Wiederkehr im Autobau.

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Schwerer als solche Verluste wiegen aber die Vorteile: reduzierter Verbrauch, also günstigere Betriebskosten der drei angebotenen Euro-6-Benziner mit 75 PS (4,6 l/100 km; ab 13 990 Euro), 82 PS (4,6 l; ab 15 140 Euro) und 110 PS (4,7 l; ab 17 090 Euro) sowie die Diesel mit 99 PS (3,1/3,4l; ab 18 990 Euro) und 92 PS mit Automatik (3,5 l; ab 20 240 Euro).

Und man merkt das beim Fahren. Vor allem der erfreuliche Dreizylinder mit 110 PS hat wenig Mühe mit dem Cactus. Wenn er beschleunigt, schnurrt er vergnügt vor sich hin und wenn nicht, benimmt er sich so leise, dass man an der Ampel schon mal anlassen will, obwohl der Motor längst läuft. Dazu gesellen sich unkompliziert Schaltung, Lenkung und Bremsen und vor allem eine Federung, die an die klassischen Tugenden des französischen Autobaus anknüpft. Sogar, dass die wahlweise angebotene Automatik eine gewisse Sensibilität im Umgang erfordert, mag man ihr verzeihen. Manchmal erziehen Autos eben auch ihre Fahrer.

© SZ vom 21.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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