Natur - Osterode am Harz:Umweltschützer sorgen sich um Gips-Landschaft im Harz

Bergbau
Gipssteine liegen in der Gipskarstlandschaft im niedersächsischen Teil des Südharzes. Foto: Swen Pförtner/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Osterode (dpa/lni) - Die Gipsindustrie will auch in Zukunft im Harz Rohstoffe abbauen - Umweltschützer wollen das aber verhindern. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Niedersachsen ist vor allem deswegen den Abbau, weil aus seiner Sicht die hohe Artenvielfalt der besonderen Landschaft besser geschützt werden muss.

Die Gipskarstlandschaft im Harz ist von seltenen Erdformationen und Artenreichtum geprägt. Die Gipsindustrie, die dort in Steinbrüchen das weiche Gestein abbaut, würde ihre Abbauflächen gerne vergrößern. Seit Jahren setzen sich die beiden Seiten für ihre Interessen ein, vor kurzem konnten die Naturschützer nun einen Erfolg für sich verbuchen.

Nur rund zwei Prozent der eisfreien Erdoberfläche bestehen nach Angaben des Vorsitzenden des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) im Westharz, Friedhart Knolle, aus weichem Karstgestein wie etwa Gips. Die Karstlandschaft im Harz ist die größte in Mitteleuropa und deshalb einzigartig.

Karst bezeichnet dabei die Erdformationen, die entstehen, wenn Wasser auf das weiche Gipsgestein trifft: Entlang von Flüssen bilden sich meterhohe Steilwände, in Ebenen entstehen durch Regenfälle tief einfallende Löcher, sogenannte Erdfälle.

Wegen der Karste seien in der Region unter anderem seltene Farne und Tiere zu finden, sagt Knolle. Laut Bundesamt für Naturschutz zählt die Karstlandschaft zu den 18 artenreichsten Regionen in Deutschland. Darüber hinaus seien dort zahlreiche Knochen und Fossilien konserviert, die durch Sprengungen und Bergbauarbeiten verloren gehen würden, sagt der Naturschützer. "Es lohnt sich, um jeden Hektar zu kämpfen."

Zwischen den Orten Osterode und Walkenried im Landkreis Göttingen wird in Niedersachsen derzeit auf einer Fläche von 574 Hektar Gips abgebaut. Insgesamt erstreckt sich die Gipskarstlandschaft auf rund 120 Kilometern Länge von Osterode über Thüringen bis nach Sachsen-Anhalt entlang der südlichen Kante des Harzes. Auch in Thüringen und Sachsen-Anhalt wird über den Gipsabbau diskutiert.

Die Gipsindustrie geht davon aus, dass durch den Kohleausstieg etwa die Hälfte der bisherigen jährlichen Gipsmenge verloren geht. Bei der Stromerzeugung mit Kohle entsteht sogenannter technischer Gips als Nebenprodukt. Das macht laut Bundesverband der Gipsindustrie (BV Gips) derzeit rund 50 Prozent aus. Die Branche, in deren Umfeld im Jahr 2020 in Niedersachsen 1547 Menschen beschäftigt waren, will den Wegfall des technischen Gipses unter anderem mit Naturgips kompensieren. Deshalb sollen die freigegebenen Abbaugebiete vergrößert werden.

Gips wird vor allem in der Baubranche für Trockenbauarbeiten eingesetzt. Schon vor Jahrhunderten wurde der Rohstoff im Harz von Bauern für die Landwirtschaft abgebaut. "Daneben benötigen viele Branchen wie Dentaltechnik und Medizin den wertvollen Spezialgips, der in dieser Qualität überwiegend aus dem Harz stammt", sagt ein Sprecher des Bundesverbandes der Gipsindustrie. Dort könne der Gips zudem umweltverträglich abgebaut und anschließend ohne große Transportwegen in der Region weiterverarbeitet werden.

Ende vergangenen Jahres entfernte das zuständige niedersächsische Landwirtschaftsministerium dennoch eine für den Gipsabbau geplante 40 Hektar große Erweiterungsfläche wieder aus dem aktuellen Entwurf des maßgeblichen Landesraumordnungsplans.

An den Plänen hatte es unter anderem Kritik von Umweltschützern und dem niedersächsischen Umweltministerium gegeben. "Die weiteren Abbaugebiete sind nicht notwendig, weil der wegfallende technische Gips auch durch recycelten Gips oder alternative Rohstoffe ersetzt werden kann", meint der studierte Rohstoffwirt Knolle. Der Naturgipsabbau sei lediglich günstiger.

Der Umweltschützer kritisiert zudem, dass der Bergbau nicht nachhaltig für die Region sei. "Die Industrie ist endlich. Zukunftsträchtiger wäre es, die besondere Karstlandschaft zugänglich zu machen und als touristisches Ziel herauszustellen", sagt Knolle. "Die Werke im Harz sind auf dem technisch und ökologisch neusten Stand und sichern Beschäftigung", hält dem der Sprecher der Gipsindustrie entgegen. Die Branche sei zudem bereit, notwendige Investitionen zu tätigen, um den Standort Harz dauerhaft zu sichern.

Nach dem Ende des Gipsabbaus sollen die Steinbrüche zudem renaturiert oder zu neuen Naturschutzgebieten entwickelt werden. "Renaturierung ist eine gute Sache - bloß kann man eine Karstlandschaft nicht renaturieren", meint Knolle. Die Erd- und Steinformationen sowie die Artenvielfalt seien über einen Zeitraum von tausenden Jahren entstanden. "Das kommt nicht wieder."

© dpa-infocom, dpa:220207-99-08572/3

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