Biophysik:Ein Photon genügt

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Nicht nur Pflanzen können Photosynthese betreiben, sondern auch Bakterien und andere Organismen. (Foto: All mauritius images Garden/mauritius images / Flowerphotos)

Um eine Photosynthese-Reaktion zu starten, reichen bereits einzelne Lichtteilchen. Warum das für die Entwicklung von künstlicher Photosynthese wichtig ist.

Von Andreas Jäger

Wie Photosynthese funktioniert, dürfte vielen noch aus der Schulzeit bekannt sein: Aus Kohlendioxid und Wasser wird in Pflanzen mit Hilfe von Sonnenlicht Sauerstoff und Zucker, so die grobe Kurzfassung. Der grüne Pflanzenfarbstoff Chlorophyll spielt dabei eine wesentliche Rolle.

Bereits seit Langem wird vermutet, dass einzelne Lichtteilchen, die Photonen, genügen, um Photosynthese-Reaktionen zu starten. Einem Team um den Chemiker Graham Fleming von der University of California in Berkeley ist es nun aber gelungen, diese These erstmals experimentell zu bestätigen. Wie die Wissenschaftler in einem Aufsatz im Fachblatt Nature schreiben, setzen einzelne Lichtteilchen nach Absorption durch das zur Photosynthese fähige Bakterium Rhodobacter sphaeroides einen Energietransfer mit anschließender Fluoreszenz in Gang. Dadurch werden alle weiteren Schritte der Photosynthese überhaupt erst ermöglicht.

Für ihren Labornachweis nutzten die Forscher eine Technik namens PCQLS ("photon-counting quantum light spectroscopy"), eine spektroskopische Methode, mit der einzelne Photonen gezählt und zeitlich aufgelöst werden können. Hierzu versammelte Fleming gemeinsam mit der Chemikerin Birgitta Whaley die Expertise von Biologinnen und Quantenoptikern um sich. Die Gruppe machte sich Fortschritte bei der Entwicklung von Einzelphotonenquellen zunutze - Lichtquellen, die, anders als Glühbirnen oder Laser, immer nur genau ein Lichtteilchen aussenden und zum Beispiel auch in der Quantenkryptografie zum Einsatz kommen.

Im Labor in Berkeley wurde vor die Einzelphotonenquelle ein spezieller Kristall gesetzt. Wenn ein Photon durch ihn hindurchfliegt, spaltet es sich in zwei Photonen der jeweils halben Energie auf, man spricht von parametrischer Fluoreszenz. Es entsteht ein Photonenpaar, dessen Weg sich sogleich trennt: Das eine der beiden Photonen dient als eine Art Vorbote (Englisch: "herald"), es wird direkt detektiert. Hierdurch lässt sich das zuvor ausgesandte einzelne Lichtteilchen charakterisieren.

Das andere Photon hingegen wird zu sogenannten Purpurbakterien geführt. Hierbei handelt es sich um rötliche Einzeller, die man in der Natur unter anderem in sauerstoffarmen Tümpeln findet und die, im Gegensatz zu Pflanzen, keinen Sauerstoff produzieren - man spricht von anoxygener Photosynthese.

Die lichtschluckenden Einheiten der Purpurbakterien werden in Fachkreisen schlicht "LH2" genannt. Sie bestehen aus zwei ineinander verschlungenen Ringen aus Bakteriochlorophyll-Molekülen. Von ihnen wird das zweite Photon absorbiert. Dabei gibt es einen Teil seiner Energie ab, was eine Ladungstrennung im Molekül bewirkt, die die nachfolgende Photosynthese-Reaktion anstößt. Es kommt außerdem zur Fluoreszenz, das heißt, ein neues Lichtteilchen, das nun eine größere Wellenlänge - und damit eine niedrigere Energie - besitzt als das Vorboten-Photon, wird von den Bakterien wieder ausgespuckt und dann von einem zweiten Detektor gemessen.

Nicht nur in Bakterien, auch in Pflanzen und Algen laufe der erste Schritt der Photosynthese auf die gleiche Weise ab, schreiben die Studienautoren in einer Pressemitteilung. Indem sie eine Lichtquelle verwendeten, die einzelne Photonenpaare aussendet, habe der Lichteinfall der Sonne nachgeahmt werden können. In vorherigen Studien hatte man bislang auf ultrakurze Laserpulse zur Anregung zurückgegriffen.

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Es gebe aber "einen riesigen Unterschied zwischen der Intensität eines Lasers und der Intensität des Sonnenlichts", erklärt Quanwei Li, Erstautor des Nature-Aufsatzes. "Ein typischer, fokussierter Laser ist millionenfach heller als Sonnenstrahlen." So treffen mit dem Sonnenlicht nur etwa tausend Photonen pro Sekunde auf dem Chlorophyll-Molekül eines Blattes ein. Von der eintreffenden Sonnenenergie wird bei der pflanzlichen Photosynthese nur etwa ein Prozent in chemische Energie umgewandelt. Purpurbakterien brauchen noch einmal deutlich weniger Licht für die Photosynthese, sie sind jedoch erstaunlich effizient: Fast jedes Lichtteilchen, das von Bakteriochlorophyllen absorbiert wird, erzeugt ein Elektron für die Photosynthese, die sogenannte Quantenausbeute liegt bei nahezu hundert Prozent.

Um die Quanteneigenschaften von lebenden Organismen wirklich zu verstehen, müsse man jeden einzelnen Schritt studieren, sagt Li. Nur dann könne man künstliche, Photosynthese betreibende Systeme entwerfen, etwa um erneuerbare Brennstoffe herzustellen.

Aktuell wird daran geforscht, mit Hilfe von künstlicher Photosynthese Wasser (H₂O) in Wasserstoff (H₂) und Sauerstoff (O₂) aufzuspalten. Mit den Spaltprodukten ließe sich in Brennstoffzellen Energie gewinnen, ohne dass dabei klimaschädliches Kohlendioxid entsteht. Wirtschaftlich sind die verschiedenen Ansätze noch nicht. Fachleute hoffen dennoch, eines Tages artifizielle Photosynthese-Systeme zu entwickeln - mit hoher Quantenausbeute, so wie die Purpurbakterien.

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