SZ-Klimakolumne:Klimaschutz als Menschenrecht

Lesezeit: 2 min

Die "Klimaseniorinnen" aus der Schweiz waren in Straßburg mit ihrer Klage erfolgreich. (Foto: Christian Hartmann/REUTERS)

Erstmals war eine Klimaklage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erfolgreich. Warum der Rechtsweg Hoffnung macht.

Von Nadja Schlüter

Wenn Sie das Wort "Klimaaktivismus" hören, dann denken Sie wahrscheinlich als Erstes an junge Menschen, die sich auf der Straße festkleben, Kohlegruben stürmen oder Bagger besetzen. Oder Sie denken an Demozüge in der Innenstadt und bunte Plakate. Woran Sie vermutlich eher nicht denken: an ältere Damen mit Schals - und an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Aber genau solche Damen und genau dieser Ort standen diese Woche im Mittelpunkt des Klimaaktivismus.

Die Schweizer Gruppe "Klimaseniorinnen" - bestehend aus rund 2000 Frauen, ein Drittel älter als 75 Jahre - hatte vor dem EGMR geklagt: Durch mangelnden Klimaschutz werde ihr Recht auf Leben verletzt. Denn stärkere Hitzewellen im Sommer gefährden ältere Menschen besonders. Allein im Sommer 2022 gab es in Europa mehr als 60 000 hitzebezogene Todesfälle - und rund 37 000 der Verstorbenen waren älter als 80 Jahre.

Am Dienstag hat der EGMR den Klimaseniorinnen recht gegeben. Wie bedeutend dieses Urteil ist, das hat der SZ-Rechtsexperte Wolfgang Janisch in einem Kommentar auf den Punkt gebracht: Klimaschutz ist jetzt Menschenrecht.

In einem weiteren Text hat Janisch das Verfahren und das Urteil noch einmal im Detail erklärt, der Titel: "Gemeinsam seid ihr stark". Das gilt in vielen Lebenslagen - aber als Klimakläger vor Gericht gilt es besonders. Nicht nur, weil der EGMR entschieden hat, dass zum Klimaschutz nur eine Gruppe Klagebefugnis hat, nicht aber individuelle Personen (weil, so der Gerichtshof, der Klimawandel nun mal alle trifft). Sondern auch, weil eine Klimaklage ein großes Durchhaltevermögen erfordert. Die Schweizer Seniorinnen mussten sich durch alle nationalen Instanzen klagen, bis sie vor den EGMR ziehen konnten. Die ebenfalls am Dienstag in Straßburg verhandelte Klage von 32 Jugendlichen aus Portugal, die 32 europäischen Staaten vorgeworfen hatten, durch mangelnden Klimaschutz ihre Zukunft zu gefährden, sind diesen mühsamen Weg nicht gegangen. Deswegen hat der EGMR ihre Klage abgewiesen.

Aber das Urteil zugunsten der Seniorinnen wird sicher viele andere motivieren, auch den Rechtsweg zu beschreiten. Überhaupt nutzen Klimaaktivisten die Mittel des Rechts seit einigen Jahren immer öfter. Man denke an das wegweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor drei Jahren. 2023 gab es weltweit fast 3000 laufende Klimaklagen - viermal mehr als noch 2020.

Und ganz ehrlich: Auch, wenn die Klimabewegung sagt, dass alle Formen von Aktivismus wichtig sind, bin ich überzeugt, dass der Weg vors Gericht auf lange Sicht mehr bringt als Klebe-Aktionen und Demos. Denn langsam, aber sicher wirken diese Klagen und die Urteile in die Politik hinein. Eine Straßenblockade ist natürlich der schnellere Weg - aber der Rechtsweg verändert das System nachhaltig. Und um Nachhaltigkeit geht es hier ja.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag , den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Klimakrise
:Der SZ-Klimamonitor

Wie wir Menschen die Erde zerstören - und wie wir sie noch retten können. Die wichtigsten Daten und Hintergründe zur größten Krise der Welt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: