Unter Hitzewellen leiden nicht nur Menschen, Tiere und Pflanzen an Land, sondern auch die Bewohner der Meere. Wahrscheinlich setzen ungewöhnlich hohe Temperaturen Fischen und vielen anderen sogar noch mehr zu: Sie können nicht schwitzen und haben auch sonst kaum Möglichkeiten, ihre Körpertemperatur zu regulieren. Anders als bisher gedacht, können sie oft nicht einmal nach unten in kühlere Wasserschichten ausweichen. Nach einer aktuellen Untersuchung, die gerade im Wissenschaftsjournal Nature Climate Change erschienen ist, treten Hitzewellen nämlich auch in tiefem Wasser auf. In Tiefen von 50 bis 200 Meter seien sie sogar intensiver als an der Oberfläche und dauerten zudem länger an, schreibt ein Team um Eliza Fragkopoulou vom Centre of Marine Sciences an der portugiesischen University of Algarve.
"Studien haben sich bisher auf die Temperaturen der Meeresoberfläche konzentriert, denn dort ist die Datenlage aufgrund von Satellitenmessungen viel besser als in größeren Wassertiefen", sagt Christian Wild, Meeresökologe an der Universität Bremen. Die Forschenden um Eliza Fragkopoulou haben dagegen Daten des Copernicus-Programms analysiert, bei dem Messungen von Satelliten mit Vorort-Messungen in den Ozeanen kombiniert werden. So bekamen sie Informationen über die Temperatur in 50 verschiedenen Tiefen von der Oberfläche bis 2000 Meter hinunter.
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In einer Tiefe von mehr als 3000 Metern haben Meeresbiologen ein rätselhaftes Gebilde gefunden. Wie ist es da hingekommen? Und was ist das überhaupt? Erste mögliche Antworten gibt es.
Zu ihrer Überraschung stellten die Forschenden fest, dass Hitzewellen ihre höchste Intensität nicht an der Oberfläche haben, sondern in einer Tiefe zwischen 50 und 250 Meter. Noch tiefer wird das Wasser zwar wie erwartet wieder kühler. Allerdings dauert es dort etwa doppelt so lange wie an der Oberfläche, bis die Hitzewelle vorbei ist und sich das Wasser wieder auf seine Normaltemperatur abgekühlt hat. Mancherorts sei das Wasser in der Tiefe noch bis zu zwei Jahre, nachdem die Hitzewelle an der Oberfläche vorbei war, ungewöhnlich warm gewesen, schreiben die Autorinnen und Autoren.
"Die Wärmeenergie verlässt das Wasser aufgrund dessen hoher Wärmekapazität nur sehr langsam in die Luft, wenn diese abkühlt", erklärt Christian Wild das Phänomen. Normalerweise bleibe daher ein großer Teil der Wärmeenergie im Meer, werde aber durch Strömungen und Durchmischungsprozesse von der Oberfläche in tiefere Wasserschichten abgeleitet.
Auch Kaltwasserkorallen in mehreren Hundert Meter Tiefe sind bedroht
Was bedeutet das alles für die Tiere und Pflanzen, die in den Meeren leben? "Organismen, die in tieferen Gewässern leben, reagieren im Allgemeinen empfindlicher auf die Erwärmung, da sie im Vergleich zu Organismen in Oberflächengewässern an stabilere Umweltbedingungen - zum Beispiel Temperatur - angepasst sind", sagt Diego Kersting vom Spanish National Research Council. Daher sei die Beobachtung, dass thermische Anomalien in tieferen Gewässern intensiver werden und länger andauern, "höchst besorgniserregend."
Zum Beispiel könnten auch Kaltwasser-Korallenriffe bedroht sein, die in Wassertiefen von hundert bis mehr als 1000 Meter vorkommen. Bisher dachte man, dass diese Korallen anders als Warmwasserriffe, die in seichterem Wasser bis maximal hundert Meter Tiefe wachsen, vergleichsweise sicher vor Hitzewellen sind.
In 22 Prozent der Ozeane sei die Artenvielfalt durch Hitzewellen besonders stark bedroht, schreiben die Studien-Autorinnen und Autoren - zum Beispiel, weil dort viele Arten leben, die besonders empfindlich auf Hitzestress reagieren. Hochrisiko-Regionen sind beispielsweise weite Teile des Indischen Ozeans und des Nordatlantiks.
Mit Material des Science Media Center (SMC)