Geschichte - Mainz:Nationalsozialismus-Orte sichtbar machen: Hochschulprojekt

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Mainz (dpa/lrs) - Während der NS-Zeit residierte die NSDAP-Kreisleitung erst im Osteiner, dann im Schönborner Hof in Mainz. Heute ist der eine frisch saniert und bietet Wohnungen, der andere ist Heimat unter anderem des französischen Studien- und Kulturzentrums Maison de France. Wenig bis nichts erinnert hier und an anderen Stellen in der Stadt an die dunkle Vergangenheit - hier setzt ein Projekt der Hochschule Mainz an. Studenten des Fachbereichs Gestaltung haben sich mit Tatorten des Nationalsozialismus in Mainz beschäftigt, deren Geschichte erkundet und Konzepte entwickelt, wie das Vergangene wieder erlebbarer gemacht werden kann.

"Blinde Flecken - Tatorte des Nationalsozialismus in Mainz" heißt das Hochschulprojekt. Insgesamt sind 27 studentische Arbeiten zu ganz verschiedenen solcher Tatorte in diesem Sommersemester entstanden. Sie drehen sich neben dem Osteiner und dem Schönborner Hof auch etwa um den Dahlberger Hof, wo einst ein Polizeigefängnis war. Ein Projekt sieht vor, Stahlstäbe dort anzubringen - 1547, für jedes hier inhaftierte und namentlich bekannte Opfer.

Auch mit einer Grünanlage, auf deren Areal einst ein Denkmal für den 1930 getöteten SA-Sturmführer Horst Wessel stand, hat sich ein Projekt beschäftigt sowie mit der Außenstelle der Gestapo. Vor dessen Fassade an der Kaiserstraße sollen Metallstelen an die Kälte und Strenge erinnern, die Menschen damals mit dem Haus verbunden haben dürften.

In Mainz begangene nationalsozialistische Verbrechen seien meist an den jeweiligen Orten heutzutage nicht mehr sichtbar und erst recht nicht emotional erfahrbar, erklärte die Hochschule. Die "weitestgehende Durchdringung und Akzeptanz des Faschismus im Alltag" der damaligen Zeit gerate so zum abgeschlossenen und wegrenovierten historischen Ereignis. Dem soll das Projekt entgegenwirken. Nur weil etwas wegrenoviert werde, sei die Geschichte nicht verschwunden, sagte Wolf Gutjahr, Professor am Fachbereich Gestaltung.

Ein weiteres Projekt namens "Rampe" will neue Verbindungen schaffen und sieht eben eine solche vor zwischen dem jüdischen Friedhof und dem Platz des einstigen Güterbahnhofs, von wo aus Juden in Vernichtungslager gebracht wurden. Die Studierenden hätten recherchiert, was an den einzelnen Orten passiert sei, sagte Professorin Antje Krauter-Otterbach. Darauf aufbauend seien die Konzepte entstanden, die alle mit überschaubaren Mitteln realisierbar sein sollten. Der Wunsch wäre, dass das ein oder andere später einmal realisiert werde. Das Gros der Projekte wird vom 24. November bis 5. Dezember 2020 in einer Ausstellung zu sehen sein.

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